Emanuel von Hibler – Bedeutender Bakteriologe und Opfer seines Berufs

Im Dezember 1865, vor 150 Jahren, wurde Emanuel von Hibler geboren, dessen Name in der medizinhistorischen Literatur und in der Benennung einer Straße in seiner Heimatstadt Lienz (Tirol) überliefert ist. Diese befindet sich bezeichnenderweise in der Nähe des Allgemeinen öffentlichen Bezirkskrankenhauses im nördlichen Teil der Stadt. Emanuel von Hibler entstammt einer alten Lienzer Familie, die gegen Ende des 16. Jahrhunderts in Tirol auftaucht.

Die Familie (von) Hibler in Lienz

Um 1580 sind die Brüder Hans und Sebastian Hibler mit ihrer Schwester Anna aus Farchant bei Partenkirchen im Werdenfelser Land nach Tirol eingewandert. Sie waren Kinder des Müllermeisters Sebastian Hibler, der um 1597 gestorben ist. Während Hans als Müller bei der Mühle des Lienzer Bürgerspitals wirkte, fungierte Sebastian als Fischer im Dienst der Freiherrn von Wolkenstein und Rodenegg, Inhaber der Herrschaft Lienz. Ihre Schwester Anna heiratete den Lienzer Bürger und Kürschner Thoman Hättinger (Höttinger).

Die Hibler, durch Generationen in das Lienzer Stadtgeschehen voll integriert, erlebten einen wirtschaftlichen Aufstieg und übten verschiedene gewichtige Funktionen aus. Ab den 1730er-Jahren wirkten die Hibler als Postmeister der Thurn und Taxis’schen Post beim Gasthaus zum Schwarzen Adler (heute Adlerstüberl, Andrä Kranz-Gasse Nr. 7). Ein Zweig der Familie ließ sich in der Marktgemeinde Sillian nieder.
Noch vor 1686 erwarb Hans Hibler den alten Ansitz der Familie Plumpf von Lebmannsport in der Lienzer Rosengasse (Rosengasse Nr. 7). Ein Nachkomme war Franz Michael Hibler, der im Rahmen der Verwaltung der Herrschaft Lienz das wichtige Amt des Rentmeisters innehatte. Das Rentamt hatte sich mit den wirtschaftlichen Verhältnissen zu befassen und war damit auch für die Urbarverwaltung, die Kontrolle der zahlreichen der Herrschaft zustehenden Einnahmen zuständig. Im Jahr 1653 war die Verwaltung der Herrschaft Lienz dem königlichen Damenstift in Hall im Inntal übertragen worden. Als es unter Kaiser Joseph II. im Juni/Juli 1783 aufgehoben wurde, versteigerte man einen Großteil der Liegenschaften. Den sogenannten Unteren Schlossmair-Hof konnte Franz Michael Hibler 1789 erwerben. Er wurde unter ihm umgebaut, wobei er nun ein herrschaftliches Aussehen erhielt.

In den politisch turbulenten Jahren der Napoleonischen Ära wurde auch Tirol in das unmittelbare Kriegsgeschehen einbezogen. Mit dem Friedensvertrag von Pressburg im Dezember 1805 am Ende des Dritten Koalitionskrieges musste Österreich die Grafschaft Tirol an Bayern antreten, das Anfang Jänner 1806 in den Rang eines Königtums aufstieg. Franz Michael Hibler, sehr begütert und auf sein Ansehen bedacht, suchte nun in München um Erhebung in den Adelsstand an, der ihm auch gewährt wurde. Das Adelsdiplom wurde Mitte September 1808 ausgestellt. Das Adelsprädikat „zu Lebmannsport“ nahm auf sein Vaterhaus, den alten Lienzer Ansitz „Lebmannsport“ Bezug, dessen Portal seitlich von zwei renaissancehaft gemalten aufsteigenden Löwen geziert wurde. Auch nach der Erwerbung des Unteren Schlossmair-Hofs wurde der Ansitz in der Rosengasse behalten und als Wohnhaus für die weitverzweigte Familie benötigt.

