A. M. Beschorner (1821–1896) – Vom Waisenkind zum Großindustriellen

Sein Lebensweg ist die beeindruckende Aufsteigergeschichte eines Mannes, der mit einer ebenso simplen wie genialen Erfindung ein ganzes Firmenimperium aufbaute: Der Sarg aus Zinkblech war der Anfang – es folgten zahlreiche weitere Erzeugnisse seiner „Metall-Särge- und Ornamenten-Fabrik“, die heute noch das Bild vieler mitteleuropäischer Städte prägen und auch aus ihren Theatern nicht wegzudenken sind. Zudem wurde er mit seinem Bestattungsunternehmen „Concordia“ einer der erfolgreichsten „Pompfüneberer“ in Wien. – Ein biographischer Beitrag zum Thema November.

Als Waisenkind auf Wanderschaft

Alexander Markus Beschorner wurde 1821 in der damals ungarischen Stadt Lewenz (heute Levice in der Slowakei) als Sohn eines Wachsziehers geboren und hatte neun Geschwister. Nach dem frühen Tod seiner Eltern zog er als erst Zehnjähriger zu Verwandten nach Mährisch Schönberg, wo er das Spenglerhandwerk erlernte. Danach wanderte er durch Italien und die Schweiz, arbeitete in Straßburg an der Eindeckung des Münsterdachs mit und ging in der Folge nach Paris, wo er aber keine Arbeit finden konnte und sich daher der Fremdenlegion anschloss. Er kam 1843 nach Algier und wurde in Bougie bei einem Gefecht gegen die Araber schwer verletzt. Während seiner Genesungszeit bekam Beschorner die Leitung des Wasserleitungsbaus für ein Spital in Afrika übertragen, wofür er 1.500 Francs erhielt, die den Grundstock für seine weiteren Unternehmungen bildeten. Er kehrte 1847 nach Mährisch Schönberg zurück und etablierte sich schließlich in Brünn als Spenglermeister. Aufgrund eines Diebstahls durch einen seiner Arbeiter und anderer Verluste musste er sein Haus und Geschäft veräußern und übernahm das Dorfbrauhaus in Hobischau. Beschorner gab aber das Spenglerhandwerk nicht auf – er war ein wacher Erfindergeist und experimentierte, bis ihm die Herstellung von Metallsärgen aus Zinkblech gelang. Er verkaufte das Dorfbrauhaus und übersiedelte 1860 mit seinem Patent in der Tasche nach Wien, wo er in der Dreilaufergasse eine Fabrik mit Maschinen, die er eigens konstruiert hatte, gründete.

Der Metallsarg – ein geniales Produkt  

Der Erfolg der „Ersten k.k. privileg. Metall-Särge-Fabrik“ war so groß, dass Beschorner 1865 eine gleichartige Fabrik in Berlin etablierte. Für die Herstellung seiner Maschinen errichtete er auch eine eigene Eisengießerei. Stolz präsentierte er seine Erfindung in der Presse: Nicht nur die für jedermann erschwinglichen Preise gehörten zu den Vorzügen des Produkts, auch unterblieb das „Gefühle verletzende Einschlagen der Sargnägel“ dank eines Schlosses mit einem Schlüssel, der den Hinterbliebenen „zum schönen Andenken“ (!) überreicht wurde. Der hermetisch abschließende Sarg war überdies hygienischer, da „die für die Umstehenden oft so unangenehmen Durchnässungen ganz beseitigt“ wurden. Dennoch ermöglichte er eine Verwesung des Leichnams, dessen Gebeine später vollzählig und ohne Verwechslungsgefahr mittels der in den Sarg eingeprägten Nummer in ein Gebeinhaus überstellt werden konnten. Für die „Überführung auf dem Schlachtfelde gefallener Helden“ ersann B. einen Sarg mit Spiegelglasdecke, die gestattete, „den theuren Dahingeschiedenen noch einmal ohne irgend welche Belästigungen zu sehen“. Doch nicht nur die günstigen Metallsärge verkauften sich gut – bald reichte Beschorners Ruf als Spezialist so weit, dass auch die Mitglieder der kaiserlichen Familie in kunstvollsten Fabrikaten seines Unternehmens in der Kapuzinergruft beigesetzt wurden. Auf der Weltausstellung in Paris 1867 erregte der Beschorner’sche Prachtsarkophag selbst die Aufmerksamkeit Napoleons III., der seinem Erfinder mehrere Auszeichnungen verlieh.

