In ihren Töpfen war Österreich: Katharina Prato

Generationen haben mit ihr kochen gelernt: „Die Süddeutsche Küche“ von Katharina Prato ist, was man zu Recht einen Klassiker der Kochbuchliteratur nennen kann. 1858 in Graz erstmals erschienen, war das Werk rasch vergriffen und erlebte im Verlauf der nächsten hundert Jahre respektable 80 Auflagen. Anlässlich ihres 200. Geburtstags im Februar 2018 erinnern wir an die Autorin, von der es hieß: „Hoch gelehrt war einstens Plato. Weiser aber war die Prato."

 

So bekannt die „Süddeutsche Küche“ noch heute ist, so wenig weiß man über die Vita ihrer Verfasserin. Ein paar dürftige Lebensdaten sind rasch aufgezählt: Katharina Johanna Alexandrina Polt kam am 26. Februar 1818 als Tochter des Privatiers Franz Polt und seiner Frau Katharina, geb. Mora, in Graz zur Welt und erhielt eine für „höhere Töchter“ angemessene Erziehung. Vergleichsweise spät heiratete sie 1857 den pensionierten k. k. Hauptmann Eduard Pratobevera, der krankheitshalber in den Ruhestand versetzt worden war und sich in der Folge als provisorischer Vorstand um das Archiv sowie das Münz- und Antikenkabinett des Grazer Joanneums verdient machte. Ihn soll ein schweres Magenleiden geplagt haben, das seine Frau nach immer neuen Rezepten suchen ließ und das deren späteres Lebenswerk beeinflusst haben mag. Als Eduard Pratobevera nach kaum einjähriger Ehe starb, vermählte sich Katharina mit dessen Jugendfreund, dem Grazer Postdirektor Josef Edler von Scheiger. Dieser war auch als Konservator für die k. k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale tätig. Katharina begleitete ihn auf seinen Dienstreisen – eine günstige Gelegenheit für die Rezeptsammlerin, Neues zu probieren und zu notieren.

„Die Prato“ entsteht

Auf Drängen von Freunden entschloss sie sich schließlich zur Herausgabe eines Kochbuchs. 1858 kam die erste Ausgabe des späteren Klassikers unter dem Pseudonym Prato im Verlag von A. Leykam’s Erben in Graz heraus. Der vollständige Titel lautete „Die süddeutsche Küche auf ihrem gegenwärtigen Standpunkte mit Berücksichtigung des jetzt so üblichen Thee’s  zum Gebrauche für Anfängerinen [!] sowie für praktische Köchinen [!]“. Das Buch erfüllte seinen Zweck offenkundig von Beginn an, denn in den kommenden Jahren erschienen in rascher Abfolge, nunmehr im Verlag von Aug. Hesse’s Buchhandlung, weitere Auflagen. „Die Süddeutsche Küche“ wurde bald um einen Anhang über das „moderne“ Servieren erweitert und war ab der 4. Auflage auch in elegant gebundener Form erhältlich. Mit der 20. Auflage übernahm schließlich die Verlagsbuchhandlung Styria das Kochbuch. Von ursprünglich 348 Seiten war das Werk kontinuierlich angewachsen und erreichte zu Lebzeiten der Autorin einen Umfang von 712 Seiten. Der Titel mag irreführen, berücksichtigt „die Prato“ doch nicht nur die süddeutsche, sondern im Grunde die mitteleuropäische Küche.

Hilfe zum Selbstunterricht

„Die Süddeutsche Küche“ richtete sich mit ihren gut verständlichen Anleitungen bewusst auch an Kochanfängerinnen, denn Katharina Prato war der Ansicht, dass gerade im Mittelstand immer mehr Hausfrauen selbst kochen müssten, statt dies wie in der Oberschicht einer Köchin überlassen zu können. Aufnahme in das Buch fand dabei nur, was zuvor erprobt worden war: „Von erfahrenen Hausfrauen und einem Zuckerbäcker durchgesehen und verbessert“, verspricht schon das Titelblatt der Erstauflage. In der Vorrede finden sich die eindringlichen Worte, man könne Mädchen nicht genug empfehlen, das Kochen mit Ernst zu erlernen und mit Liebe zu betreiben, denn es habe oft „den entschiedensten Einfluß auf ihr ferneres Lebensglück und Schicksal“.