Jugend und Ausbildung von Emanuel von Hibler

Franz Michael von Hibler (1741-1814) hatte fünf Kinder. Nach ihm fungierte Dismas (I.) Josef (1793-1851) als Oberhaupt der Familie. Auf ihn folgte Dismas (II.) (1819-1890). Sein siebentes von 16 Kindern wurde auf den Namen Eduard (1827-1903) getauft. Dieser vermählte sich im Jänner 1862 mit Sophie Mutschlechner (1838-1924) aus Meiningen in Vorarlberg. Emanuel war das dritte von sechs Kindern und der einzige Knabe. Emma (1862-1886) und Luise (1867-1950) blieben ledig, Sophie (1863-1924) heiratete den Fabrikant Oswald Waitz in Brixen, Maria (geb. 1864) Renzo Janna in San Donà di Piave unweit von Venedig und Lotte (1873-1958) den Doktor der Medizin und Innsbrucker Universitäts-Professor Gustav Adolf Pommer. Emanuel Stephan Leo kam am 25. Dezember 1865 im Haus Rosengasse Nr. 7 in Lienz zur Welt. Getauft wurde das Kind von Josef Tegischer, Kooperator an der Lienzer Stadtpfarre St. Andrä und als Taufpate erscheint Leo Hibler, ein Onkel des Täuflings.
Nach der ersten Schulausbildung in Lienz besuchte Hibler die geistlichen Gymnasien in Brixen und Hall, wobei er sich besonders in die Literatur, vor allem in die Werke von Johann Wolfgang von Goethe vertiefte, die ausschlaggebend für die Ausrichtung seines Geisteslebens wurden. Bezeichnend ist zudem, dass er sich parallel zu seinen naturwissenschaftlichen und medizinischen Studien mit Philosophie befasste, wobei er sich besonders von Arthur Schopenhauer angezogen fühlte, was auch – wie in einem Nachruf vermutet wird – auf sein reiches Geistesleben in späteren Jahren Einfluss genommen haben dürfte, da er sich neben seiner intensiven und produktiven medizinisch-wissenschaftlichen Tätigkeit immer wieder mit Geschichte, Kunst, Literatur und Philosophie auseinandersetzte.

Emanuel von Hibler hatte das Medizinstudium noch nicht abgeschlossen, als er am Pathologischen Institut bei Pommer als Assistent angestellt wurde. Die Promotion zum Doktor der Medizin erfolgte 1892, die Habilitierung zum Privatdozenten 1899.

Die wissenschaftliche Arbeit

Eine Gedenkschrift charakterisiert am besten seine wissenschaftliche Tätigkeit, der eine geradezu überzeitliche Bedeutung zugestanden wird:

„Für alle Zeiten und in den fernsten Stätten wissenschaftlicher Forschung bleibt innerhalb der Grundfesten der Bakteriologie und Pathologie dem Namen Emanuels v. Hibler ein hervorragender Ehrenplatz gewahrt und gesichert durch die Errungenschaften seiner Arbeiten, die ihn unter die Klassiker seines Faches erheben.“

Der Schwerpunkt von Hiblers Forschungen galt der Erforschung der pathogenen Anaeroben, besonders gefährlicher Bakterien, nämlich Krankheitserreger, die ohne Sauerstoff leben können. Die hochwissenschaftliche Arbeit „Untersuchungen über die pathogenen Anaeroben“ mit einem Umfang von 440 Druckseiten und zahlreichen Abbildungstafeln erschien in Jena im Jahr 1908. Der Studie, die sich mit großer Gründlichkeit mit den Erregern von Tetanus, Rauschbrand, des malignen Ödems und den verschiedenen Formen des Gasbrandes befasst, wurde in Fachkreisen ein geradezu sensationeller Wert zuerkannt.

„Aber auch alle seine übrigen Arbeiten, die sich mit den verschiedensten anderen Problemen der Infektionskrankheiten beschäftigen, so mit solchen, die die Eiterungserreger der Cerebrospinalmeningitis und der Gonorrhoe, der Influenza, die pyämische Soorinfektion, den multilocularen Echinococcus des Gehirns und die durch Anaerobeninfektion vom Mittelohr aus entstandene Abszeßbildung im Kleinhirn betreffen, sie alle tragen das Gepräge jenes tiefen Dranges nach Erkenntnis, der den Fragen nicht ausweicht, sondern mit allen Mitteln ihrer Lösung zustrebt und damit Leistungen von unvergänglicher, grundlegender, kurz gesagt, von klassischer Bedeutung schafft. In diesen seinen Forschungsarbeiten suchte und fand Emanuel von Hibler seine Befriedigung.“

Hiblers letzte wissenschaftliche Publikationen, bereits für den Druck vorbereitet, erschienen erst nach seinem Tod.

Emanuel von Hibler – ein Opfer seines Berufs

Aufgrund seiner wissenschaftlichen Verdienste wurde Emanuel von Hibler im Jahr 1909 zum außerordentlichen Professor für pathologische Anatomie mit dem Lehrauftrag für Infektionskrankheiten ernannt. Erst knapp vor seinem Tod wurde ihm die Leitung einer am Pathologischen Institut errichteten bakteriologischen Untersuchungsstelle übertragen. Sein wissenschaftlicher Eifer soll ihn dazu getrieben haben, nach der eigentlichen Arbeit im Institut noch bis tief in die Nacht hinein in seinem Laboratorium Untersuchungen durchzuführen. Es fühlte sich mit der Innsbrucker Universität so eng verbunden, dass er eine ihm angetragene sehr gut bezahlte Stelle als Prosektor an einem auswärtigen großen Krankenhaus ausschlug.

