Biographie des Monats

Der Kalendermacher auf der Mazzesinsel: der k. u. k. Hofbuchdrucker Carl Fromme

Klassischer Gebrauchsgegenstand und typografisches Schmuckstück zugleich, Zierde für Wand und Schreibtisch oder Vademekum für die Westentasche: Carl Frommes Kalender zählten zu den bekanntesten der Monarchie und beeindrucken noch heute durch ihre Vielfalt und die sorgfältige Ausstattung. Ob Professor oder Student, Bierbrauer, Soldat oder Hausherr – fast jeden Berufsstand versorgte Frommes Offizin mit dem maßgeschneiderten Kalender. Anlässlich seines 130. Todestags am 28. September 2014 erinnern wir an den Begründer des damals größten österreichischen Kalenderverlags.

 

Dabei ist der Ahnherr des bedeutenden Unternehmens eigentlich ein Zugereister: Am 24. August 1828 in Harburg an der Elbe geboren, begann Fromme 1843 eine Lehre bei Hoffmann und Campe in Hamburg und blieb dort nach Ende der Lehrzeit noch bis 1851 tätig. Danach verließ er Deutschland, arbeitete ein Jahr als Buchhandelsgehilfe in Brünn und gelangte schließlich nach Wien, wo ihm eine Stelle in der renommierten Buchhandlung Tendler & Comp. angeboten worden war. Durch Fleiß und Geschick arbeitete er sich empor, übernahm 1853 zusammen mit Silvester Pötzelberger die Firma und wurde 1862 Alleininhaber. Fünf Jahre später jedoch verkaufte er die Buchhandlung, um stattdessen von Carl Winternitz die Keck & Pierer’sche Buchdruckerei und Schriftgießerei zu erwerben. Damit betrat der gelernte Buchhändler Fromme ein für ihn neues Betätigungsfeld. Große Aufmerksamkeit widmete er zunächst der Schriftgießerei, wobei er vom Stempelschneider Karl Brendler unterstützt wurde. Den kleinen Betrieb in der Wiener Leopoldstadt, Glockengasse 2, baute er kontinuierlich aus und verhalf ihm zu einem hervorragenden Ruf auf dem Gebiet des gediegenen Akzidenzsatzes. Als ihm seine vielseitige Tätigkeit zu wenig Zeit ließ, um die Schriftgießerei im gewünschten Ausmaß fortzuführen, behielt Fromme die Buchdruckerei und die Verlagsbuchhandlung, während die Schriftgießerei 1874 an seinen früheren Mitarbeiter Brendler überging.

 

Kalender für alle!

Ungeachtet seines Beitrags für die Entwicklung des Wiener Buchdrucks im Allgemeinen wird Frommes Name vor allem mit dem Kalenderverlag in Verbindung gebracht, den er 1867 begründete und der später von seinen Nachfolgern fortgeführt wurde. Waren es anfangs Vogl’s Volks-Kalender, der von Josef Nader redigierte Medicinal-Kalender und einige Wandkalender, so wuchs das Angebot der Firma Fromme über die Jahrzehnte auf eine beachtliche Reihe von Spezialkalendern an. Fast alle Branchen und Interessen fanden Berücksichtigung. Das Spektrum reichte vom Apotheker-Kalender bis zum Handels- und Börsenkalender, es umfasste einen Brauer- und Mälzer-Kalender ebenso wie den österreichischen Forst-Kalender, den österreichischen Feuerwehr-Kalender, den Oesterreichisch-Ungarischen Brennerei-Kalender oder den eleganten Edelweiß-Kalender. Gemäß dem Firmenmotto, allen Bedürfnissen des Publikums entgegenkommen zu wollen, war die Zielgruppe breit gestreut: Sie inkludierte Lehrerinnen, Geistliche aller Konfessionen, Handelsschüler, Buch-, Stein- und Kupferdrucker, Müller, Juristen, Tierärzte, Gärtner, Montanisten, Fischer, Landwirte, Angehörige der k. k. Landwehr und andere mehr. Ein Verlagsprospekt aus dem Jahre 1881 verzeichnet bereits 46 verschiedene Kalender in 78 Ausgaben.

Daneben bot Fromme, der selbst Kalender sammelte und eine bis ins 16. Jahrhundert zurückreichende Sammlung besaß, auch Produkte für Spezialinteressen. Musikfreunde etwa wurden mit dem Richard-Wagner-Kalender, einem Merkbüchlein über des Meisters Leben, Werk und Wirken für alle Tage des Jahres, und dem von Theodor Helm redigierten Notizkalender „Fromme’s musikalische Welt“ angesprochen. Ausdrücklichen Lokalbezug wiederum hatten der Wiener Hausherren-Kalender, Fromme’s Wiener Taschenkalender oder der Wiener Geschäfts- und Auskunfts-Kalender.

 

  

 

Begleiter für den täglichen Gebrauch …

Inhaltlich enthielten Frommes Kalender neben der klassischen Jahresübersicht Angaben von allgemeinem Interesse, wie die Genealogie des Kaiserhauses, ein Verzeichnis der Jahr- und Wochenmärkte, die Übersicht über Fiaker- und Einspänner-Taxen, Post- und Telegrafentarife, Stempelgebühren, aber auch die Termine der Lottoziehungen, Leichengebühren und anderes von praktischem Wert. Die von Fachleuten der jeweiligen Branche herausgegebenen Spezialkalender lockten hingegen mit zusätzlichen Informationen. So war dem Feuerwehrkalender die Feuerpolizei-Ordnung beigegeben, während der Müllerkalender sich mit der Vertilgung von Ratten, Mäusen und anderen Schädlingen befasste, Ingenieure und Architekten über die geltende Bauordnung in Cisleithanien unterrichtet wurden oder der Jagd-Wand-Kalender die Schonzeiten des Wildes in den einzelnen Kronländern der Monarchie auflistete. Mit praktischen Extras wie Formeln und Tabellen präsentierten sich die Notizkalender als nützliche Begleiter im Berufsalltag.

