Albine Pecha – die letzte Pesttote von Wien

Nachdem im Herbst 1896 in Indien eine Pestepidemie ausgebrochen war, sandte die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien  von Anfang Februar bis Anfang Mai 1897 ein Forscherteam nach Bombay (heute Mumbai), um genauere Erkenntnisse über die Ursache, Ausbreitung und Behandlung der Pest, aber auch über eine mögliche Immunisierung zu gewinnen. Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, dass diese Expedition drei Pesttote in Wien, darunter die junge Krankenpflegerin Albine Pecha, fordern sollte. Ihr Todestag jährt sich im Oktober zum 125. Mal.

Vom Stubenmädchen zur Krankenpflegerin wider Willen

Albine (Albertine) Pecha wurde am 4. Mai 1877 in Budweis in die kinderreiche Familie des Eisenbahnbediensteten und Kanzleidieners Johann Pecha und seiner Ehefrau Maria geboren. 1896 kam sie nach Wien, um im Hôtel du Nord in der damaligen Kaiser-Joseph-Straße in Wien-Leopoldstadt als Stubenmädchen zu arbeiten. Dort verliebte sich ein wohlhabender älterer Mann in sie und machte ihr ein Heiratsangebot, das Albine ablehnte. Weil aber die Nachstellungen des Herrn nicht aufhörten, wechselte sie in eines der führenden Hotels im böhmischen Karlsbad. Dort hatte sie das Zimmer eines reichen, jedoch gesundheitlich beeinträchtigten Iren zu reinigen. Dieser war offensichtlich von ihr sehr angetan und bot ihr eine vertraglich geregelte Stelle als Gesellschafterin und Pflegerin in seiner Heimat an. Das junge Mädchen willigte ein und übersiedelte mit ihrem Auftraggeber nach Belfast.

Da Pecha jedoch über keine Kenntnisse in der Krankenpflege verfügte, sollte sie noch eine dementsprechende Ausbildung absolvieren. So kam sie 1898 erneut nach Wien, wo sie bei ihrem Onkel mütterlicherseits, dem Postunterbeamten Mathias Baclik, wohnte. Pecha bewarb sich um eine Stelle als Krankenwärterin im Rudolfinerhaus, einer der führenden Pflegeausbildungsstätten, wurde dort aber aufgrund ihrer Jugend von der Oberin der Krankenpflegerinnen abgewiesen. Daraufhin versuchte sie ihr Glück im Allgemeinen Krankenhaus und konnte nach einer gewissen Wartezeit im Spätsommer 1898 als Aushilfswärterin beginnen. Als Springerin war sie keiner fixen Abteilung zugewiesen, sondern wurde dort eingesetzt, wo man gerade Personal benötigte. So zog man sie etwa an der chirurgischen Abteilung zur Pflege eines Medizinstudenten heran, der sich beim Sezieren in den Finger geschnitten und dadurch mit Leichengift infiziert hatte. Der Patient wurde gemeinsam mit Pecha in einem Isolierzimmer eingeschlossen und verstarb letztlich an einer Blutvergiftung – für Pecha, die zwar unfreiwillig in die Ausbildung zur Krankenpflegerin hineingestoßen worden war, dann aber doch eine gewisse Empathie für leidende Menschen entwickelte, ein deprimierendes Ereignis. Der Abschluss ihrer Ausbildung und die Rückkehr nach Irland waren für Anfang November 1898 geplant, jedoch sollte es anders kommen.

Mit der Pest infiziert

Nachdem das von der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften aufgestellte Forscherteam, bestehend aus den Ärzten Heinrich Albrecht, Hermann Franz Müller und Anton Ghon, Rudolf Pöch als ärztliche Hilfskraft und Fotograf sowie dem Prosekturdiener des Kaiserin-Elisabeth-Spitals Mathias Stöbich, aus Bombay zurückgekehrt war, wurden die Untersuchungen zur Pest anhand des mitgebrachten Materials in der Prosektur des Allgemeinen Krankenhauses in Wien weitergeführt. Im sogenannten Pestzimmer experimentierte man mit lebenden Bakterienstämmen und infizierten Tieren. Von August 1897 bis Oktober 1898 erfolgten Untersuchungen zur Morphologie, zum Verhalten und zum Überleben der Pestbakterien, wobei über 750 Tierversuche an diversen Nage- und Säugetieren, aber auch an Vögeln, Reptilien und Amphibien durchgeführt wurden. Da Albrecht, Ghon und Müller, aber auch Pöch wieder an ihre angestammten Dienststellen zurückkehren mussten und nur nebenbei an der Pest weiterforschen konnten, wurde ihnen für ihre Studien der Laboratoriumsdiener Franz Barisch zur Verfügung gestellt. Dieser kam aus dem bakteriologischen Labor des Pathologisch-anatomischen Instituts und war mit den Gefahren solcher Arbeiten eigentlich bestens vertraut. Dennoch infizierte er sich während der Experimente im Oktober 1898 aus Unachtsamkeit mit dem Pesterreger – böse Zungen behaupteten, er wäre einem guten Tropfen Alkohol nicht abgeneigt und dann höchst unachtsam gewesen. Zunächst glaubten die behandelnden Ärzte Ghon und Müller an einen grippalen Infekt oder eine Lungenentzündung, dennoch brachte man Barisch auf eine Isolierstation im Allgemeinen Krankenhaus, wo er am 19. Oktober 1898 an einer pulmonalen Infektion verstarb. Im mikroskopischen Befund wurden Pesterreger nachgewiesen.

