Text: Silvia Dallinger
Als Schauplatz der Entsatzschlacht von 1683 und angeblicher Ort der Messfeier Marco d’Avianos kam dem Kahlenberg bei den zahlreichen Gedenkfeiern ein zentraler Stellenwert bei. Im Jubiläumsjahr 1883 wurde eine von der Stadt Wien gestiftete Gedenktafel über dem Eingang der St. Josefskirche angebracht, die den Heerführern von 1683 gewidmet ist. Beim 250-jährigen Jubiläum wurde eine Gedenkfeier der Polen am Kahlenberg abgehalten, sowie eine Präludiumfeier anlässlich der bevorstehenden Enthüllung des Marco d’Aviano-Denkmals vor der Kapuzinerkirche. 100 Jahre später, als Papst Johannes Paul II. dem Kahlenberg im Rahmen des ‚Österreichischen Katholikentages’ 1983 einen Besuch abstattete, wurden zwei weitere Gedenktafeln an der St. Josefskirche enthüllt: eine zu Ehren des Polenkönigs Jan Sobieski und eine zur Erinnerung an den Papstbesuch. Für polnische TouristInnen ist der Kahlenberg bis heute ein wichtiger Gedächtnisort.
200-jähriges Jubiläum 1883
Am 11. September 1883 wurde anlässlich des 200-jährigen Jubiläums der Zweiten Wiener Türkenbelagerung eine Gedenkfeier am Kahlenberg abgehalten. Am Morgen dieses Tages las Prälat Leopold Stöger (wie bereits in vielen Jahren davor immer am 12. September) mit Assistenz des Pfarrers Bancalari und des Schotten-Professors Emerich Gabely die Messe; der Wiener Männergesangsverein trat auf. Da die kleine St. Josefskirche aber nur 200 Personen aufnahm, stellte man ein Zelt vor der Kirche auf, in dem rund 800 Gäste Platz fanden. Nach dem Gottesdienst hielt Bürgermeister Eduard Uhl eine Gedächtnisrede, in der die historische Bedeutung des Entsatzes von 1683 hervorhob. Darauf folgte die Kaiserhymne, und eine Ehrensalve leitete den Höhepunkt der Festlichkeit – die Enthüllung einer von der Stadt Wien gestifteten Gedenktafel über dem Hauptportal der St. Josefskirche – ein. Sie nennt die wichtigsten Heerführer von 1683. Der Polenkönig Jan III. Sobieski wird zwar als erster Feldherr genannt, jedoch nicht in seiner Funktion als Oberbefehlshaber des Entsatzheeres. Zudem werden die Polen auf der Tafel nur als „Hilfsvölker“ bezeichnet, was von polnischer Seite kritisiert wurde.
Neben dem polnischen König Jan Sobieski ist der Kahlenberg mit einer weiteren Person symbolisch eng verbunden: dem Kapuzinermönch Marco d’Aviano, der unmittelbar vor der Entsatzschlacht am Morgen des 12. September 1683 eine Messe am Kahlenberg zelebriert haben soll. 1883 wurde Aviano aber weder auf der Kahlenberger Gedenktafel noch in den Reden und Predigten im Stephansdom erwähnt (siehe “Marco d’Aviano-Feiern 1883″). In vereinzelten Schriften wie z.B. im anlässlich des Jubiläums verfassten Hirtenschreiben des Wiener Fürsterzbischofs Kardinal Cölestin Joseph Ganglbauer wird jedoch schon auf Aviano und den Kahlenberg Bezug genommen:
Frägt man freudig erfüllten Herzens, wem dieser Erfolg zu danken sei, so weist uns die Geschichte zunächst hin auf jene Heldenfürsten, die ihre tapferen begeisterten Schaaren zu diesem glänzenden Sieg führten [...]. Sie weist uns auf das vermittelnde Organ zwischen Papst und Kaiser, auf einen armen schlichten Mönch, den frommen heiligmäßigen Kapuziner Marco d’Aviano, der durch den Kaiser vom Papst erbeten, ins Lager der vereinigten christlichen Heere eilt, als einigendes Element die national verschiedene Armee im Namen des Heiligen Vaters zur Einigkeit und Eintracht mahnt, und in beredten, hinreißenden Worten für ihre hohe Aufgabe, die Rettung der Christenheit von deren gefährlichsten Feind sie begeistert; der am frühen Morgen des Tages der Schlacht auf dem Kahlenberge das heilige Meßopfer feiert und um Sieg zum Himmel fleht, nach der Messe den Führern das heilige Abendmahl reicht, die Armee segnet und dann das Kreuz in der Hand mit in die Schlacht zieht, den ganzen Tag an den gefährlichsten Punkten im heißesten Kampfe ihnen Mut zuspricht, zur Ausdauer sie mahnt, im Namen Gottes sie hinweist auf den nahen glänzenden Sieg. (Ganglbauer, zit. nach: Hamminger 1986: 30)
Das Hirtenschreiben des Wiener Fürsterzbischofs zeigt, dass die Kirche im Jahr 1883 zwar auch Erinnerungszeichen setzte, aber noch nicht als denkmalsetzende Instanz agierte. Die Stiftung von Denkmälern im öffentlichen Raum war den profanen Mächten vorbehalten. Die Kirche pflegte das Türkengedächtnis durch Wort, Bild und Zeremonie. Davon zeugen Hirtenschreiben, Muttergottesbildnisse, Predigten und Messen.
