Umstritten progressiv: Gerda Matejka-Felden

Vor 75 Jahren erhielt Gerda Matejka-Felden als erste Frau eine Professur an der Akademie der bildenden Künste Wien. Sie führte neue Methoden im Kunstlehrbetrieb ein und leistete Bahnbrechendes auf dem Gebiet der Volksbildung.

Familie und Ausbildung

Gerda Matejka-Felden wurde am 29. April 1901 in Dehlingen im Elsass als Tochter des Pastors Emil Felden und dessen Frau Marie, die dem preußischen Landadel entstammte, geboren. Als Kind übersiedelte sie mit der Familie nach Bremen, wo ihr Vater eine Pastorenstelle übernahm. Später gehörte er als sozialdemokratischer Abgeordneter dem Reichstag an, was ihm den Beinamen „Der rote Pastor“ einbrachte.

Gerda Felden besuchte ab 1908 die höhere Töchterschule in Bremen, als Elfjährige erhielt sie privaten Zeichenunterricht bei dem Worpsweder Maler Fritz Cobet. 1914/15 bis 1918/19 studierte sie an der Kunstgewerbeschule Bremen, erlangte 1918 ein Stipendium des Bremer Senats für die Malerschule Worpswede und setzte 1920 bis 1924 ihre Ausbildung an der Akademie der Graphischen Künste in Leipzig (Malerei, Grafik und Illustration) fort. 1924 übersiedelte sie nach Wien und arbeitete als Malerin und Illustratorin, etwa für den Ullstein-Verlag, wo sie die künstlerische Leitung übernahm. Über ihre in dieser Zeit geschlossene Ehe mit dem Buchhändler, Lektor und Schriftsteller Karl Ludwig Kossak alias Kossak-Raytenau bewahrte sie zeit ihres Lebens Stillschweigen.

Der Weg zur Volksbildnerin

1932 heiratete sie in zweiter Ehe den überzeugten Linkskatholiken und Antifaschisten Viktor Matejka (1901–1993), der zu dieser Zeit bereits Direktor des Wiener Volksheims war und dessen Begeisterung für die Volksbildung sie teilte. Schon im Jahr der Heirat gab Matejka-Felden Mal- und Zeichenkurse an der Volkshochschule (VHS) Leopoldstadt, ab 1934 an den VHS Ottakring und Margareten sowie an der VHS Wiener Urania, wobei sie auch Kurse speziell für Arbeitslose einführte. Das Kursangebot war dabei nicht auf Wien beschränkt, auch in Mödling und Krems wurden Arbeitsgemeinschaften und Fachgruppen eingerichtet. Im Volksheim Ottakring gründete sie 1935 eine Fachgruppe für Zeichnen und Malen. Aus diesen Aktivitäten resultierte Mitte der 1930er-Jahre eine rege Ausstellungstätigkeit, etwa im Volksheim, bei den Bergfreunden und 1936 im Messepalast. Die Qualität der ausgestellten Arbeiten der Volkshochschülerinnen und -schüler rief die Berufsvereinigung bildender Künstler auf den Plan, die sich durch dieses „künstlerische Proletariat“ bedroht sah und sich sogar an Kanzler Kurt Schuschnigg wandte. Dieser stand allerdings dem Projekt durchaus positiv gegenüber.

Mit dem „Anschluss“ Österreichs 1938 wurde Matejka-Felden mit einem Berufsverbot auf allen Gebieten der bildenden Kunst sowie des Kunsthandwerks belegt; fast alle ihre Bilder wurden von der Gestapo beschlagnahmt. Viktor Matejka wurde mit dem „Prominententransport“ am 1. April 1938 nach Dachau deportiert. In den folgenden Jahren versuchte Matejka-Felden wiederholt, für die Freilassung ihres Mannes zu intervenieren, aber ohne Erfolg. 1944 kam Viktor Matejka aus der Haft und konnte mittels vertauschter Röntgenbilder die ausstehende Musterung hinauszögern, eine Erkrankung verhinderte dann, dass er an die Front geschickt wurde. 1945 wurde er als Vertreter der Kommunistischen Partei Österreichs Stadtrat für Kultur und Volksbildung in Wien. Die Ehe mit Viktor Matejka wurde zwar im Mai 1948 geschieden, eine enge Verbindung blieb jedoch weiterhin bestehen.

Akademische Kunst versus Volksbildung

Im Sommer 1945 erhielt Matejka-Felden einen Lehrauftrag an der Akademie der bildenden Künste Wien, an der Meisterschule für Kunsterziehung (dem heutigen Institut für das künstlerische Lehramt). Als weitere Aufgabe wurde ihr die Abhaltung eines zweisemestrigen Kurses zur Vorbereitung von „talentierten jungen Malern“ für die Aufnahmeprüfung an die Akademie übertragen. Ob bei ihrer Bestellung politischer Druck ausgeübt worden war und im Gegenzug Nachsicht in den laufenden Entnazifizierungsverfahren der Akademieangehörigen unter Rektor Prof. Herbert Boeckl geübt wurde, ist ungeklärt. 1946 übernahm Matejka-Felden die Leitung der Meisterschule für Kunsterziehung und sorgte dort auch für das allgemeine Wohlergehen ihrer Studierenden, indem sie etwa Lebensmittel und Bekleidung organisierte.