Albine Pecha, die eigentlich nach dem Tod des ihr anvertrauten Studenten ihre Ausbildung schon abbrechen wollte, war mit der Pflege von Barisch beauftragt worden. Zwei Tage nach dessen Tod begann auch sie hoch zu fiebern. Gemeinsam mit Barischs zweiter Pflegerin Johanna Hochegger (Hochecker) und Müller, der ebenfalls Krankheitssymptome zeigte, kam sie unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen in ein Isolierzimmer im damaligen Kaiser-Franz-Josef-Spital. Rund um die sogenannte Exspektanzbaracke wurde das Areal abgesperrt und ständig bewacht, Gespräche durften ausnahmslos nur durch die Fenster geführt werden, und die Übergabe der Nahrung erfolgte ohne Patientenkontakt. Zunächst wurden die Patientinnen noch von Müller selbst behandelt, nachdem dieser jedoch zu schwach geworden war, übernahm Pöch die Betreuung. Aus dem Pasteur-Institut in Paris ließ man ein Pestserum anliefern, mit dem man Pecha zu therapieren versuchte. Zusätzlich sollten Kampfer-Injektionen und Sauerstoff-Inhalationen die Symptome lindern. Jedoch vergeblich, Pecha verstarb am 30. Oktober 1898 an den Folgen der Lungenpest. Auch für Müller kam jede Hilfe zu spät, er war bereits am 23. Oktober seiner Krankheit erlegen, nur Hochegger überlebte. Pecha wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof bestattet. Ihr Grab wurde mit Beschluss des Stadtrats vom 9. November 1898 ehrenhalber auf Friedhofsdauer gewidmet.

Die Laboratoriumspest hatte also nach dem Erlöschen der Pest 1713 in Wien neuerlich drei Opfer gefordert. Die Forschungen wurden sofort eingestellt, die Versuchstiere getötet, die Gerätschaften verbrannt und das Arbeitszimmer mehrfach desinfiziert. Als Folge wurde ein permanentes Pestkomitee aus Vertretern der Sanitätsdepartments des Ministeriums des Innern, des niederösterreichischen Landesausschusses, der Statthalterei, des Wiener Magistrats und der Polizeidirektion im Rathaus eingerichtet, und dieses traf sofortige Verfügungen, die unter anderem die Errichtung von Epidemiespitälern, das Sperren der Ambulatorien im Allgemeinen Krankenhaus und das Aufschieben aller nicht lebensnotwendigen Operationen und Untersuchungen in den Krankenhäusern vorsah, um die Ausbreitung der Pest zu verhindern. All jene Personen, die die Pestkranken betreut und gepflegt hatten, wie etwa Pöch sowie Ordensschwestern im Kaiser-Franz-Josef-Spital, wurden noch eine Zeitlang unter Quarantäne gestellt, um sicher zu gehen, dass keine weiteren Krankheitsfälle auftraten.

Fake News

Und wie man es auch zu Zeiten von Corona kennengelernt hatte, verbreiteten sich rasch Fake News, etwa, dass sich Pecha, bereits erkrankt, im Allgemeinen Krankenhaus frei bewegt hätte, dass der pestinfizierte Barisch tagelang mit Ärzten, Studenten und Besuchern in Kontakt gewesen wäre, seine Frau erst viel zu spät unter Quarantäne gestellt worden sei und dass infizierte Ratten aus dem Versuchslabor entkommen seien und nun in den Kanälen des Allgemeinen Krankenhauses ihr Unwesen trieben. Dort wurden angeblich auch die Gedärme von Barisch entsorgt. Darüber hinaus war die Befürchtung groß, dass Pecha ihre drei in Wien lebenden Schwestern angesteckt haben könnte. Auch wenn sich all diese Aussagen als Zeitungsenten erwiesen, reagierte Wiens Bürgermeister Karl Lueger und ließ die Kanäle mit dem Wasser der I. Hochquellenleitung durchspülen.


Literatur: Die Pest-Erkrankungen. Albine Pecha, in: Neue Freie Presse, 30. 10. 1898, S. 6f.; Die Pest-Erkrankungen. Tod der Albine Pecha, in: Neue Freie Presse, 31. 10. 1898, S. 2; Vom Tage. Albertine Pecha gestorben, in: Wiener Montags-Journal 17, 1898, Nr. 875, S. 3; Heinz Flamm, Die österreichische Pestkommission in Bombay 1897 und die letzten Pest-Todesfälle in Wien 1898, in: Wiener Medizinische Wochenschrift 168, 2018, S. 375ff.; Daniela Angetter-Pfeiffer, Pandemie sei Dank, 2021, S. 40ff.; data.matricula-online.eu/de/oesterreich/wien/10-st-johann-evangelist/03-10/; Wien Geschichte Wiki (Zugriff 29. 8. 2023).

(Daniela Angetter)

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