Paul Pfurtscheller – Naturwissenschaftler, Lehrer und Künstler

40 Jahre Erfahrung in tieranatomischen Abbildungen machten ihn zum Künstler, 30 Jahre Tätigkeit als „Naturalienverteiler“ und Hersteller von Arbeiten zur Holzhistologie begründeten seinen Ruf als Wissenschaftler. Über 30 Jahre im Gymnasium unterrichtend, war er bei Kollegen und Schülern beliebt. Internationale Bekanntheit erreichte Paul Pfurtscheller durch die Herstellung von Wandtafeln, die den naturwissenschaftlichen Unterricht in Österreichs Schulen über viele Jahre hinweg prägten. Sie sind auch heute noch an manchen Universitäten in Verwendung. Selbst im Internetlexikon der Biologie finden sich Abbildungen, die auf ihn zurückgehen.

Die Salzburger Zeit

Die katholische Familie Pfurtscheller stammte ursprünglich aus Tirol, übersiedelte jedoch vor 1855 in die Stadt Salzburg. Hier kam Paul am 20. November 1855 als sechstes Kind von Georg (1819–1883) und Creszenzia Pfurtscheller, geb. Mariner (1820–1862), zur Welt. 1867 heiratete der Witwer Georg Pfurtscheller Gertraud Spannberger (1830–1913), die für Paul zu einer wichtigen Bezugsperson wurde. Der Vater arbeitete sich vom Aushilfspacker zum Viktualienhändler hoch, Gertraud von der Köchin zur Viktualienhändlerin. Pfurtscheller besuchte das k. k. Staatsgymnasium und maturierte 1874. Im Fach Naturwissenschaften waren seine Leistungen nur mittelmäßig, aber seine schriftlichen Arbeiten erledigte er äußerst sorgfältig und in Kalligraphie galt er als sehr gut. Sein Zeichenlehrer war der bekannte Maler Ferdinand Axmann, der später in Wien zu seinen Lehrerkollegen zählte.

Die Wiener Zeit

Pfurtscheller begann 1874 mit dem Studium der Botanik an der Universität Wien. Unter seinen Lehrern waren bekannte Persönlichkeiten wie Melchior Neumayr, Eduard Sueß sowie Ludwig Karl Schmarda, der Nestor der österreichischen Zoologie. Bei Letzterem besuchte Pfurtscheller die Vorlesung „Die Untersuchungsmethoden der niederen Thiere“, worin es u. a. um Korallen ging, was 1902 Niederschlag in seiner ersten Tafel „Astroides“ (Sternkoralle) fand.

Im November 1877 reichte Pfurtscheller um Zulassung zu den Rigorosen ein. Beigelegt war seine Dissertation „Beiträge zur Anatomie der Coniferenhölzer“, die 1885 im 34. Band der „Verhandlungen der k. k. Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Wien“ gedruckt wurde. In dieser Arbeit zeigte sich nicht nur Pfurtschellers künstlerisches und lithographisches Talent, sondern auch seine scharfe Beobachtungsgabe sowie seine souveräne Handhabung der Untersuchungsmethoden und die große Sicherheit in der Ausführung der Abbildungen, wie seine Doktorväter, Eduard Fenzl und Julius Ritter von Wiesner, hervorhoben. 1878 wurde Pfurtscheller promoviert. Die Lehramtsprüfungen schloss er im Mai desselben Jahres ab. 1880–86 wirkte er als Supplent am Franz-Joseph-Gymnasium in Wien 1, 1886–89 als provisorischer Lehrer am k. k. Staats-Gymnasium in Wien 2 (heute aufgeteilt in das Sperl- sowie das Sigmund-Freud-Gymnasium) und ab August 1889 als wirklicher Professor wieder am k. k. Franz-Joseph-Gymnasium. 1890 übernahm er an dieser Schule das Biologie-Kustodiat, stattete es, – vielleicht auch aus Geldmangel der Schule –, mit vielen selbst hergestellten Präparaten weiter aus und begann, seine Wandtafeln zu konzipieren. Material bekam er wahrscheinlich aus der 1857 gegründeten k. k. Zoologischen Station in Triest, von der aus regelmäßig lebende Meerestiere an die Wiener Universität, aber auch an Schulen geliefert wurden. Davon profitierte Pfurtscheller, denn er verfügte somit stets über aktuelle Anschauungsobjekte als Vorlage für seine Tafeln.