Bis zum 250-jährigen Jubiläum wurde das Gedächtnis an 1683 am Kahlenberg vor allem durch Messfeiern zum Fest ‚Mariä Namen’ erhalten. Weitere Denkmalprojekte wurden mit Ausnahme einer Tafel (1907) nicht verwirklicht: „Die Enthüllung der Gedenktafel durch Bürgermeister Eduard Uhl an der Kirchenvorderfront am 11. September 1883 dürfte eine Eintagsfliege gewesen sein“ (Hamminger 1986: 151).
250-jähriges Jubiläum 1933
Anlässlich des 250-jährigen Jubiläums wurde am 12. September 1933 im Rahmen der staatlichen Türkenbefreiungsfeier des ‚Allgemeinen Deutschen Katholikentages’ eine Gedenkfeier der Polen vor der St. Josefskirche am Kahlenberg abgehalten, in der v.a. König Jan III. Sobieski geehrt wurde. Am 2. Juni 1935 stand Marco d’Aviano im Mittelpunkt der so genannten ‚Präludiumfeier’ am Kahlenberg, also einer Vorfeier für die Enthüllung des Aviano-Denkmals am 9. Juni 1935.
300-jähriges Jubiläum 1983
Wie bereits beim 250-jährigen Jubiläum 1933 war auch die Jubiläumsfeier 1983 mit dem ‚Österreichischen Katholikentag’ verbunden. Zu diesem Anlass besuchte Papst Johannes Paul II. am 13. September die St. Josefskirche am Kahlenberg (siehe “Papstbesuch am Kahlenberg”). Zur Erinnerung an dieses Ereignis wurde eine Gedenktafel an der Außenfassade der Kirche angebracht. Eine weitere wurde zu Ehren Jan Sobieskis von polnischen Resurrektionistenpatres am Kahlenberg gestiftet (siehe “Sobieski-Gedenktafel”).
Gedenken der Schlacht am Kahlenberg bis heute
Bis heute wird in der St. Josefskirche am Kahlenberg jedes Jahr am 12. September ein ‚Te Deum laudamus’ (‚Großer Gott wir loben dich’) unter der Leitung polnischer Bischöfe gesungen. Dies dient der Erinnerung an Sobieski, der nach der siegreichen Schlacht ein Dank-Tedeum in der Augustinerkirche gesungen haben soll (siehe “Sobieski-Gedenktafel”). Laut dem derzeitigen Kirchenrektor Smolinski nehmen jährlich Tausende an dieser Feier teil. Weiters pilgern jedes Jahr rund eine Million Touristen und Touristinnen aus Polen und anderen Ländern zur St. Josefskirche am Kahlenberg. Der Kirchenrektor veranschaulicht die Bedeutung der Kirche mit folgenden Worten:
Die Kirche auf dem Kahlenberg ist ein Denkmal und ein Symbol des Sieges für zumindest drei Völker, die unter gemeinsamer Bemühung, unter Aufopferung des Lebens und unter hohem Blutzoll das christliche Europa und dessen Kultur gegen die islamische Übermacht verteidigten – für Österreich, Deutschland und Polen. (Smolinski 1998: 26f.)
Literatur
Literatur
Chelmecki, Johann (1883): König Johann Sobieski und die Befreiung Wiens.
Eine kritische Abhandlung anlässlich der zweiten Säcularfeier des am 12. September 1683 erfolgten Entsatzes von Wien. Wien.
Hamminger, Josef Dominicus/ Wiener Katholische Akademie (Hg.) (1986): Leopoldi Capelln am Kallenberg oder St. Josephskirche der PP Kamaldulenser auf dem Josephsberg (Sobieskikapelle in der St. Josephskirche)? Wo hat Pater Marco d’Aviano vor der Entscheidungsschlacht am 12. September 1683 die heilige Messe gefeiert? Wien.
Smolinski, Jerzy (1998): Kahlenberg. Kirche St. Josef. Lublin.
Truxa, Hans Maria (1891): Die Kirche mit der Gedenktafel auf dem Kahlenberge bei Wien. In: Erinnerungs-Denkmäler der Befreiung Wiens aus der Türkennoth des Jahres 1683. Wien, 17–25.
Uhl, Eduard (1883): Ansprache des Bürgermeisters Eduard Uhl anläßlich der feierlichen Enthüllung der Gedenktafel auf dem Kahlenberg am 11. September 1883. Wien.
Webpage des Vatikan: Pastoralbesuch in Österreich. Ansprache von Johannes Paul II. beim Gedenken an die Schlacht auf dem Kahlenberg. Wien – Dienstag, 13. September 1983, 18.08.2009.
Wiener Abendpost (11.09.1883): Säcularfeier der Stadt Wien, 1–3, 18.08.2009.