Stephansplatz 1 , Karte
Text: Johanna Witzeling
Die alte ‘Pummerin‘ war bei einem Brand im Wiener Stephansdom 1945 zerstört worden. Bruchstücke der alten Glocke sowie türkische Kanonen aus dem Heeresgeschichtlichen Museum sollten u.a. für den Guss einer neuen Glocke verwendet werden. Die Oberösterreichische Glocken- und Metallgießerei in St. Florian stellte die ‚neue Pummerin‘, auch „Marienglocke“ genannt, nach einem misslungenen ersten Versuch schließlich am 5. September 1951 fertig und machte sie dem Wiener Stephansdom zum Geschenk. Seither steht die Glocke symbolisch für die Wiedergeburt und Einigkeit Österreichs.
Eine neue Glocke für den Stephansdom
Eine neue Glocke für den Stephansdom
Zwischen dem 12. und 14. April 1950 brachte man die Bruchstücke der alten ‚Pummerin‘ nach St. Florian. Auf Initiative des Landeshauptmanns Dr. Heinrich Gleißner stiftete das Land Oberösterreich die Glocke und beauftragte die Gießerei St. Florian, nach einem Entwurf des örtlichen Bildhauers Franz Forster die neue Glocke für den Stephansdom zu gießen.
Nachdem ein erster Guss misslungen war, wurde die neue ‚Pummerin’, auch ‚Marienglocke’ genannt, am 5. September 1951 vom Glockengießer Karl Geisz aus Teilen der zerbrochenen alten ‚Pummerin’ und eingeschmolzenen Kanonen osmanischer Truppen aus dem Heeresgeschichtlichen Museum in Wien fertig gestellt (vgl. Zehetner/ Zöchling 2007: 5).
Am 25. und 26. April 1952 wurde die neue ‚Pummerin‘ auf einem Tieflader von Linz nach Wien gebracht.
Anders als die alte ‚Pummerin‘, die sich im Südturm befand, sollte die neue ‚Pummerin‘ im breiteren Nordturm aufgehängt werden. Aufgrund von Zerstörungen durch den Brand im April 1945 mussten große Teile des Domes erneuert werden. Somit konnte die neue ‚Pummerin‘ noch nicht gleich an ihrem angedachten Platz angebracht werden.
Nach der feierlichen Domeröffnung und Weihe der neuen ‚Pummerin‘ durch Kardinal Theodor Innitzer am 26. April 1952 vergingen fünf Jahre, in denen ihr provisorischer Glockenstuhl im Bauhof der Dombauhütte untergebracht war.
Am 27. April 1952 wurde sie zum ersten Mal geläutet, und zwar mittels Anhebens und Schlagen eines Klöppels. Zu Silvester 1952 führte der damalige Dompfarrer Karl Raphael Dorr, der Initiator des Projekts ‚Wiederaufbau des Stephansdomes‘, das heute nicht mehr wegzudenkende Silvesterläuten der ‚Pummerin‘ ein. 1953 bekam sie ein elektrisches Läutwerk.
Am 3. Oktober 1957 konnte die neue ‚Pummerin‘ schließlich im breiteren und massiveren Nordturm aufgehängt werden. Dafür mussten Teile des Riesentors (wie bereits beim Einzug der alten ‚Pummerin‘) ausgebaut werden, um die Glocke in den Dom bringen zu können. Am 13. Oktober 1957 wurde die Weihe des Turmhelmes und des Glockenstuhls durch den Erzbischof von Wien Franz König vollzogen.
Die Inschriften der neuen ‚Pummerin‘
Die Inschriften der neuen ‚Pummerin‘
Der ornamentale Schmuck der ‚Marienglocke‘ besteht aus sechs Osmanenköpfen auf den Armen der Henkelkrone und drei Reliefs mit folgenden Darstellungen:
- Die „Gottesmutter, eine Nachbildung des Bildes auf der alten Pummerin“
- Eine „Szene aus der Türkenbelagerung von 1683“ (ebd.) mit einer lateinischen Inschrift, die in deutscher Übersetzung folgendermaßen lautet:
Gegossen bin ich aus der Beute der Türken, als die ausgeblutete Stadt nach tapferer Überwindung der feindlichen Macht jubilierte. 1711 (vgl. Brouchal/ Gruber 2005: 59)
- und dem Dombrand 1945.
Die Inschrift, welche sich auf den Brand des Stephansdomes im Jahr 1945 bezieht, lautet auf Deutsch:
Geborsten bin ich in der Glut des Brandes. Ich stürzte aus dem verwüsteten Turm, als die Stadt unter Krieg und Ängsten seufzte. 1945 (ebd.)
Die Weihinschrift besagt übersetzt:
Wiederhergestellt unter Kardinal Dr. Theodor Innitzer, über Bemühung von Heinrich Gleißner, durch den Werkmeister Karl Geisz; geweiht der Königin von Österreich, damit durch ihre mächtige Fürbitte Friede sei in Freiheit. 1951 (ebd.)
Oberhalb der Weihinschrift ist das österreichische Wappen zu sehen, darunter eine Kombination aus verschiedenen Wappen (vgl. ebd).
Die Glocke in Zahlen
Die Glocke in Zahlen
Mit einem Durchmesser von 314 Zentimetern, einer Höhe von 2,94 Metern und einem Gewicht von 20,13 Tonnen (mit dem Klöppel aus dem Jahr 1740 sind es ca. 20,9 Tonnen) ist die neue ‚Pummerin‘ die zweitgrößte freischwingende Glocke Europas (die schwerste ist die Petersglocke im Kölner Dom) (vgl. Stephansdom.at, Dehio 2003, Wikipedia). Die Wandstärke der Oktavglocke mit Mollterz und dem Schlagton c+4/16 beträgt an der dicksten Stelle 23 Zentimeter. Der Nachhall dauert bis zu 3 Minuten.
