Eichbüchler Str. 95, Katzelsdorf , Karte
Text: Simon Hadler
Das frühere Franziskanerkloster in Katzelsdorf an der Leitha wurde zwei Mal von osmanischen Reitertruppen angegriffen und beschädigt. In beiden Fällen, 1532 und 1683, wurden als Wache zurückgebliebene Klosterbrüder ermordet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden im Zuge von Renovierungsarbeiten die sterblichen Überreste eines der Opfer von 1683 unter dem Altar hinter einer Glasplatte ausgestellt. Zusätzlich zeigen die zu dieser Zeit geschaffenen Wandmalereien im Kreuzgang des Klosters auch die Ermordung der Mönche im Jahr 1683, woran auch eine Inschrift an diesem Ort erinnert.
Die wechselvolle Geschichte des Klosters
Die wechselvolle Geschichte des Klosters
Die Gründung des Klosters in Katzelsdorf wurde durch die Auftritte des Wanderpredigers Johannes von Capistrano (Giovanni da Capistrano) (1386–1456) inspiriert, der 1451 nach Wien gekommen war. 1458 gab Kaiser Friedrich III die Zustimmung zum Bau eines Franziskanerklosters. Zwischen den Jahren 1573 und 1593 befand sich im Kloster eine protestantische Schule, danach waren die Baulichkeiten bis zur Auflösung des Klosters 1783/1785 wieder im Besitz des Franziskanerordens.
In den darauffolgenden Jahrzehnten fand darin zuerst eine Seidenfabrik ihren Platz, später ein Gasthaus sowie Wohnungen. 1856 kaufte Maria Theresia von Österreich-Este (1817–1886), die Gattin von Henri d’Artois (1820–1883), Graf von Chambord und letzter Vertreter der älteren Linie der Bourbonen, das Kloster und übergab es dem Orden der Redemptoristen. Diese richteten dort zuerst ein Noviziatshaus ein, seit 1887 beherbergten die Gebäude ein Juvenat, das 1933 in ein Gymnasium umgewandelt wurde. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte baute man die Schule stetig weiter aus und benannte sie im Jahr 2001 nach dem Redemptoristen-Prediger und Landespatron von Wien Klemens Maria Hofbauer (1751–1820). Mit 1. September 2011 wurde die Ordensgemeinschaft offiziell aufgelöst, die beiden verbliebenen Mönche gehören bereits anderen Klöstern an. (Klemensblätter 9./10. 2011: 2)
Überfälle auf das Kloster
Während das Kloster von den Streifzügen osmanischer Truppen im Zuge der Ersten Wiener Türkenbelagerung weitgehend verschont geblieben war, wurde es drei Jahre später doch noch überfallen. Im Zusammenhang mit der Belagerung der Festung Köszeg/Güns durch ein osmanisches Heer stießen Reitertruppen über die Steiermark auch nach Katzelsdorf vor. Die meisten Franziskaner hatten das Kloster bereits verlassen. Drei von ihnen, darunter der namentlich bekannte Antonius von Kirchberg, waren jedoch freiwillig zurückgeblieben, um die Besitztümer zu schützen. Sie wurden gefasst und getötet, das Kloster geplündert und in Brand gesteckt. (Herzog 1740)
Das nächste Mal kamen osmanische Truppen im Jahr 1683 während der Zweiten Wiener Türkenbelagerung nach Katzelsdorf. Auch diesmal blieben drei Franziskaner als Wache im Kloster und wieder wurden sie ermordet. Aus einer Chronik der Franziskaner der österreichischen Provinz, der wichtigsten Quelle zu den Ereignissen von 1532 und 1683, sind die Namen der Opfer bekannt. Es handelt sich dabei um den Pater Franz Platzer, den Kleriker Petronius Pfann und den Laienbruder und Koch Zachäus Werl. Auch die Orte des Auffindens ihrer Leichen sind angegeben. (Herzog 1740)
Knochen und ein Wandgemälde erinnern an 1683
Während des Zweiten Weltkrieges war ein Teil des Fliegerhorsts Wiener Neustadt in den Räumlichkeiten des Juvenats untergebracht, ab April 1945 auch russische Truppen. Danach wurden Renovierungen notwendig, die auch die Annakapelle umfassten. Im Zuge der Arbeiten fand man dort offenbar auch die Überreste der ermordeten Franziskaner. Schon bei den Umbauarbeiten nach Übernahme des Klosters im Jahr 1857 war man auf sie gestoßen und man vermutete schon damals, dass es sich dabei um die Märtyrer von 1532 und 1683 handeln musste. Grund dafür waren vor allem die Verletzungen an den Schädeln und das Blut auf den Kleidungsresten, aber auch die als beigelegte Reliquien gedeuteten Krüge und Messkännchen mit kleinen Knochen. Schon zuvor war davon erzählt worden, dass die hier untergebrachten Pferde jede Nacht unruhig wieherten und stampften. Nach dem Ende der Renovierungsarbeiten wurden die Gebeine wieder begraben. (Chronik des Redemptoristenkollegs)
Die heutige Form der Aufbahrung dürfte seit Ende der 1960er Jahre bestehen. Damals errichtete man unter dem Altar eine Grube mit einem Sichtfenster und legte Kleidungsreste, zwei Knochen sowie einen Schädel mit einer Verletzung am Hinterkopf hinein.
