Nahrung für Leib und Seele – Johann Konrad Vogel

Zum 220. Geburtstag des Zuckerbäckers und Begründers der Linzer evangelischen Pfarrgemeinde Johann Konrad Vogel.

Der gebürtige Bayer machte sich nicht durch die Erfindung der Linzer Torte – die ihm lange Zeit fälschlicherweise zugeschrieben wurde – einen Namen, sondern vor allem durch sein unermüdliches Wirken für den evangelischen Glauben und seine Anteilnahme am Leid der Bedürftigen und Armen in Linz.

Die Wurzeln des späteren Linzer Ehrenbürgers lagen im mittelfränkischen Weihenzell bei Ansbach: Im Anwesen Weihenzell Hausnr. 17 in der heutigen Schlotfegergasse erblickte Johann Konrad Vogel am 9. August 1796 als Sohn des Bauern und Pachtgärtners Johann Paulus Vogel und seiner aus Lichtenau stammenden Frau Apollonia Elisabeth, geborene Held, das Licht der Welt. Nach einigen Missernten und letztlich, nachdem der Hof 1804 abgebrannt war, mussten Vogels Eltern ihr Anwesen verkaufen und sich als Gartenpächter den Lebensunterhalt für sich und ihre drei Kinder mühsam erwirtschaften. Ein Schulbesuch war für die Kinder aus finanziellen Gründen nur kurze Zeit möglich.

Nach der Konfirmation 1810 verdingte sich Vogel zunächst als Kegeljunge in Ansbach, ehe er im selben Betrieb eine Konditor- und Lebzelterlehre absolvieren konnte. Nach fünfjähriger Lehre erhielt er 1818 den Lehrbrief. Danach führten ihn seine Wanderjahre als Konditorgeselle unter anderem nach Nürnberg, wo er Bekanntschaft mit dem Marktfahrer Johann Tobias Kießling (1743–1824) schloss. Kießling bot seine Waren zweimal im Jahr auf dem Linzer Markt an und versorgte die evangelischen Bewohner der Stadt und Umgebung mit Schrifttum und Büchern. Bei einem seiner Aufenthalte wurde er von der Zuckerbäckerwitwe Katharina Kreß gefragt, ob er nicht einen Geschäftsführer für ihren Betrieb wüsste, woraufhin er Vogel ermutigte, sich für diese Stelle zu bewerben.

Katharina Kreß nahm das Angebot an, und so traf Vogel im November 1822 in Linz ein und übernahm zunächst den Posten des Geschäftsführers der Konditorei im Haus Altstadt Nr. 4. Bereits neun Monate später heiratete er die Zuckerbäckerwitwe. Nach seiner Heirat und der Übernahme des Geschäfts, das er 52 Jahre lang führte und danach seinem Neffen übergab, wurde Vogel 1823 Bürger von Linz. Nach dem Tod seiner Frau 1841 heiratete Vogel noch im selben Jahr Maria Breiter, die ihn überleben sollte.

Die Erfindung der Linzer Torte

Einer Legende nach soll Vogel, als er 1823 eilig ins Rathaus bestellt wurde, seinen Lehrling damit beauftragt haben, die Tortenmasse, an der er gerade arbeitete, weiterzurühren. Er blieb jedoch länger als erwartet weg, währenddessen der Lehrling tapfer und unermüdlich weiterrührte. Das Resultat des langen Rührens war eine ausgezeichnete Torte aus Nussmürbteig mit Ribiselgelee.

Allerdings wurden schon lange vor Vogels Zeit sogenannte Linzer Torten gebacken. Bereits 1653 findet sich zum ersten Mal in einem Manuskript, das heute im Stift Admont in der Steiermark aufbewahrt wird, das Kochbuch der Gräfin Anna Margarita Sagramosa aus Verona, ein Rezept mit der Überschrift „Linzer Turdten zu machen“. Im „Vollständigem Kochbuch oder Was kochen wir heute? Was morgen?“ der Maria Anna Steinbrecher aus dem Jahr 1823 liest man unter Rezept Nr. 943: „Man nimmt ein Pfund Mehl, ¾ Pfund Butter, ½ Pfund Zucker, ¼ Pfund Mandeln, fein geschnittene Citronen-Schalen, gibt dieses auf das Bret, schlägt 10 Eyerdotter hinein, und würkt sie, […] dann nimmt man ein dickes Blatt, bestreicht es mit Eingesottenem und macht Schlagen darüber.“

Es kamen auch ausländische Reisende, um die Torte zu kosten. So notierte der Schriftsteller und Weltreisende Fürst Hermann von Pückler-Muskau 1809 in seinem Tagebuch: „Ich blieb die Nacht und den folgenden Tag in Linz, weil ich gehört hatte, daß diese Stadt ihrer Torten und schönen Mädchen wegen berühmt sei. Die Torten mögen ihren Ruf allenfalls verdienen, die Mädchen, soviel ich davon urtheilen kann, nicht“.

