Selfmademan und Tycoon mit Weitblick: Pasquale Freiherr von Revoltella (1795–1869)

Der Aufschwung Triests im 19. Jahrhundert ermöglichte Laufbahnen wie seine – vom Fleischhauerssohn zu einem der wichtigsten Bankiers des Landes und Finanzier des Suezkanals. Im Juni 2020 jährt sich sein Geburtstag zum 225. Mal.

Einer der bedeutendsten Triestiner des 19. Jahrhunderts war ein Zuzügler. Denn geboren wurde Pasquale Revoltella am 16. Juni 1795 in Venedig. Während der Stern der „Serenissima“ bereits gesunken war, stand Triest im Begriff, zum wichtigsten österreichischen Seehafen und zu einem zentralen mitteleuropäischen Handelsplatz aufzusteigen. So entschloss sich sein Vater, der Fleischhauer Giobatta Revoltella, mit seiner Familie 1796 dorthin zu übersiedeln. Auch in Triest, dessen Aufschwung durch die Erhebung zum Freihafen 1719 eingeläutet worden war, ging Vater Revoltella seinem erlernten Handwerk nach. Für dieses zeigte sein Sohn jedoch offenbar wenig Interesse. Überhaupt spielt Revoltellas Vater in den Selbst- und Fremdzeugnissen zur Biographie seines Sohnes eine auffallend untergeordnete Rolle, ganz im Gegensatz zur 1830 verstorbenen Mutter Domenica: Während er deren sterbliche Überreste später in die von ihm nahe seiner Sommervilla erbaute Kirche überführen ließ, kennt man von seinem Vater nicht einmal das genaue Sterbedatum.

Die Bilderbuchkarriere des Magazineurs

Pasquale begann als junger Bursche für ein Handelshaus als Magazineur zu arbeiten. 1816 wechselte er zu einem kaufmännischen Unternehmen, das von drei Schweizern betrieben wurde. Scheinbar war man mit ihm in den folgenden Jahren mehr als zufrieden, denn als Teodoro Necker, seines Zeichens auch eidgenössischer Konsul vor Ort, 1827 Alleineigentümer der Firma wurde, machte er ihn zu seinem Prokuristen. Relativ bald danach verließ Revoltella das Unternehmen. Ob ein gescheitertes Geschäft mit einem Venezianer, das Necker damals in gröbere finanzielle Schwierigkeiten brachte, damit zu tun hatte, ist nicht bekannt. Jedenfalls blieben die beiden auch nach dem Weggang Revoltellas Partner. Schulden, die er bei seinem ehemaligen Arbeitgeber hatte, wurden später getilgt. Offenbar schien für ihn die Zeit gekommen, sich auf eigene Beine zu stellen. Der endgültige Schritt in die Selbstständigkeit erfolgte 1835, als er mit einem Startkapital von 30.000 Gulden eine eigene Firma gründete. Anfänglich handelte er mit Holz sowie Getreide, später u. a. auch mit Zucker. Die Geschäfte liefen gut, sehr gut sogar, und Revoltellas Kassen füllten sich.

Obschon aus einfachsten Verhältnissen stammend – was er im Übrigen nie leugnete –, erhielt der talentierte und autodidaktisch gebildete Revoltella schon bald Zutritt zum exklusiven Kreis des Casino Vecchio. Der mit kaufmännischem Instinkt ausgestattete junge Mann hatte schon früh bei mehreren für den wirtschaftlichen Erfolg Triests im 19. Jahrhundert maßgeblichen Unternehmen seinen Fuß in der Tür, so bei den Assicurazioni Generali und dem Österreichischen Lloyd. In beiden dieser in der ersten Hälfte der 1830er-Jahre gegründeten Unternehmen bekleidete er in der Folge zentrale Funktionen. Allmählich trat der Handelsunternehmer Revoltella in den Hintergrund, während der Investor bzw. Bankier durch geschicktes Agieren sein Vermögen stetig vermehrte. Dabei hielt er nach mehreren Richtungen Ausschau: Einerseits stellte er früh enge Kontakte zur Wiener Finanzwelt her und fungierte etwa als Triestiner Agent des Bankhauses Arnstein & Eskeles, investierte gemeinsam mit Salomon Mayer Freiherr von Rothschild in Unternehmen und stand auch in geschäftlicher Verbindung zu dem von Georg Simon Freiherr von Sina zu Hodos und Kizdia gegründeten Bankhaus. Andererseits legte er sein Geld – möglicherweise aus Anhänglichkeit an seine Geburtsstadt – auch im Veneto an und beteiligte sich ebendort an mehreren von den österreichischen Behörden eingeleiteten Infrastrukturprojekten. Unter den zahlreichen Industriebetrieben, an denen Revoltella größere Anteile hielt, ist der Stabilimento Tecnico Triestino besonders hervorzuheben, der zu einer der größten Werften der Monarchie avancierte.