 

 

… oder Luxusgut im Portemonnaie

Die Vielfalt der Fromme’schen Produkte spiegelte sich nicht zuletzt in den Formaten, in der Art der Ausstattung und in der Preisgestaltung wider. Die Palette reichte vom Wandkalender (wie dem Verlosungs-Wand-Kalender oder dem Toiletten-Kalender) über Schreibtisch- und Unterlagekalender sowie die handlichen Taschenkalender bis hin zum winzigen, doch noblen „Wiener Portemonnaie-Kalender“. Letzterer war eine von Fromme erfundene Besonderheit: Der elegante Kalender war in unterschiedlicher Ausführung erhältlich (Goldschnitt, diverse Ledereinbände, emaillierter Bronzeband etc.) und gab sich als „Calendrier mignon“, „Calendario Gingillo“, „Kalendarzyk Motylek“, „Kalendá?ík Pale?ek“ und „Tárcza-naptár“ polyglott. Auch Frommes Interesse für die Fotografie – er war Mitglied der Photographischen Gesellschaft in Wien – kam darin zum Ausdruck. Die Miniaturkalender enthielten jeweils eine Fotografie, beispielsweise eines Angehörigen des Herrscherhauses. Gleichfalls gediegen ausgestattet war Fromme’s Notiz-Kalender für die elegante Welt, dem am anderen Ende der Preisskala der billige Sechzehn-Kreuzer-Kalender gegenüberstand.

 

Kaiserl. u. köngl. Hofbuchdruckerei und Verlagshandlung Carl Fromme

Unter den übrigen Druckerzeugnissen der Firma Fromme befanden sich Werke in zahlreichen Sprachen, illustrierte Reisebeschreibungen, medizinische, technische und andere Fachwerke, forst- und landwirtschaftliche Lehrbücher, Fachzeitschriften, Kataloge, Preislisten und dergleichen. Für den Verlag Braumüller druckte Carl Fromme die Memoiren Metternichs. Fromme erhielt eine Reihe nationaler und internationaler Auszeichnungen für seine Arbeiten. Während der Wiener Weltausstellung 1873 zeigte er in der Rotunde eine große Auswahl seiner grafischen Produkte, wobei besonders die vielsprachigen Portmonnaie-Kalender Aufmerksamkeit erregten. Die Jury der Weltausstellung verlieh ihm für seine Buchdruckarbeiten die Medaille für guten Geschmack. Im selben Jahr wurde Fromme zum Ritter des Franz Joseph-Ordens ernannt, 1876 schließlich erhielt er den Hoftitel. Ab 1878 war Fromme Ehrenmitglied des Wiener Factoren-Vereins.

Nach dem Tod des Firmengründers wurde die Hofbuchdruckerei und Verlagshandlung zunächst vom Schwiegersohn Wilhelm Frick, später von Carls Sohn Otto und dem Schwiegersohn Carl Georg Fromme weitergeführt, die die Zusammenarbeit mit dem Jugendstilkünstler Koloman (Kolo) Moser pflegten und unter anderem die ersten Bände der „Deutsch-Österreichische Literaturgeschichte“ von Johann Willibald Nagl und Jakob Zeidler verlegten. Die Kalendervielfalt nahm noch zu: 1891 umfasste das Verlagsprogramm 120 verschiedene Sorten, von denen Dr. Joh. Nep. Vogl-Silberstein’s illustrierter Volkskalender mit 25.000 und Fromme’s Wiener Auskunfts-Kalender mit 20.000 Exemplaren die höchsten Auflagen erzielten. Mit dem Zusammenbruch der Monarchie gingen dem Kalenderverlag Absatzgebiete verloren und die Druckerei musste schließlich stillgelegt werden. Ein Gesellschafter des Verlags, Christoph Reisser jun., übernahm 1925 die Setzerei.

 

Literatur: Österreichische Buchdrucker-Zeitung 12, 1884, S. 367, 373ff. (mit Bild); Oesterreichische Buchhändler-Correspondenz 25, 1884, S. 431f.; K. F. Pfau, Biographisches Lexikon des deutschen Buchhandels der Gegenwart, 1890 (mit Bild); Kaiserl. u. königl. Hofbuchdruckerei und Verlagshandlung Carl Fromme […] ihren verehrlichen Geschäftsfreunden gewidmet, 1895; G. Fritz, Geschichte der Wiener Schriftgießereien …, 1924, S. 81; Tagebuch der Straße. Geschichte in Plakaten, 1981, S. 77; M. G. Hall, Österreichische Verlagsgeschichte 1918–1938, 1, 1985, S. 75ff.; A. Durstmüller, 500 Jahre Druck in Österreich 2, 1985, s. Reg.; I. Haslinger, Kunde: Kaiser, 1996, S. 34; E. Maier, Verborgene Persönlichkeit. Anton Bruckner in seinen privaten Aufzeichnungen 1–2, 2001; M. Koscher, „[...] noch hübscher ausgestattet wie der vorige. Über Kalender & Kalenderverlage im Wien des 19. Jahrhunderts“, phil. DA Wien, 2008, S. 83ff.

 

 

(Eva Offenthaler)


Für die großzügig erteilten Reproduktionsgenehmigungen danken wir der Wienbibliothek im Rathaus und der Österreichischen Nationalbibliothek.