Nicht nur Särge

Im selben Jahr entschied Beschorner zudem einen Streit um einen Aufspritzwagen für sich, den auch die Firma Wertheim herstellte – nur nicht ganz so günstig, effizient und bedienerfreundlich. Beschorner hatte darüber hinaus die geniale Geschäftsidee, brandsichere Ornamente aus Metall für die Innenausstattung von Theaterhäusern anzufertigen, und bekam auf sein Angebot auch prompt den Auftrag für die neue Wiener Hofoper. Es folgten das Stadttheater zu Szegedin, die Theater in Odessa, Prag, Zürich, Salzburg und Pressburg, das Deutsche Volkstheater in Wien, das Etablissement Ronacher, das Raimundtheater und viele andere. Natürlich stammen auch im neuen Burgtheater viele Dekorationselemente so wie der (zu seiner Zeit größte) elektrische Luster aus seiner Fabrik – ebenso wie die sechzehn Luster im neuen Rathaus.

Zum Gedeihen des Unternehmens trug sicherlich auch seine Gattin Anna Maria Beschorner (geb. 29. 11. 1828; gest. Wien, 5. 3. 1895) bei, die eingetragene Prokuristin und offene Gesellschafterin mit Vertretungsrecht in seinem Unternehmen war. Beschorner hatte aber nicht nur wirtschaftlich großen Erfolg, er erfuhr zudem eine enorme öffentliche Anerkennung in Form zahlreicher Auszeichnungen: Auf das 1867 verliehene Goldene Verdienstkreuz folgte 1877 der Hoftitel, 1878 das Landesprivilegium, 1894 das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens und die große goldene Salvator-Medaille. Das ehemalige Waisenkind hatte nun eine hohe gesellschaftliche Position – Beschorner war nicht nur Mitbegründer und Mitglied des Industriellen-Actions-Comités, sondern auch karitativ tätig, u. a. als Ehrenmitglied des Wiener Rettungsvereins und des Tierschutzvereins.

Beschorner ruhte sich auf seinem Erfolg aber nie aus, sondern erweiterte ständig seine Produktpalette: Er richtete in Budapest eine Kunstgießerei ein, in der u. a. das Arány-Denkmal in Budapest, das Grabdenkmal von Julius d. Ä. Graf Andrássy sowie die Figuren des Ganymedes-Brunnen in Bratislava hergestellt wurden. Außerdem erfand er einen „Spiritus-Mess-Control-Apparat“, der vom österreichischen Finanzministerium angeschafft und von der ungarischen Regierung obligatorisch eingeführt wurde. 1886 erwarb er das Patent für Wellenschiefer-Dacheindeckungen.

Das Geschäft mit der „schönen Leich’“

Der Metallsarg war und blieb Beschorners erfolgreichstes Produkt. In Wien gab es zwei erste private Unternehmen, die Leichenbestattungen durchführten: die „Entreprise des pompes funèbres“ und die von Beschorner mitbegründete „Pietät“. Nach Uneinigkeiten zog Beschorner jedoch sein alleiniges Bestattungsunternehmen „Concordia“ auf, das bald mehrere Zweigstellen und über dreihundert Angestellte hatte. Es kam zu heftigen Streitigkeiten mit dem Konkurrenzunternehmen „Pietät“, die ihren Niederschlag in Plakaten im Stadtbild und in zahlreichen Artikeln in der Presse fanden. Es folgte auch ein regelrechter Inseraten-Wettkampf der beiden Firmen – meist mit „Warnung“ übertitelt. Auch direkte Preisvergleiche gab es dabei zu lesen: von der „Prachtclasse complet“ bis zur „VI. Classe – getragen – ohne Aufbahrung“ – natürlich mit der „Concordia“ als Preissieger. Dass die Bestattung ein goldenes Unternehmen war, zeigt sich in dem Umstand, dass es 1885 zum konzessionierten Gewerbe erklärt wurde, um die wie Pilze aus dem Boden sprießenden Firmen zu reglementieren. Die „Concordia“ war aber das führende Unternehmen für Spezialaufträge – so zum Beispiel für die Exhumierung der sterblichen Überreste von Franz Schubert und Ludwig van Beethoven und deren Beisetzung auf dem Zentralfriedhof – ein so ehrenvoller Auftrag, dass ihn Beschorner sogar unentgeltlich durchführte.