Das Ende des Wissenschaftlers kam plötzlich und unvermutet. In Ausübung seines Berufes zog er sich im Juni 1911 im Rahmen einer Demonstration vor Studenten bei der Sektion einer Leiche eine Streptokokkeninfektion zu. Trotz sofort eingeleiteter Rettungsmaßnahmen seiner Kollegen war die Leicheninfektion nicht in den Griff zu bekommen. Der Krankheitsprozess konnte nicht aufgehalten werden und binnen weniger Tage verfiel sein an sich kräftiger Körper zusehends. Hibler verstarb in den frühen Morgenstunden des 23. Juni 1911.

Nach der feierlichen Verabschiedung des Leichnams in Innsbruck erfolgte die Überführung in seine Heimatstadt Lienz, wo am 26. Juni die Beisetzung im Familiengrab erfolgte.

Nach zwei Jahren wurde sowohl im Hörsaal des pathologisch-anatomischen Instituts der Universität als auch an seinem Geburtshaus in Lienz, Rosengasse Nr. 7, eine Gedenktafel aus Bronze mit seinem Bildnis angebracht. In dieser Stadt sollte sie – nach einem Zeitungsbericht – „dauernd das Gedächtnis an einen der hervorragendsten und besten ihrer Söhne aufrechterhalten, der ihr allzeit zu Stolz und Ehre gereicht …“.


Weitere Werke (Auswahl): Mittheilungen über zwei Tetanusfälle, Sonder-Abdruck des Berichtes über die Wander-Versammlung des Vereines der Ärzte Deutsch-Tirols in Imst den 22. Juli 1893 aus der ö. ärztl. Vereinszeitung 1893, Nr. 16; Über die Differentialdiagnose der pathogenen Anaerobien, in: Verhandlungen der Deutschen Pathologischen Gesellschaft auf der neunten Tagung …, 1905; Bakteriologischer Bericht über drei Fälle von Zerebrospinalmeningitis, in: Wiener klinische Wochenschrift 20, 1907; Untersuchungen über die pathogenen Anaeroben, über die anatomischen und histologischen Veränderungen bei den durch sie bedingten Infektionserkrankungen des Menschen sowie der Tiere und über einige nichtpathogene Anaerobenarten, 1908; Zur Kenntnis der anaeroben Spaltpilze und deren Differentialdiagnose …, in: Berichte des Naturwissenschaftlich-medizinischen Vereines in Innsbruck 32, 1909; Ein primärer mehrherdiger Echinococcus multilocularis (alveolaris) des Gehirns, in: Wiener klinische Wochenschrift, 23, 1910; Rauschbrand, in: Handbuch der pathogenen Mikroorganismen 4, 2. vermehrte Auflage, 1912; zahlreiche Beiträge in Centralblatt für Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten.


Literatur (Auswahl): Lienzer Zeitung, 1. 7. 1911, 14. 10. 1913 (mit Bild); Innsbrucker Nachrichten, 23., 24. 6. (Parte), 7. 7., 28. 10. 1911; Tiroler Tageszeitung, 21. 8. 1992; Josef Oberforcher, Skizze zur Geschichte der Stadt Lienz, in: Osttiroler Heimatblätter 20, 1952, Nr. 6-7, o. S.; Franz Kollreider, Lienzer Bildnisse, ebd., Nr. 11, o. S.; Rudolf Granichstaedten-Czerva, Die Plumpf von Löwenport, ebd. 26, 1958, Nr. 7, o. S.; ders., Die drei Brüder Hibler, ebd. 27, 1959, Nr. 7, o. S.; Franz Hölbing – Wulf Stratowa, 300 Jahre Universitas Oenipontana, 1970, S. 178 (m. B.); Meinrad Pizzinini, Lienz. Das große Stadtbuch, 1982, S. 266f., 428; 750 Jahre Stadt Lienz 1242–1992, bearb. ders. – Claudia Sporer-Heis, Lienz 1992, S. 102f., 177 (Katalog); ders., Emanuel von Hibler, in: Osttiroler Heimatblätter, 83, 2015, Nr. 10, S. 1ff.; Matrikelbücher der Pfarre St. Andrä, Schloss Bruck Museum der Stadt Lienz, beide Lienz, Tirol; Mitteilung Gertrud Porth, Innsbruck, Tirol.

(Meinrad Pizzinini)