Als Julie am 26. August 1831 als Julia Gräfin Hunyady de Kéthely in Wien das Licht der Welt erblickte, stand ihr Vater im Dienste eines von Gottes Gnaden herrschenden Kaisers Franz I. Als sie 1919 starb, hatte sie die Revolution von 1848, den Österreichisch-Ungarischen Ausgleich von 1867 und den Ersten Weltkrieg miterlebt. Bei ihrer Verlassenschaftsabhandlung traten die nach dem Kriegsende aufgeworfenen Fragen von Staatszugehörigkeit und Grenzverschiebungen wie in einem Prisma zutage: Julie hatte in Brüssel, im oberungarischen Iwanka und in Wien gelebt, war in Wien verstorben, aber in Iwanka eingebürgert. Die neuen Grenzen machten sie zur Tschechoslowakin. Ihre Biographie zeigt die Dimensionen jener historischen Verwerfungen auf, die den Labor-Charakter des „Vielvölkerstaats“ mit seinem Neben- und Gegeneinander von Sprachen, Ethnien, Religionen und historisch gewachsenen Räumen ausmachten.
Julie verbrachte ihre Jugend in Wien und Ungarn. Als Tochter einer ungarischen Magnatenfamilie – der Vater, Ferencz Graf Hunyady de Kéthely, war kaiserlich-königlicher Kämmerer – stand ihr ein privilegiertes Leben bevor. Der ungarische Adel verstand sich als „Natio Hungarica“, als Träger des ungarischen Nationalismus. Julies Brüder begannen ihre Karrieren entweder in der kaiserlichen Verwaltung oder im Militär und engagierten sich in unterschiedlichen national-liberalen Bewegungen, die unter anderem die Selbstbestimmung Ungarns forderten. 1848 schlossen sie sich der Revolution an. Spitzelberichte weisen ihnen eine eindeutige Parteinahme zu. Eine der nebenstehenden Abbildungen zeigt Julie mit ihrem Halbonkel Aladár Graf Zichy in ungarischer Tracht. Julie trat erstmals 1853 öffentlich in Erscheinung, als sie in Anwesenheit des russischen Botschafters den serbischen Fürsten Mihailo Obrenović heiratete. Dieser war der Sohn des im Wiener Exil lebenden Fürsten Miloš von Serbien, der gegen die osmanische Oberhoheit gekämpft hatte, aber 1842 von der Familie Karađorđević abgelöst worden war. Julie und Mihailo lebten zurückgezogen auf dem gemeinsam erworbenen Gut Iwanka (Ivánka) in der Nähe von Pressburg (Bratislava). Dies änderte sich schlagartig, als 1859 die serbische Volksversammlung Aleksandar Karađorđević wegen seiner zu österreichfreundlichen Haltung zur Abdankung zwang und Mihailos Vater Miloš zurückholte.
Im Juli 1859 wurde Julie in Serbien feierlich als Prinzessin empfangen. In einem traditionellen serbischen Kostüm absolvierte sie Kirchenbesuche und Empfänge. Da ihre Schwiegermutter bereits verstorben war, musste sie zunächst als Prinzgemahlin und nach dem Tod ihres Schwiegervaters 1860 als Fürstin die Rolle der ersten Frau im Staat einnehmen. Serbien war zur damaligen Zeit ein autonomes Fürstentum unter osmanischer Oberhoheit und noch kein unabhängiger Staat. Die Erwartungshaltung an Julie war groß. Sie sollte als Landesmutter in einem tributpflichtigen Fürstentum fungieren, das sich im Kampf gegen die osmanische Herrschaft national und religiös abzugrenzen suchte. Julie wurde dieser Rolle kaum gerecht. Sie hatte ihre katholische Konfession nie aufgegeben und verweigerte den Übertritt zur Orthodoxie konsequent, was sowohl von Serbien als auch dessen Schutzmacht Russland immer wieder als Unabdingbarkeit eingefordert wurde. Sie heizte diesen Konflikt selbst an, indem sie sich mithilfe des österreichischen Generalkonsulats im Fürstenpalast eine katholische Hauskapelle einrichten ließ. Ihr Mann musste sich vorwerfen lassen, es fehle ihm die Reinheit des orthodoxen Bekenntnisses als Voraussetzung für nationale Identität. Julies soziales Engagement für christliche Flüchtlinge aus dem osmanischen Bulgarien, die 1861 nach Serbien drängten, wurde ihr vorgehalten, da die Bevölkerung die bulgarischen Migranten sehr bald als Eindringlinge und Bedrohung ansah. Ein weiteres Konfliktfeld war Julies Kinderlosigkeit. Die Ehe mit Mihailo scheint zwar glücklich gewesen zu sein, der Druck, einen männlichen Erben auf die Welt zu bringen, war jedoch groß und untergrub ihre Position in Serbien und in der Familie. Wie sie mit diesen Problemen umging, ist über Gesandtschaftsberichte erforschbar, persönliche Aufzeichnungen haben sich nicht erhalten. Julie zog sich immer wieder aus der serbischen Öffentlichkeit zurück, unterstützte jedoch den Machtanspruch ihres Mannes mit Vehemenz.