Die ‚Pummerin‘ wird zu folgenden Anlässen geläutet:
- Jahreswechsel: 0:00 Uhr
- Karsamstag: Osternachtsfeier ca. 23:45 Uhr
- Ostersonntag und Pfingstsonntag: nach dem Pontifikalamt ca. 11:45 Uhr
- Domweihfest: 23. April
- Fronleichnam: zu Beginn und Ende der Prozession
- Allerseelen: ca. 17:45 Uhr
- Heiliger Abend: ca. 23:55 Uhr
- Christtag: nach dem Pontifikalamt ca. 11:45 Uhr
- Stephanitag: nach dem Pontifikalamt ca. 11:45 Uhr
- Silvester: nach der Jahresschlussandacht ca. 17:30 Uhr
- bei Todesnachricht und Begräbnis von Papst und Erzbischof
- bei Bestattung des Dompfarrers
- und bei besonderen Anlässen“ (Wintermeyer, in: Stephanscom.at)
Ein Symbol für die Wiedergeburt Österreichs
Ein Symbol für die Wiedergeburt Österreichs
Die neue ‚Pummerin’ symbolisierte mit ihrem ersten Läuten 1952 die Einigkeit und die Wiedergeburt Österreichs nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese Einigkeit Österreichs wurde durch die Mithilfe aller Bundesländer am Wiederaufbau des Stephansdomes als gemeinsames Wahrzeichen demonstriert. Eine Inschrift von Max Mell am nordöstlichen Vierungspfeiler verleiht dem Ausdruck (vgl. Zykan 2005: 7):
Die dich in dieses Gotteshaus ruft, DIE GLOCKE, spendete das Land Oberösterreich; / Das dir den Dom erschließt, DAS TOR, das Land Steiermark; / Der deinen Schritt trägt, DER STEINBODEN, das Land Niederösterreich; / In der du betend kniest, DIE BANK, das Land Vorarlberg; / Durch die das Himmelslicht quillt, DIE FENSTER, das Land Tirol; / Die in festlicher Helle erstrahlen, DIE KRONLEUCHTER, das Land Kärnten; / An der du den Leib des Herrn empfängst, DIE KOMMUNIONBANK, das Burgenland; / Vor dem deine Seele sich in Andacht neigt, DEN TABERNAKEL, das Land Salzburg; / Das die heiligste Stätte des Landes behütet, DAS DACH, spendete im Verein mit vielen, hilfreichen Händen die Stadt Wien. (zit. nach: Zykan 2005: 7)
Literatur
Literatur
BDA–Bundesdenkmalamt (Hg.) (2003): Dehio-Handbuch, Die Kunstdenkmäler Österreichs, Band 1. Bezirk; Innere Stadt. Horn.
Brouchal, Robert/ Gruber, Reinhard H. (2005): Der Stephansdom. Monument des Glaubens. Stein gewordene Geschichte. Wien.
Coeckelberghe-Dützele, Gerhard Robert Walter von/ Köhler, Anton (Hg.) (1846): Pummerin (Die). Curiositäten- und Memorabilien-Lexicon von Wien: ein belehrendes und unterhaltendes Nachschlag- und Lesebuch in anekdotischer, artistischer, biographischer, geschichtlicher, legendarischer, pittoresker, romantischer u. topographischer Beziehung Band II. Wien, 262–263.
Flieder, Viktor/ Loidl, Franz (1967): Stephansdom – Zerstörung und Wiederaufbau. Chronik u. Dokumentation. Wien.
Historisches Museum der Stadt Wien (Hg.) (1982): Die Türken vor Wien. Europa und die Entscheidung an der Donau 1683. Salzburg/Wien.
Kodera, Peter (2006): Der Stephansdom. Hohenems.
Ogesser, Joseph (1779): Beschreibung der Metropolitankirche zu Sanct Stephan in Wien, Wien, 47–52.
Schachinger, Anton (1962): Türkennot 1683 und ihre Überwindung im Markte Perchtoldsdorf. Forschungen zur Landeskunde von Niederösterreich, Band 12, Wien.
Sturminger, Walter (1968): Die Türken vor Wien in Augenzeugenberichten. Düsseldorf.
Tietze, Hans (1931): Geschichte und Beschreibung des St. Stephansdomes in Wien. Wien.
Wintermeyer, Hans: Die Pummerin – Stimme von St. Stephan, 16.09.2009. (nicht mehr online)
Witzmann, Reingard (1982): Türkenkopf und Türkenkugel. Einige Türkenmotive und Bildvorstellungen der Volkskultur aus dem 17. und 18. Jahrhundert. In: Historisches Museum der Stadt Wien (Hg.): Die Türken vor Wien. Europa und die Entscheidung an der Donau 1683. Salzburg/Wien, 291–303.
Zehetner, Franz/ Zöchling, Ernst (2007): 50 Jahre Pummerin am Nordturm. In: Der Dom. Mitteilungsblatt des Wiener Domerhaltungsvereines Folge 2/2007, Wien, 5–7.
Zykan, Marlene (2005): Zerstörung und Wiederaufbau des Wiener Stephansdomes. Zum Gedenkjahr 2005. In: Der Dom. Mitteilungsblatt des Wiener Domerhaltungsvereines Folge 1/2005, Wien, 2–10.