Profit, Politik – und viele Pläne

Revoltella war bestens vernetzt, wobei vor allem seine Freundschaft zu dem späteren Handels- bzw. Finanzminister Karl Ludwig Freiherr von Bruck von Bedeutung war. Bei einem wirtschaftlichen „Player“ von Revoltellas Format verwundert es nicht, dass er irgendwann auch den Weg in die Politik fand. Die Zeit dafür war im Revolutionsjahr 1848 gekommen, in welchem er auf die regierungstreue Karte setzte. Zusammen mit einer weiteren illustren Triestiner Persönlichkeit, dem Historiker und Juristen Pietro Kandler, begab er sich im Juni 1848 nach Innsbruck, um den Kaiser der unverbrüchlichen Loyalität der „urbs fidelissima“ (so der Beiname Triests) zu versichern. Revoltella wurde auch in das Stadtparlament gewählt und gehörte diesem über viele Jahre an, Schlüsselfunktionen hatte er auch an der lokalen Börse inne. Es war vor allem die Stadt Triest, der er sich verbunden fühlte und deren wirtschaftlicher Prosperität sein primäres Augenmerk galt. Diese sah er unter den Fittichen des Doppeladlers am besten gewährleistet, so dass an seiner Kaisertreue kein Zweifel aufkommen konnte. Der italienischen nationalen Einigungsbewegung hingegen, dem Risorgimento, stand er gleichgültig gegenüber. Auch wenn er stets den Handelsplatz Triest im Auge hatte, so verlor er nicht den Blick für die größeren wirtschaftlichen und politischen Zusammenhänge. Dies äußerte sich nicht zuletzt in seiner mit „Betrachtungen und Vorschläge“ untertitelten Broschüre „Oesterreichʼs Betheiligung am Welthandel“ (1863). Diese zog – von allerhöchster Stelle – die Einrichtung eines eigenen, nach Revoltella benannten Komitees nach sich, welches die darin aufgeworfenen Fragen diskutierte. Die Ergebnisse dieser Beratungen wurden der Regierung vorgelegt und auch veröffentlicht („Rapporto sulla situazione sfavorevole dellʼAustria nel commercio mondiale e sui mezzi per porvi rimedio“, 1865). In Revoltellas Analyse spielt der damals bereits in Bau befindliche Suezkanal eine zentrale Rolle, ihn sieht er als einmalige Chance für die Ausweitung des österreichischen Fernhandels.

Entschiedener und entscheidender Förderer des Suezkanals

Der „Durchstich des Isthmus“ und die dadurch geschaffene Seeverbindung zwischen Mittel- und Rotem Meer würde, so Revoltella, vor allem Österreich ungeahnte Vorteile bringen. Es war diese Überzeugung, die ihn von Beginn an zu einem Förderer des Mammutprojekts werden ließ. Doch war es ein weiter Weg von der Gründung der Société d’Études du Canal de Suez 1846 in Paris, an der Revoltella gemeinsam mit dem Ingenieur und späteren Chefplaner des Kanals Alois Negrelli teilnahm, bis zum Baubeginn 1859. Ferdinand de Lesseps, der in den Folgejahren zur treibenden Kraft hinter dem internationalen Vorhaben wurde, benötigte einflussreiche Lobbyisten und vor allem auch Finanziers. In beiden Rollen unterstützte ihn Revoltella, der zeitweise als offizieller Repräsentant der österreichischen Interessen fungierte, maßgeblich. So wurde er Vizepräsident der Compagnie Universelle du Canal de Suez. Um sich selbst vom Fortschritt der Bauarbeiten zu überzeugen, brach Revoltella im Herbst 1861 auf dem Dampfschiff „Neptun“ gemeinsam mit Lesseps nach Ägypten auf, als offizieller Entsandter der Stadt Triest bzw. des Lloyd. Im Auftrag Revoltellas führte sein Freund Louis Corboz ein penibles Reisetagebuch („Voyage en Égypte“, 1962 von G. Cervani ediert). Nach Besichtigung der gigantischen Baustelle und diversen „Sightseeing“-Abstechern sowie einer Pilgerfahrt ins Heilige Land kehrte die Reisegesellschaft Anfang Februar 1862 an die Obere Adria zurück. Bald darauf ließ Revoltella sich von Tito Agujari porträtieren – als selbstbewusster, u. a. mit dem Leopold- und dem Franz Joseph-Orden ausgezeichneter Mann, der in seiner Linken einen Plan des Kanals hält. Revoltella befand sich auf dem Höhepunkt seiner Karriere, auch seine Reputation war nun wiederhergestellt, die zwei Jahre zuvor erheblichen Schaden genommen hatte …