In Triest fand Pfurtscheller zudem sein privates Glück. 1897 heiratete er Constantine (1862–1917) aus der Triestiner Kaufmannsfamilie Schollian. Nach der Hochzeit zog sie mit ihm und ihrer Mutter Marie nach Wien. Diese Hochzeit war für Paul auch finanziell vorteilhaft, denn Constantines verstorbener Vater, Wendelin, war, ebenso wie dessen Bruder, Kunsthändler. Sie galten als die Schirmherren der Kunstszene Triests, in deren Haus Künstler ein- und ausgingen. Constantine wusste also um die Qualität von Kunstwerken bestens Bescheid und zeigte für das schöpferische Schaffen ihres Ehemannes Verständnis.

Bereits 1902 suchte Pfurtscheller erfolgreich um Herabsetzung seiner Lehrverpflichtung an, um sich verstärkt der Herstellung seiner zoologischen Wandtafeln widmen zu können. Zeitlebens ein kranker Mann, stellte er 1907 einen Antrag auf Genesungsurlaub. 1911 wurde er schließlich auf eigenen Wunsch in den Ruhestand versetzt und widmete sich ab nun nur noch dem Zeichnen der Wandtafeln.

Josef Stadlmann, ein Lehrerkollege und Mitglied der Sektion Lehrmittel der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Wien, berichtete über diese Jahre, dass man ernsthaft behauptet hätte, dass nicht Pfurtscheller selbst, sondern seine Gattin die Tafeln gezeichnet hätte. Neider sprachen Pfurtscheller seine Werke ab und die Finanzbehörde warf ihm ein Gewerbesteuervergehen vor. Angegriffen und zutiefst gekränkt, verteidigte er sich bereits im Juli 1905 im „Neuen Wiener Tagblatt“, dass seine Arbeit ein „eminent wichtiges Werk“ für Schulzwecke sei, wie auch die Schulbehörde betonte, und dass eine andere Behörde ihm diese Arbeit „verekelt“.

Auszuschließen ist mit Sicherheit, dass Constantine Pfurtscheller die zoologischen Wandtafeln gemalt hatte, denn sie verstarb 1917. Pfurtscheller vertiefte sich jedoch speziell in den darauffolgenden Jahren in seine Arbeiten. Er steigerte die Qualität in didaktischer und künstlerischer Hinsicht. Detailreichtum und Abbildungsgenauigkeit, auch im mikroskopischen Bereich, wurden im Vergleich zu den ersten Tafeln wesentlich verbessert. Er erzielte eine elegantere Farbgebung und arbeitete die Plastizität der Tiere besonders heraus, die er nunmehr ohne fremde Vorlagen schuf und fortan als seine „Originale“ bezeichnete. Seine Unterrichtserfahrung ermöglichte ihm zudem, die Lehrinhalte zu den einzelnen Tiergruppen und ihrer Anatomie für seine Berufskollegen entsprechend aufzubereiten und diese mit Begleitworten für die Vermittlung des Lehrstoffes anzuleiten. Die Tafeln aus dem Zeitraum von 1902 bis 1915 wurden beim Wiener Verlag A. Pichlers Witwe & Sohn herausgegeben (Nr. 1-28), ab 1923 erschienen sie beim Verlag Martinus Nijhoff in den Niederlanden (Nr. 29-39).

Die Bedeutung der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Wien für Pfurtscheller

1877 wurde Pfurtscheller Mitglied der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Wien und übernahm im Laufe der Jahre viele Funktionen, darunter 1890–1922 jene eines Ausschussrats und 1890–1907 die des Naturalienverteilers, der die Vergabe naturgeschichtlicher Lehrmittel für die Schulen organisierte. 1896 erhielt er die Leitung dieser Sektion. Ab 1897 war er im Redaktionskomitee der „Verhandlungen der k. k. Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Wien“ und als Mitglied der Sektion Zoologie sowie Lepidopterologie tätig, 1915–23 auch als Mitglied der Sektion Lehrmittel, die Stadlmann ab 1913 leitete. Von 1916 an war er außerdem in der Volksnamen-Kommission aktiv, die volkstümliche Namen von Pflanzen und Tieren in Österreich sammelte.

