Der passionierte Lehrer, Gewerkschafter und Schulbuchautor setzte sich für Neuerungen im Biologieunterricht ein und fand auch international Anerkennung als Botaniker und Spezialist für Läusekräuter.
Josef Stadlmann erblickte am 18. November 1881 in Urfahr bei Linz als Sohn des Gendarmeriewachtmeisters und späteren Kanzleioberoffizials Josef Stadlmann und seiner Frau Karoline, geb. Berlinger, das Licht der Welt. Er wurde im römisch-katholischen Glauben erzogen und wuchs zunächst in Urfahr auf. Aufgrund einer beruflichen Versetzung seines Vaters lebte die Familie eine Zeitlang im salzburgischen Thalgau.
Stadlmann, der aus einer kinderreichen, einkommensschwachen Familie stammte, wurde schon mit elf Jahren aus der Schule genommen, um 1892–94 in der Kanzlei einer Thalgauer Maschinenfabrik zu arbeiten, wo er tagtäglich mit den sozialen und finanziellen Problemen seiner Mitmenschen konfrontiert wurde. Vermutlich erwarb er sich bereits damals seine hohe soziale Kompetenz, die ihm später als Lehrer und Erzieher sowie als Gewerkschafter zugutekam.
Erst mit Verspätung konnte Stadlmann seinen Bildungsweg fortsetzen. Die botanische Neigung förderte sein Gymnasiallehrer Josef Murr, eigentlich ein Philologe, der damals jedoch durch botanische Arbeiten über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt war.
Nach der mit Auszeichnung bestandenen Reifeprüfung studierte Stadlmann ab 1902 Naturwissenschaften mit dem Schwerpunkt Botanik und Geologie an der Universität Wien. Zu seinen Lehrern zählten namhafte Persönlichkeiten wie Richard Ritter Wettstein von Westersheim, Friedrich Becke, Franz Exner, Karl Grobben, Berthold Hatschek, August von Hayek, Adolf Lieben, Viktor Uhlig und Julius Ritter von Wiesner.
Stadlmann musste sein Studium als Werkstudent finanzieren. Er war zwei Jahre als Erzieher im Haus von (Eduard) Alois Fürst Schönburg-Hartenstein tätig. 1905 fungierte er als Exkursionsleiter beim II. Internationalen Botaniker-Kongress in Wien und arbeitete darüber hinaus im Dienst des Vereins zur wissenschaftlichen Erforschung der Adria. Dazwischen unternahm er immer wieder botanische Sammelreisen auf den Balkan. Weiters hielt er volkstümliche Universitätskurse zur Bestimmung tropischer Pflanzen im Wiener Volksbildungsverein ab, was ihm bereits in jungen Jahren Gelegenheit bot, Erfahrungen als Lehrer zu sammeln.
1905 absolvierte Stadlmann einen Kurs an der Zoologischen Station in Triest und erweiterte seine Kenntnisse über Meeresalgen. 1906 wurde er Assistent bei Erich Tschermak-Seysenegg an der Lehrkanzel für Pflanzenzüchtung an der Hochschule für Bodenkultur in Wien. Daneben verfasste er unter seinem Doktorvater Wettstein eine Dissertation über „Pedicularis tanacetifolia Bunge und die mit ihr nächstverwandten Arten“. 1907 wurde er mit Auszeichnung zum Dr. phil. promoviert.