Im Zuge von Restaurierungsarbeiten im Kloster schuf Pater Josef Weilharter im Kreuzgang Wandmalereien (fertiggestellt ca. 1953), darunter auch eine Szene, welche die Ermordung der Mönche im Jahr 1683 wiedergibt. Die Darstellung befindet sich beim Eingang zur Annakapelle. Sie zeigt einen Teil des Innenhofes und des Kreuzganges, auf welchem einer der Brüder während des Fluchtversuchs von hinten von einem Pfeil getroffen wird. Im Vordergrund sieht man kniend einen weiteren Franziskaner – nach der Beschreibung in der Chronik der Franziskaner und wegen des umgeworfenen Kochtopfes zu seinen Füßen handelt es sich wohl um den Laienbruder Werl. Er ist von drei Soldaten umgeben, die sich mit Streitbeil und Messer auf ihn stürzen. Begleitet wird die Szene von einem Zitat aus dem Johannesevangelium am unteren Rand der Abbildung, mit welchem die Märtyrerrolle der getöteten Franziskaner unterstrichen wird:
Wer seine Seele haßt in diesem Leben, bewahrt sie zum ewigen Leben. [Joh. 12, 25]
An derselben Wand im Kreuzgang befindet sich eine weitere Erinnerung an 1683. Eine Wandbemalung zeigt ein achtspitziges Kreuz in einem Kreis, beides in den Farben rot und weiß gehalten. Links davon sind Krummsäbel und Messer skizziert, rechts Bogen, Pfeile und ein Beil. Darüber und darunter ist folgender teilweise bereits verwitterte Text zu lesen:
Durch Türkenhand starben am 14.VII.1683 die Franziskaner: hier Fr. Zachäus Werl; an der Pforte P. Franz Platzer; im Klostergarten Fr. cler. Petronius Pfann.
Provinzarchivar Ferdinand Zahlner nimmt an, dass auch diese Arbeit von Josef Weilharter stammt.
Die Katzelsdorfer Kapistrankanzel
Im Gebäudekomplex des ehemaligen Franziskanerklosters ist immer noch ein „Türke“ zu finden. Zu sehen ist er in der Radegundiskirche, die im Jahr 1784 zur Pfarrkirche von Katzelsdorf wurde und daher institutionell auch nicht zum späteren Redemptoristenkloster gehört, obwohl sie direkt daran angrenzt. Die frühere Klosterkirche der Franziskaner wurde 1462 fertiggestellt und erhielt im 18. Jahrhundert eine barocke Ausstattung. Dazu gehört nicht nur eine Statue des hl. Johannes von Capistrano rechts vom Hochaltar. Der umstrittene Prediger gegen „Ketzer, Juden, Türken“ und Inspirator für die Ordensniederlassung in Katzelsdorf ist auch auf der 1756 vom Offizier der Kadettenkompanie in Wiener Neustadt Gottfried Hein gestifteten Kanzel zu sehen. (Pfarramt Katzelsdorf)
Seine Darstellung auf dem Kanzelkorb ähnelt jener auf der 1738 errichteten Kapistrankanzel an der Außenseite des Wiener Stephansdoms. Er steht dabei, in der rechten Hand die Kreuzzugsfahne, auf einem Türken. Die Figur des besiegten Feindes besitzt dabei eindeutig barbarische Züge – er ist praktisch nackt, sein Bart und seine Frisur weisen ihn als eine exotische Gestalt aus, als einen Barbaren und Primitiven. Dies ist auch insofern bemerkenswert, da auch Placidus Herzog, der Verfasser der schon erwähnten Chronik der Franziskaner, darin den osmanischen Gegner konsequent als Barbaren bezeichnete. Herzog war jedoch nicht nur Chronist, er hat auch am Programm und an der Umsetzung der Kapistrankanzel beim Stephansdom mitgewirkt. Die Figur des Barbaren – im Gegensatz etwa zu jener des gefährlichen Kriegers – findet sich bei ihm also übereinstimmend in schriftlicher und bildlicher Darstellung.
Die Figur an sich wird nur durch den Halbmond, den er in der rechten Hand hält, als „Türke“ erkennbar. Doch ebenso verweist der goldene Hintergrund der Capistrano-Darstellung auf den osmanischen Kontext, indem darin Kriegsfahnen und Kanonen zu erkennen sind.
Die Belagerung Wiens in Katzelsdorf
Um noch weitere Osmanen zu sehen, muss man sich nicht allzu weit vom ehemaligen Franziskaner- und Redemptoristenkloster entfernen. Denn in der Zinnfigurenwelt in Katzelsdorf trifft man auf sie in großer Zahl. Besonders ein 16 m² großes Diorama sticht dabei hervor. Es zeigt die Belagerung Wiens im Jahr 1683 mit einem Labyrinth aus Gräben, das sich zwischen den zerstörten Vorstädten und den Festungsmauern der Stadt ausbreitet. Die Leihgabe wurde ursprünglich von ein Wiener Apotheker geschaffen (Wiener Zeitung 10.3.2010: 7), später war sie im Zinnfigurenmuseum in Pottenbrunn zu sehen, ehe das Museum geschlossen wurde. In dieser Darstellung stehen einander die beiden Armeen als ebenbürtige Gegner gegenüber.
Dies ist nicht überall der Fall. Die Figurengruppe „Der Pascha“ bedient beispielsweise mit halbnackten, einem dicken Pascha frei verfügbaren Sklavinnen alte Klischees.
Literatur
Literatur
Chronik des Redemptoristenkollegs. (in Auszügen zur Verfügung gestellt von Pater Ferdinand Zahlner)
Herzog, Placidus (1740): Cosmographia Austriaco-Franciscana, seu exacta descriptio Provinciae Austriae… Köln.
Klemensblätter (9./10. 2011): Voith, Lorenz: Zum Geleite. 2f.
Pfarramt Katzelsdorf (Hg): Die Pfarrkirche St. Radegund in Katzelsdorf. [Faltprospekt]
Wiener Zeitung (10.3.2010): Werfring, Johann: Die Welt von Gestern als reizvolle Miniatur. 7.