Wie auch immer es mit der Erfindung der Torte gewesen sein mag, Vogel ist es vermutlich zu verdanken, dass die Torte schließlich weiteste Verbreitung, über die Grenzen Österreichs hinaus, erfahren sollte. Sogar eine Operette des bayerischen Komponisten Ludwig Schmidseder, die 1944 im Landestheater Linz uraufgeführt wurde, trägt den Titel „Linzer Torte“. Die Hauptfigur in diesem Werk heißt Johann Konrad Vogel.

Das Ringen um eine selbstständige evangelische Pfarrgemeinde in Linz

Neben seiner beruflichen Tätigkeit als Zuckerbäcker setzte sich Vogel in Linz aktiv für die Errichtung eines Bethauses und in weiterer Folge für eine selbstständige evangelische Gemeinde ein. Durch das Toleranzpatent von 1781 waren die Bedingungen für die evangelischen Gläubigen zwar verbessert worden, was Gemeindegründungen in der Umgebung von Linz zur Folge hatte. Doch zu diesem Zeitpunkt erfolgte die Betreuung der evangelischen Glaubensbrüder und -schwestern in Linz durch den Pfarrer von Thening, einem Ort in 11 km Entfernung von Linz. Zu den Bürgern, die sich als Erste für die Errichtung eines eigenen Bethauses einsetzten, zählte Johann Konrad Vogel. Mit eindringlichen Briefen gelang es ihm, den zunächst ablehnend eingestellten Theninger Pastor und Superintendenten Johann Steller von der Notwendigkeit einer eigenen Kirche zu überzeugen.

In einer Eingabe an die Landesregierung findet man neben den Namen bedeutender Bürger auch den von Vogel. Am 10. März 1834 wählten die Mitglieder der evangelischen Gemeinde in Linz und Umgebung Johann Konrad Vogel einstimmig zum Kirchenvorsteher, ein Amt, das er 25 Jahre innehaben sollte. Von 1834 bis 1861 gehörte er dem Presbyterium an.

Vogels unermüdlichem Einsatz ist zu verdanken, dass weitere Eingaben an die Obrigkeit verfasst wurden. Nach vergeblichen Versuchen vom 3. März 1835 und 17. April 1838 wurde schließlich im Februar 1841 der Bau des Gebetshauses gewährt. Am 30. März 1842 erfolgte der Spatenstich auf einem Grundstück an der Landstraße, der gemäß der damaligen Bauordnung 50 Meter von der Straße zurückversetzt zu erfolgen hatte: Evangelische Gotteshäuser durften nicht das Straßenbild dominieren oder sich von normalen Bürgerhäusern abheben. Am 20. Oktober 1844 wurde die evangelische Kirche feierlich eingeweiht. Linz wurde zunächst von Thening aus weiter betreut, bis es mit 5. Jänner 1850 schließlich eine selbstständige Gemeinde wurde.

Mit dem Kirchturm, der 1853 genehmigt und 1862 fertiggestellt wurde, sowie der Spende des Turmkreuzes durch Frauen der Gemeinde erhielt das Bethaus seine heutige Gestalt. Außerdem setzte sich Vogel bereits 1846 für den Bau einer Schule ein, die 1850 eröffnet werden konnte. Diese wurde allerdings 1870 nach Beschluss des Presbyteriums, das für die Schulkosten nicht mehr aufkommen wollte, aufgelöst.

Der „alte Vogel“, ein Armenvater und Stifter

Neben seinem Engagement innerhalb der evangelischen Glaubensgemeinschaft war dem gläubigen Vogel auch das gelebte Christentum ein Anliegen. Die Anteilnahme am Schicksal finanziell schlecht gestellter Personen wurde ihm zur weiteren Berufung. Bereits 1824 wählte man ihn zum Armenvater, d. h. zum ehrenamtlichen Betreuer von Armen eines Stadtviertels. Die Mitgliedschaft zum städtischen Armenausschuss der Stadt folgte 10 Jahre später. 1870, nach der Reform des Armenwesens in Linz, wurde Vogel schließlich zum Inspektor des ersten Armen-Inspektorats gewählt, ein Amt, das er bis kurz vor seinem Tod ausübte.