Die sehr artenreiche Gattung Pedicularis, Läusekraut, gehört zur Familie der Sommerwurzgewächse (Orobanchaceae) und umfasst rund 600 Arten, die auf der Nordhalbkugel vorkommen, davon etwa die Hälfte ausschließlich in China. Diese Pflanzengattung begleitete Stadlmann sein gesamtes wissenschaftliches Leben, und er gilt noch heute als einer der Pedicularis-Spezialisten Österreichs. Nicht nur, dass er einzelne Arten beschrieb, darunter ein Läusekraut aus Osteuropa (Pedicularis moesiaca) sowie eines aus Zentralasien (Pedicularis alatauica), wurden seine diesbezüglichen Forschungsarbeiten schließlich mit der Benennung einer einzig in Zentralchina vorkommenden Art international gewürdigt: Pedicularis stadlmanniana. Darüber hinaus beschrieb er auch andere Pflanzenarten aus Südeuropa wie ein Hornkraut (Cerastium beckianum), ein Hellerkraut (Thlaspi vitorogense) und einen Bocksdorn aus der Türkei (Astragalus zederbaueri). Zu seinen weiteren Publikationen zählt das Schulbuch „Allgemeine Lebenslehre (Biologie) … für die V. Klasse der Mädchenlyceen‘, das in zwei Auflagen (1914 und 1919) erschien. 1939 arbeitete er am „Pflanzengeographischen Hilfsbuch“ von August Ginzberger mit. Als Mitarbeiter der „Reichspost“ verfasste er Kommentare (z. B. „Wildgemüse im Frühjahr“, 17. 4. 1917) und Buchbesprechungen. Ein besonderes Bedürfnis war ihm die Laudatio für seinen Kollegen „Professor Dr. Paul Pfurtscheller. Zum 70. Geburtstag des österreichischen Gelehrten“ (Reichspost, 20. 11. 1925).
Nach bestandenen Lehramtsprüfungen aus Naturgeschichte, Physik und Mathematik und einem Semester als Probelehrer am Wiener Maximilians-Gymnasium wirkte er zunächst als Supplent, im Schuljahr 1908/09 als provisorischer Professor und Biologiekustos. Er setzte sich umgehend beim Ministerium für Kultus und Unterricht für eine Erhöhung der Anzahl der Biologiestunden ein. Mit seiner 1910 erfolgten Ernennung zum wirklichen Professor am Staatsgymnasium Fichtnergasse in Wien 13 gab er seine wissenschaftliche Karriere auf. Die Vermittlung von Bildung wurde zu seinem Lebensinhalt. Anlässlich des Deutschen Naturforscher- und Ärztetags in Wien 1912 berichtete er über naturwissenschaftlich Übungen (Biologische Übungen), die er an seiner Schule an Nachmittagen und Sonntagen etabliert hatte. Inspiriert dazu hatte ihn vermutlich Paul Pfurtscheller, der bereits etwa 15 Jahre zuvor derartige Kurse am Franz-Joseph-Gymnasium eingeführt hatte.
1925 erkrankte Stadlmann schwer und musste einige Monate vom Dienst freigestellt werden. Ab 1932 wirkte er als Direktor des Gymnasiums in der Fichtnergasse und machte sich durch seinen Einsatz für den Ausbau des Schulgebäudes, dessen Sportstätten und Kustodiate verdient. Aufgrund seiner umgänglichen und hilfsbereiten Art war er im Kollegium und bei den SchülerInnen, dazu zählten die späteren Botaniker Karl Höfler, Lothar Geitler und Elise Hofmann, sehr beliebt.
Stadlmann, der streng katholisch war und politisch den Christlichsozialen nahestand, wurde unmittelbar nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Österreich unter Mithilfe einiger der Hitlerjugend angehörender Schüler seines Direktorenamts enthoben. Er wurde zunächst in Schutzhaft genommen und dann mit gekürzten Bezügen in den Ruhestand versetzt. In den folgenden Jahren arbeitete er als Schädlingsbekämpfer bei der Firma Prasch. Im November 1945 wurde er reaktiviert bzw. rehabilitiert und erhielt seinen Direktorsposten zurück, den er bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand im Dezember 1949 bekleidete.
Daneben arbeitete er in der Lehrbuch- sowie der Lehrplankommission des Unterrichtsministeriums, in der er 1928 und 1934 maßgeblich an der Erstellung der neuen Biologielehrpläne beteiligt war. Weiters referierte Stadlmann 1933–35 in Radiosendungen zu pädagogischen und biologischen Themen. Unter anderem berichtete er über „Die Pflanzenwelt Österreichs“ (Radio Wien, 17. 5. 1934).
Verdienstvoll war auch sein Einsatz im Rahmen des „Vereins der Freunde des Hietzinger Gymnasiums“, in dem er ab Dezember 1911 vielfältig tätig war: Unter anderem betreute er jahrelang die „Weihnachtsbescherung“. Diese Aktion stellte Schuhe, Anzüge und Wintermäntel als Unterstützung für bedürftige Familien zur Verfügung. Ab 1920 kümmerte er sich um die Verteilung von Lebensmitteln.