Beschorner übertrug im Juni 1896 die Leitung des Unternehmens seinem einzigen Sohn, Alexander Mathias (praktischerweise mit den gleichen Initialen zur Weiterführung des Firmenlautes „A. M. Beschorner“) – fünf Monate später, am 31. Oktober, verstarb er. Seine Aufbahrung und sein Leichenzug zeigten natürlich alles, was die Firma „Concordia“ zu bieten hatte: Nach einer kunstvollen Aufbahrung im Sterbehaus in der Dreilaufergasse gab es einen Trauerzug zur Kirche, den ein Reiter mit Fahne anführte. Dahinter waren die Unmengen an Blumen und Kränzen auf vier Wagen untergebracht, ihnen folgte der prächtige, sechsspännige Glasgalawagen mit dem Sarg. Im Anschluss gingen die Familie, zahlreiche Trauergäste und die Arbeiter der Fabriken mit Kerzen in den Händen. In der Kirche St. Laurenz am Schottenfeld warteten bereits hochrangige Mitglieder des Klerus, der Wirtschaft und der Regierung. Nach der Einsegnung wurde Beschorners Sarg zum Zentralfriedhof gebracht, wo er in der Familiengruft beigesetzt wurde. Ein hochherrschaftliches Ende eines Lebens, das am entgegengesetzten Rand des gesellschaftlichen Spektrums begonnen hatte.

Epilog

Beschorners Sohn Alexander Mathias hatte schon früh im väterlichen Firmenimperium zu arbeiten begonnen und führte es ganz im Sinne des Begründers fort. Unter seiner Leitung wurden die Kupfersarkophage für Kaiserin Elisabeth und Kronprinz Rudolf hergestellt. Die Konkurrenz unter den Bestattungsunternehmen nahm indessen immer groteskere Ausmaße an: Schon bei Bekanntwerden von schweren Krankheitsfällen bezogen die Mitarbeiter in der Nähe der Wohnhäuser Posten, um dann gleich zur Stelle zu sein, wenn es um die Beauftragung der Beerdigung ging ... Die Stadt Wien beschloss daher, die Bestattungsunternehmen zu kommunalisieren: Ende März 1907 verkaufte Alexander Mathias Beschorner die „Concordia“ für 650.000 Kronen an die Gemeinde und verpflichtete sich, im Raum Wien und Umgebung kein Bestattungsunternehmen mehr zu führen. Im Gegenzug bezog die Gemeinde Wien zwei Drittel der erforderlichen Metallsärge aus seiner Fabrik – die einfache wie geniale Erfindung des Herrn Papa war ein lang anhaltender Segen für die Familie.


L.: Die Presse, 1. 11. 1884; WZ, 31. 10., Die Arbeit, NFP (Parte), 1., Neuigkeits-Welt-Blatt, 5. (mit Bild), Oesterreichische Illustrirte Zeitung, 11. 11. 1896 (mit Bild); RP, 26. 2. 1907; Czeike; OEBL; Die Bombe 2, 1875, Sylvester- und Kalender-Ausgabe, S. 5 (mit Bild); Illustriertes Österreichisches Journal 2, 1875, Nr. 2, (S. 1, mit Bild), Nr. 3, (S. 2); Oesterreichische Gartenlaube 4, 1878, Nr. 33, S. 10f.; Allgemeine Kunst-Chronik. Illustrirte Zeitschrift für Kunst, Kunstgewerbe, Musik, Theater und Literatur 12, 1888, S. 1026; F. Knispel, Zur Geschichte des Bestattungswesens in Wien. Im Dienste der Gemeinschaft 1907–1982. 75 Jahre Städtische Bestattung, 1982, S. 17; 100 Jahre für die Ewigkeit. 100 Jahre Bestattung Wien, 2007 S. 52f.; Pfarre Schottenfeld, Wien.

(Ruth Müller)

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