Unter tatkräftiger Mithilfe beziehungsweise der Patronanz des „alten Vogel“, wie er im Volksmund genannt wurde, entstanden folgende Stiftungen:
1855 Fonds für arme evangelische Lehramtskandidaten
1857 Stiftung für würdige Arme in seinem Geburtsort Weihenzell
1860 Johann Konrad Vogels Waisenstiftung der evangelischen Gemeinde Linz
1869 Verein zur Versorgung alter Bürger und Bürgerswitwen
1870 Linzer Dienstboten-Unterstützungs-Verein
1871 Verein zur Unterstützung der Armen evangelischer Religion

Für sein humanitäres Wirken wurde Vogel, wie die Linzer „Tages-Post“ es in ihrem Nachruf überlieferte, „per allerhöchstem Handschreiben“ vom 15. August 1869 von Kaiser Franz Joseph das goldene Verdienstkreuz mit der Krone verliehen. Anlässlich seines 80. Geburtstags 1876 wurde er zum Ehrenbürger der Stadt Linz ernannt. Gleichzeitig benannte man eine Straße nach ihm: Die auch heute noch existierende Johann-Konrad-Vogel-Straße verbindet die Linzer Landstraße mit dem Hessenplatz.

Der Konditor starb am 6. Oktober 1883 im Alter von 87 Jahren. Er wurde unter großer Anteilnahme der Linzer Bevölkerung am Barbarafriedhof bestattet und später auf den Waldfriedhof St. Martin umgebettet. 1949 übernahm die Stadt Linz die Pflege seines Grabes.

Heute erinnert noch eine Gedenktafel in der Linzer Altstadt Nr. 4, Vogels ehemaligem Arbeits- und Wohnhaus, an sein Wirken:

 

In diesem Haus wohnte und arbeitete
von 1822 bis zu seinem Tod
der Zuckerbäcker
Johann Konrad Vogel
1796 – 1883
Er war Mitbegründer und erster Vorsteher
der evangelischen Gemeinde Linz
Armenvater der Stadt Linz
Gründer mehrerer Vereine
zur Unterstützung bedürftiger Mitmenschen
Toleranz, Nächstenliebe und soziale Verantwortung
haben sein Leben geprägt.
Ehrenbürger der Stadt Linz.

 


L.: Tages-Post, 9. 10. 1883; Salzburger Chronik, 12. 10. 1883; Neuigkeitsweltblatt, 11. 11. 1883; B. Czerwenka, Zur Geschichte der evangelischen Gemeinde in Linz in Ober-Österreich, 1862, passim; G. Mecenseffy – H. Taferner, Festschrift 125 Jahre Martin-Luther-Kirche Linz, 1969; L. Schlager, Rund um die Linzer Torte, in: Kleinausstellungen des Archives der Stadt Linz, 1980; L. Temmel, Evangelisch in Oberösterreich, 1982, S. 174 ff; Festschrift 150 Jahre Martin-Luther-Kirche Linz, 1844–1994, 1994, S. 14ff., S. 83; G. Merz, Linzer „Armenvater“: Johann Konrad Vogel, in: Evangelischer Kirchenbote Linz 44, 1996, S. 8ff.; Archiv der Evangelischen Gemeinde Linz-Innere Stadt; http://www.weihenzell.de/showpage.php?Geschichte/Johann_Conrad_Vogel&SiteID=99 (mit Bild, Zugriff: 17.5.2016.); L. Mann u. a., Die Linzer Torte, https://www.bmlfuw.gv.at/land/lebensmittel/trad-lebensmittel/speisen/linzer_torte.html (Zugriff: 12. 7. 2016); https://www.bmlfuw.gv.at/dam/jcr:abf5febd.../Linzer %20Torte_de_20160331.pdf (Zugriff: 20. 6. 2016); http://linz-evang.at/ (Zugriff: 20. 6. 2016); http://www.landesmuseum.at/sammlungen/forschung/forschungsprojekte-detail/linzer-torte.html (Zugriff: 20. 6. 2016).


(Johanna Dollhäubl)

 

Wir danken der Evangelischen Gemeinde Linz-Innere Stadt für die Erlaubnis zur Veröffentlichung des Bildmaterials aus ihren Archivbeständen. Der besondere Dank der Autorin gilt Günter Merz und Ilse Parteder für ihre Hilfsbereitschaft und Unterstützung.

Biographie des Monats August 2016