Sein großes Anliegen jedoch waren Erziehung und Bildung der Jugend über den eigentlichen Schulunterricht hinaus. So organisierte er einen Ferienhort für Gymnasiasten, der nicht nur der Erholung diente, sondern auch eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung bot. Die in den 1930er-Jahren finanzierte Schülerleihbibliothek ging ebenso auf Stadlmanns Engagement zurück. In den besten Zeiten konnten bis zu 75 Prozent aller Kinder mit Schulbüchern versorgt werden.
Im April 1932 wurde er zum zweiten Obmann-Stellvertreter, in den Jahren nach 1945 zum Obmann des „Vereins der Freunde des Hietzinger Gymnasiums“ gewählt. Anlässlich seines 80. Geburtstags 1962 ernannte ihn der Verein zum Ehrenvorsitzenden und stiftete einen „Hofrat-Dr.-Josef-Stadlmann-Fonds“ zur Unterstützung von sozial schwächer gestellten Schülern. Dieser existiert zwar heute nicht mehr, war aber Vorbild für eine allgemeine finanzielle Fördertätigkeit.
Stadlmann und vor allem seine 1910 geehelichte Frau Camilla, geb. Faltis (1884–1954), waren in der Pfarre Ober St. Veit in Wien 13 karitativ tätig. Im Katholischen Volksbund und in der Leo-Gesellschaft fest verankert, gründete er mit Robert Krasser 1920 die Vereinigung christlich-deutscher Mittelschullehrer Österreichs, die die dienst- und besoldungsrechtlichen Interessen der Mittelschullehrer in der Gewerkschaft vertrat. 1923 wurde er zum Obmann gewählt und behielt dieses Amt bis 1950 mit einer Unterbrechung von 1938 bis 1946. Nach 1950 war er Ehrenobmann.
Im April 1945 wurde er zum Konsultor der Wiener Katholischen Akademie ernannt. 1950 erhielt Stadlmann, ab 1935 Hofrat, in Würdigung seiner Verdienste um das katholische Leben in Österreich das (weltliche) Ritterkreuz des Ordens des heiligen Gregor des Großen. Mit Ludwig Hänsel gab er 1954 das Sammelwerk „Christentum und Moderne Geisteshaltung: Versuche, Studien und Übersichten“ heraus.
Stadlmann verstarb am 8. August 1964 in Wien. Sein Grab auf dem Friedhof Hietzing wurde 2012 aufgelassen.
Weitere W. (siehe auch Speta): Über einige Mißbildungen an Blüten der Gattung Pedicularis, in: Österreichische Botanische Zeitschrift 56, 1906; Ein Beitrag zur Kenntnis der Gattung Pedicularis L., in: Zehnter Jahresbericht des k. k. Staats-Gymnasiums im XIII. Bezirke in Wien … 1909/10, 1910; Der Weltkrieg und die Naturwissenschaften, in: Zeitschrift für das Realschulwesen 41, 1916, 42, 1917.
L.: K. Pichl, Hofrat Direktor Dr. Josef Stadlmann - 75 Jahre, in: Religion, Wissenschaft, Kultur 7, 1956, S. 202f.; O. Wittmann, Botanische Abhandlungen in den Mittelschulprogrammen und ihre Verfasser. Ein Beitrag zur Geschichte der Botanik in Österreich, Diss. Wien, 1957, S. 361aff.; H. Engelbrecht, Christlicher Lehrer in moderner Zeit …, 1970, S. 25; F. Speta, Biographisches und Botanisches zu zwei oberösterreichischen Pedicularis-Forschern: Hans Steininger (1856–1891) und Josef Stadlmann (1881–1964), in: Phyton 46, 2007, S. 295ff. (mit Werken); Wien Geschichte Wiki (Zugriff 15. 7. 2022); Allgemeines Verwaltungsarchiv, Pfarre Ober St. Veit, Universitätsarchiv, alle Wien; Pfarre Wr. Neustadt-Neukloster, Niederösterreich; Linz – Stadtpfarre Urfahr, Oberösterreich.
(Kurt Chytil)
Wir danken für die kostenlose Bereitstellung von Bildmaterial dem Archiv der Universität Wien sowie dem Direktor des Gymnasiums Fichtnergasse Mag. Albrecht Bauer.