So war es auch nicht verwunderlich, dass Mihailo seine Gattin 1863 als „Botschafterin“ nach London schickte. Obrenović wollte die serbische Unabhängigkeit im europäischen Diskurs vermehrt wahrgenommen wissen, wofür London der beste Schauplatz war. Offiziell ging Julie auf Kur, denn eine akkreditierte diplomatische Mission gab es nicht. Diese hätte nur über den osmanischen Botschafter in London herbeigeführt werden können, was Julie aber konsequent ablehnte. Zusammen mit dem Senator Filip Hristić reiste sie nach London und verkehrte dort in Diplomatenkreisen. Sie traf sich mit der Gattin des österreichischen Botschafters, frequentierte Salons und Zirkel und wurde beim britischen Außenminister John Russell vorstellig. Eine Audienz bei Königin Viktoria wurde ihr verwehrt. Hristić veröffentlichte in der Zwischenzeit politische Zeitungsartikel. Julie suchte auch den Kontakt zum britischen Premierminister Lord Palmerston und zum Ex-Außenminister George Villiers, Earl of Clarendon, und wohnte in der Galerie des Unterhauses politischen Debatten bei. In britischen Oppositionskreisen fand sie Sympathisanten, die Palmerstons pro-osmanische Linie kritisierten. Julies London-Reise sorgte für Aufsehen und innerbritische Verstimmung. In Serbien ließ sich ihre stolze Haltung dem osmanischen Botschafter in London gegenüber innenpolitisch gut verwenden. Dass sie diese Reise allein und als Frau überhaupt umsetzte, war für die Diplomatie des 19. Jahrhunderts ungewöhnlich, erkennbar auch an den zahlreichen herabwürdigenden Kommentaren in überlieferten Gesandtschaftsberichten.
Trotz dieses sehr aktiven Eintretens für Serbien wurde nach ihrer Rückkehr neuerlich Kritik an ihrer Kinderlosigkeit laut und auch Mihailo wünschte sich noch einen leiblichen Erben. Julie zog sich daher aus der Öffentlichkeit zurück und ging auf Reisen, wodurch sie 1864 in Venedig ihren späteren zweiten Ehemann Karl Prinz von Arenberg kennenlernte. 1865 ließen Julie und Mihailo sich nach orthodoxem Recht scheiden. Sie erhielt eine finanzielle Abfindung und das Gut Iwanka. Die orthodoxe Scheidung verunmöglichte eine neuerliche Eheschließung, da sie nach katholischem Eherecht nach wie vor mit Mihailo verheiratet war. Erst das Attentat auf diesen 1868 machte Julie zur Witwe. Allein die Tatsache, dass sie nach dem Tod Mihailos noch einmal acht Jahre zuwartete, bis sie Karl von Arenberg 1876 – beide waren inzwischen bereits 45 Jahre alt – ehelichte, spricht dafür, dass ihr ein katholisch untadeliges Verhalten persönlich wichtig war.
Karl von Arenberg war der Sohn von Prosper Ludwig Herzog von Arenberg, des Oberhaupts einer ursprünglich reichsständischen, mediatisierten Hochadelsfamilie mit ausgedehnten Besitzungen in Belgien und Deutschland. Die Heirat mit Karl war die Entscheidung einer reifen Frau aus Liebe, die materiell vollkommen abgesichert war, ein Vorrecht des Witwenstands. Das Paar vereinbarte Gütertrennung und lebte fortan zurückgezogen abwechselnd in Belgien und Ungarn bzw. in Wien. Nach Karls Tod zog sich Julie ganz nach Wien und Iwanka zurück. Sie widmete sich der Güterverwaltung und gründete in Iwanka ein Majorat, das sie bereits zu Lebzeiten an ihren Neffen Károly Graf Hunyady übergab. In Wien trat sie gesellschaftlich kaum in Erscheinung, verkehrte aber in Künstlerkreisen. Der Hofburgschauspieler Georg Reimers zählte zu ihren engsten Freunden. Sie verstarb am 19. Februar 1919 in Wien an einer Lungenentzündung. Obwohl die Überführung ihres Leichnams in die Familiengruft Arenberg im wallonischen Enghien (Edingen) vorgesehen war, ruht sie bis heute in einem provisorischen Grab auf dem Wiener Zentralfriedhof. Zeit ihres Lebens war sie mit nationalen Zuschreibungen und Ansprüchen konfrontiert, dies blieb ihr auch posthum bei der Verlassenschaftsabhandlung nicht erspart, wiewohl es keinerlei Quellenhinweise gibt, die ihr selbst Nationalismus attestieren könnten. Die jeweilige politische Rolle sah für sie wechselnde nationale Kostüme vor, die den Körper von Julie politisierten. Was dies mit ihrer Persönlichkeit jedoch wirklich zu tun hatte, bleibt offen.
Literatur: Humorist und Wiener Punch, 2. 8. 1853; Neue Freie Presse, 22. 8., 18. 10. 1865; I. Nagy, Magyarország családai czimerekkel és nemzékrendi táblákkal 5, 1859, S. 195, 198; V. Hyden-Hanscho, in: Das Haus Arenberg und die Habsburgermonarchie. Eine transterritoriale Adelsfamilie zwischen Fürstendienst und Eigenständigkeit (16.–20. Jahrhundert), ed. W. D. Godsey – V. Hyden-Hanscho, 2019, S. 413ff.; Magyarország vármegyéi és városai (online, Zugriff 13. 7. 2021); Allgemeines Verwaltungsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Pfarre Unsere Liebe Frau zu den Schotten, Wienbibliothek im Rathaus, Wiener Stadt- und Landesarchiv, alle Wien; Algemeen Rijksarchief / Archives générales du Royaume, Brussel/Bruxelles, Arenbergarchief / Archives d’Arenberg, Edingen/Enghien, beide Belgien.
Für das kostenfrei überlassene Bildmaterial danken wir dem Arenbergarchief (Edingen), dem Bildarchiv Austria der Österreichischen Nationalbibliothek sowie dem Narodni muzej (Beograd).