Kuheuter und Zebratorte

Viele Speisen aus der „Prato“ sind längst zu Küchenklassikern geworden, andere sind Zeugen einer vergangenen Esskultur und verleiten nicht mehr zum Nachkochen – sei es wegen ihrer Zutaten, ihrer Opulenz, möglicher nachteiliger Gesundheitsfolgen oder schlicht wegen des zu veranschlagenden Zeitaufwands (Stichwort „Geduld-Biscuiten“). So wurde schon einmal eine Stunde lang „mit einem kleinen Silber- oder Kochlöffel“ gerührt, um das zum Verzieren von Backwerk gewünschte „Eis“ aus Zucker und Eiklar herzustellen.

Viele Zutaten sind überdies aus heutigen Küchen längst verschwunden, wie der als Gemüse verwendete Bocksbart oder alte Obstsorten – von Krammetvögeln, Reihern und Fischottern ganz zu schweigen. Was zu Katharina Pratos Zeiten noch selbstverständlich verwertet wurde („Gebackene gefüllte Ohren“, „Kalbskopf mit Krän“, „Kuh-Euter“ etc.), wandert heute eher in den Abfall als in den Kochtopf.

Die wegen ihres Stils als schriftstellernde Köchin gerühmte Prato streute in ihr Buch auch Zitate ein, wo es der Veranschaulichung diente. Sehr bildhaft heißt es etwa zur Bereitung von Grünem Salat: „Ein Weiser soll das Salz, ein Verschwender das Oel, ein Geiziger den Essig geben, und ein Narr ihn tüchtig mischen.“

Autorität in Hauswirtschaftsfragen

Neben der „Süddeutschen Küche“ schrieb Katharina Prato auch ein „Kochbuch für Officiers-Menagen“ (1866). Diese Spezialausgabe für Offiziere der k. u. k. Armee ist heute eine ausgesprochene Rarität. 1873 folgte „Die Haushaltungskunde. Ein Leitfaden für Frauen und Mädchen aller Stände“, der alle nötigen Kenntnisse rund um Heim und Garten vermittelte, wie den Umgang mit Dienstleuten, Kinder- und Krankenpflege, den Anbau von Nutz-, Zier- und Heilpflanzen bis hin zur Haustierhaltung. „Die Haushaltungskunde“ wurde ebenfalls mehrfach aufgelegt.

1892 brachte Styria in Graz die „Süddeutsche Küche“ in einer italienischen Übersetzung heraus. Der „Manuale di Cucina di Caterina Prato“ richtete sich laut Verlagsankündigung in erster Linie an deutsche Familien, die in italienischen Gebieten lebten und italienisches Dienstpersonal hielten, sowie an italienische Hotels.

Als in der österreichischen Reichshälfte 1871 das metrische System eingeführt wurde, berücksichtigte Katharina Prato die Neuerungen nicht nur in ihrem Kochbuch, sondern hielt im Steiermärkischen Gewerbeverein 1874 einen öffentlichen Vortrag über das metrische Maß und Gewicht und deren praktische Anwendung speziell für Hausfrauen und Dienstbotinnen. Zu diesem Thema verfasste sie auch eine Broschüre für ihren Verlag. Ihre Autorität auf hauswirtschaftlichem Gebiet zeigte sich nicht zuletzt darin, dass der Gewerbeverein sie etwa um ein Gutachten über einen 1875 erfundenen Petroleum-Kochofen bat.