Die Tätigkeiten in der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft nutzte Pfurtscheller zum intensiven Austausch mit Lehrerkollegen und Wissenschaftlern. In diesem Zusammenhang sollte ihn ein Ereignis besonders prägen: 1894 hörte er in dem Verein einen Vortrag des späteren Grazer Realschul-Lehrers Victor Nietsch, der vier von ihm selbst entworfene zoologische Schulwandtafeln vorstellte. Diese 170 x 140 cm großen Tafeln zeigten im Gegensatz zu den damals üblichen kleinen Lehrtafeln nur wenige Abbildungen, die jedoch anatomisch und plastisch modelliert waren. Sie hoben das Charakteristische des jeweiligen Tieres hervor. Pfurtscheller griff dieses Konzept für seine zukünftigen Tafeln auf und hielt 1900, 1907 und 1921 in der Gesellschaft Vorträge über seine Werke. 1902, im Erscheinungsjahr der ersten beiden Tafeln, gab Anton Heimerl eine  Einführung zu diesen und den weiteren 14 bereits gezeichneten (in: Verhandlungen der k. k. Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Wien 52, 1902).

Neben all diesen Tätigkeiten verfasste Pfurtscheller Besprechungen von wissenschaftlichen Lehr- und Schulbüchern und arbeitete bei Zeitschriften wie „Aus der Natur“ und „Urania“ mit. Weiters gestaltete er mit Kollegen naturgeschichtliche Teile zweier Lehrmittelausstellungen; 1894 fand die erste im Wiener Universitätsgebäude im Rahmen der 66. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte statt. 1903 präsentierte man in der zweiten Ausstellung im Museum für Kunst und Industrie neue Lehr- und Anschauungsmittel für den Unterricht an Mittelschulen.

Nicht nur Krankheiten, sondern auch persönliche Verluste sowie der 1. Weltkrieg bewirkten, dass er sich immer mehr zurückzog, und verlangsamten gegen Ende seines Lebens die Herausgabe weiterer Tafeln. Dennoch wurden ihm noch zwei Auszeichnungen zuteil: 1926 äußerte sich die Zeitschrift „Nature“ sehr anerkennend über eine neue Wandtafel von Pfurtscheller mit den Worten „This is an excellent plate, lithographed in colours“, was sicher zu seiner weltweiten Bekanntheit beitrug, im selben Jahr wurde er zum Hofrat ernannt.

Paul Pfurtscheller starb am 5. Februar 1927 in seiner Wohnung in Wien-Landstraße.


Weitere Werke: Über die Innenhaut der Pflanzenzelle nebst Bemerkungen über offene Communication zwischen den Zellen, in: Neunter Jahresbericht über das k. k. Franz-Joseph-Gymnasium in Wien … Schuljahr 1882/83, 1883; Über neugeplante zoologische Wandtafeln, in: Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien 51, 1900.


Literatur: Neues Wiener Tagblatt, 13. 7. 1905; Reichspost, 10. 12. 1926; ÖBL; Katalog der Ausstellung der 66. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte, 1894, S. 121ff.; Katalog der Ausstellung neuerer Lehr- und Anschauungsmittel für den Unterricht an Mittelschulen, ed. W. v. Hartel u. a., 1903, S. 117ff.; O. Wittmann, Botanische Abhandlungen in den Mittelschulprogrammen und ihre Verfasser. Ein Beitrag zur Geschichte der Botanik in Österreich, Diss. Wien, 1957, S. 312ff.; K. Chytil, Paul Pfurtscheller, in: 400 Jahre Akademisches Gymnasium Salzburg, ed. L. M. Bach, 2017, S. 166f.; A. Landmann, in: Entomologica Austriaca 27, 2020, S. 107ff.; Pfarre Landstraße-St. Rochus, UA, beide Wien; Dompfarre Salzburg, Salzburg.

(Kurt Chytil)

Für die kostenlose Bereitstellung des Bildmaterials danken wir dem Bildarchiv Austria der Österreichischen Nationalbibliothek (Wien) und Werner Anselm Buhre.