Unter Korruptionsverdacht

Auf die sonst untadelige und vielseits geachtete Person des Pasquale Revoltella war nur einmal ein Schatten gefallen: Ende 1859 wurden gegen Feldmarschallleutnant August Friedrich Freiherr von Eynatten Vorwürfe erhoben, dieser habe sich u. a. im Zusammenhang mit der Lieferung von Ochsen an die in Italien stehende Armee im großen Stil bestechen lassen. In die Sache wurden auch Bruck und mehrere Unternehmer aus seinem Umfeld hineingezogen, darunter Revoltella, den man inhaftierte und nach Wien überstellte. In der Causa Eynatten wurde er im Juli 1860 zwar freigesprochen, doch hatte eine genaue Prüfung seiner Bücher vier weitere Verdachtsfälle von Korruption zutage gefördert, die nun in Triest gerichtlich untersucht wurden. Am Ende des Tages ließ man jedoch alle Anklagen gegen ihn fallen. Ob die herausragende wirtschaftliche Bedeutung Revoltellas, an dessen Ruin die Regierung kein Interesse haben konnte, dabei eine Rolle spielte, ist schwer zu sagen. Der Korruptionsskandal fügte ihm jedenfalls auch einen herben persönlichen Verlust zu: Nachdem sich Eynatten im März 1860 in der Untersuchungshaft erhängt hatte, nahm sich wenige Wochen später auch Revoltellas Freund und wichtigstes Bindeglied in die Reichshaupt- und Residenzstadt, Karl Ludwig von Bruck, das Leben – obschon ihm später keine Schuld nachgewiesen werden konnte.

Revoltellas Vermächtnis

In die Geschichte und nicht zuletzt ganz konkret ins Stadtbild Triests hat sich Revoltella vor allem als Mäzen eingeschrieben. Bereits einige Jahre vor seinem Ableben verfasste der eingefleischte Junggeselle ein Testament, in welchem er sowohl sein 1858 fertiggestelltes Stadthaus als auch seine Sommerresidenz in den Karsthügeln über Triest der Allgemeinheit vermachte. Das prächtige, mit zahlreichen Kunstwerken und Erinnerungsstücken ausgestattete Palais nahe dem Hafen, das der Berliner Architekt Friedrich Hitzig entworfen hatte, sollte fortan als ein nach ihm benanntes Museum fungieren, so sein letzter Wille. Dies war die Geburtsstunde des heutigen Museo Revoltella – Galleria d’Arte Moderna. Mit großzügigen Legaten bedacht wurden in dem Testament verschiedene kirchliche und soziale Einrichtungen. Bereits zu Lebzeiten war er der bedeutendste Wohltäter der Stadt, der wichtige Initiativen nicht nur im sozialen, sondern auch im künstlerischen und Infrastrukturbereich setzte: So begründete er etwa 1850 die Scuola triestina di disegno (aus der sich später eine Staatsgewerbeschule und schließlich das heutige Istituto Tecnico Statale Alessandro Volta entwickelte) ebenso wie das heute nicht mehr erhaltene „Teatro Armonia“.

Seine letzte Ruhestätte fand der am 8. September 1869 nach längerer Krankheit verstorbene Revoltella in einer kleinen Gruft unter der seinem Namenspatron, dem Heiligen Paschalis Baylon, geweihten Kirche. Diese hatte er nach Plänen von Josef Andreas Kranner von seinem Freund Giuseppe Sforzi, der ihn auch nach Ägypten begleitet hatte, errichten lassen. Sie erhebt sich unweit seiner Villa, inmitten einer weitläufigen Parkanlage. Neben seinem Metallsarkophag steht dort jener der Mutter, an der Wand prangt das Wappen, das ihm anlässlich seiner Erhebung in den Freiherrnstand 1867 verliehen wurde. Es zeigt sinnigerweise Galeeren und Möwen, in der Mitte einen Merkurstab. Tritt man aus der engen Gruft heraus, muss man nur wenige Schritte gehen, um den Blick über den Golf von Triest schweifen zu lassen. Nicht unwahrscheinlich, dass dieser auf einen Öltanker weit draußen fällt, der gerade darauf wartet, dass seine Fracht gelöscht wird. Vermutlich drei Tage zuvor hat er den Suezkanal passiert, zu dessen Eröffnung Kaiser Franz Joseph seinerzeit höchstpersönlich anreiste – knapp zwei Monate nach Pasquale Revoltellas Tod.


Literatur: G. Cervani, in: Österreichisches Biographisches Lexikon 9, 1985; Pasquale Revoltella 1795–1869. Sogno e consapevolezza del cosmopolitismo triestino, 1996 (mit Bild); V. Kamin Kajfež, in: Austria and Egypt 9, ed. Ľ. Hudáková – J. Hudec, 2016, S. 185ff.; M. Blasich, Pasquale Revoltella. Il barone si racconta, 2019 (mit Bild); Allgemeines Verwaltungsarchiv, Wien.

(Hubert Bergmann)

Für die kostenlose Bereitstellung von Bildmaterial bedanken wir uns beim Bildarchiv Austria der Österreichischen Nationalbibliothek (Wien).