Neben ihrer fachschriftstellerischen Tätigkeit zeigte die „Edle von Scheiger“, wie sie nach der Nobilitierung ihres Mannes hieß, auch auf sozialem Gebiet Einsatz. Sie befand sich unter den Gründerinnen der Grazer Volksküche und der Mädchenarbeitsschule des Grazer Gewerbevereins, zudem war sie Ökonomin des Frauenheims in Graz für erwerbsunfähige, alleinstehende Witwen.

Späte Ehrung

Als Katharina Edle von Scheiger am 23. September 1897 im achzigsten Lebensjahr in Graz starb, hatte sie nur noch die erste einer Reihe von Medaillen erlebt, mit denen „Die Süddeutsche Küche“ prämiert wurde. 1898 trug das Buch dem Verlag Styria das Ehrendiplom auf der II. Internationalen Kochkunst-Ausstellung in Wien sowie die Goldene Medaille der Internationalen Ausstellung in Triest ein. Weitere Auszeichnungen folgten.

Kurz nach dem Tod der Autorin erschien die 26. Auflage ihres Klassikers, zwei Jahre später waren bereits 200.000 Exemplare des Longsellers im Umlauf. Als Christoph Wagner das Werk 2006 unter dem Titel „Prato. Die gute alte Küche“ neu herausgab, hatte das Kochbuch nach Verlagsschätzungen bereits eine Weltauflage von etwa einer Million erreicht.

Katharina Pratos kulinarisches Erbe wurde von ihrer Enkelin Viktorine Leitmaier fortgeführt. Diese brachte 1931 „Die kleine Prato“ heraus, eine der wirtschaftlichen Lage angepasste Ausgabe mit Rezepten, die selbst „im bescheidensten Haushalt“ Verwendung finden konnten. 1934 folgte der „Prato Küchendienst“, ein auf den 4.000 Originalrezepten basierender „Speiseberater für jeden Tag des Jahres“, der größtmögliche Abwechslung auf den Tisch bringen sollte.

Man nehme …

Dass auch die klassische Formulierung „Man nehme …“ von Katharina Prato stamme, ist allerdings eine Legende. Sie hat diese Wendung ebenso wenig benutzt wie ihre berühmte norddeutsche Kollegin Henriette Davidis, der die Urheberschaft gleichfalls zugeschrieben wird. Paradoxerweise ist der als klassisch empfundene „Kochbuchkonjunktiv“ in Rezepten überhaupt nur sehr selten anzutreffen.

 


 

Literatur: Grazer Volksblatt, Grazer Tagblatt, Neues Wiener Journal, 25. 9. 1897; Wiener Landwirtschaftliche Zeitung, 2. 10. 1897; Neuigkeits-Welt-Blatt, 27. 10. 1897; ÖBL; Lexikon deutscher Frauen der Feder, ed. S. Pataky, 2, 1898, S. 287f.; E. Thümmel, Von Kuheutern, Wildschweinsköpfen und Kalbsohren, in: Über den Dächern von Graz ist Liesl wahrhaftig. Eine Stadtgeschichte der Grazer Frauen, ed. C. Unterholzer – I. Wieser, 1996, S. 54ff.; Ch. Wagner, Prato – oder die weibliche Grundvernunft in der Küche. Vorwort zu: Prato. Die gute alte Küche, 2006, S. 7ff.; E. Donalies, Man nehme … Verbformen in Kochrezepten oder Warum das Prototypische nicht immer das Typische ist, in: Sprachreport 28, 2012, S. 25ff.; R. Trefzer, Das kulinarische Erbe der Donaumonarchie – Katharina Prato, in: Wie schmeckt Europa, ed. N. Schreiber – L. Wieser, 2009, S. 157ff.; Pfarre Graz-Graben, Stmk.

(Eva Offenthaler)

 

Zum Nachlesen und Nachkochen:
Digitalisat der Erstausgabe der „Süddeutschen Küche“

Wir danken dem Kulturamt der Stadt Graz für die kostenlose Wiedergabeerlaubnis des Porträts von Katharina Prato sowie der Antiquarischen Fundgrube in Wien, in deren Fundus wir stöbern und fotografieren durften.