Parallel zu ihrer Tätigkeit an der Meisterschule war sie weiterhin in der Volksbildung aktiv: Im Wintersemester 1946/47 gründete sie zusammen mit Leopold Langhammer, Referent für Volksbildung, und Karl Lugmayer, Unterstaatssekretär im Staatsamt für Volksaufklärung, den Verein „Künstlerische Volkshochschule“ mit Sitz im Souterrain des Akademiegebäudes am Schillerplatz. Unterrichtet wurden Aktstudium, Kopf- und Landschaftsstudien sowie Stillleben. Samstags gab es einen frei zugänglichen Abendakt, sonntags Zeichnen und Malen der menschlichen Figur, darüber hinaus Modellieren und Bühnenbild (für Laienspiele), aber auch Kinder- und Kosmetikkurse, Kurse in Handarbeiten und sogar eine Mannequinschule, brieflicher Fernunterricht wurde ebenfalls angeboten.

Die Künstlerische Volkshochschule stand in ihrem Ziel, Kunst und Kunstschaffen allgemein zugänglich zu machen und nicht mehr Angelegenheit der Eliten sein zu lassen, im Gegensatz zu den akademischen Ansprüchen. Matejka-Felden sah sich immer eher als Pädagogin denn als Künstlerin, sie vertrat die Meinung, dass jeder Mensch seine Begabung entfalten könne.

Die Volkshochschulkurse hatten einen überwältigenden Erfolg, zeitweise umfasste das Angebot über hundert Kurse. Die Werke wurden auf zahlreichen Ausstellungen präsentiert: in den Volksbildungsheimen, 1951 im Messepalast unter dem Motto „Gestalten und Erkennen“, 1952 im Palais Liechtenstein und im selben Jahr in Marl-Recklinghausen bei Essen. Bis 1977 wurden über 400 Ausstellungen in Österreich und über 300 im Ausland veranstaltet, 1960 sogar eine in den USA.

1954 gründete Matejka-Felden die Kunstschule Wien, die zunächst als Privatschule geführt wurde und 1965 das Öffentlichkeitsrecht erlangte. Ziel war nicht, Berufskünstler auszubilden, sondern bereits Berufstätigen die Möglichkeit zu bieten, sich in Kunst oder Kunsthandwerk zu versuchen.

Die Unterbringung dieser beiden Institutionen im Akademiegebäude führte häufig zu Verwechslungen und – vor allem hinsichtlich der Raumfrage – zu Konflikten, die erst 1963 mit dem Umzug in die Lazarettgasse im 9. Bezirk ein Ende fanden. Von hier aus wurde in den 1960ern das Angebot der Künstlerischen Volkshochschule ausgeweitet: Ein Klub für Pensionierte widmete sich dieser Zielgruppe, als weitere Aufgaben auf sozialem und psychotherapeutischem Gebiet wurde ein Projekt mit geistig Behinderten gestartet und mit der Jugenderziehungsanstalt Kaiserebersdorf und dem Jugendgefangenenhaus Wien 10 im Bereich der Resozialisierung von straffällig gewordenen Jugendlichen zusammengearbeitet.

Akademische Kunsterziehung in explosivem Umfeld

An der Akademie der bildenden Künste Wien stand Matejka-Felden ab 1945 als „linke“ Frau einer Schule vor, die während des NS-Regimes 1941 gegründet worden war. Erster Leiter der Meisterschule für Kunsterziehung war Ernst August Mandelsloh, dem bereits 1942 der spätere Rektor Christian Ludwig Martin nachfolgte. Beide waren – wie viele andere Mitglieder des Lehrkörpers – dem NS-Regime nahegestanden.

1947 wurde Matejka-Felden als erste Frau zur außerordentlichen Professorin an der Akademie der bildenden Künste ernannt. Manche ihrer Lehrmethoden in der Ausbildung der Kunsterzieher wurden vom Professorenkollegium als veraltet kritisiert, andere muten heute modern an, denn ihre Meisterschüler und -schülerinnen wurden dazu angehalten, an der Volkshochschule Unterricht zu erteilen – ein Berufspraktikum, das jedoch nicht entgolten wurde und mitunter in zeitlichem Konflikt mit verpflichtenden Lehrveranstaltungen stand. Dieser Gratisunterricht, Matejka-Feldens zeitaufwendiges Engagement für die Künstlerische Volkshochschule sowie ihr Umgang mit Studierenden und der Kollegenschaft führten 1949 zu einem Streik der Studierenden und in weiterer Folge zu einem von ihr selbst angestrengten Disziplinarverfahren, das reges Medienecho hervorrief. Ihre Tätigkeit an der Meisterschule für Kunsterziehung war für zwei Jahre unterbrochen, nicht aber ihre Arbeit an der Volkshochschule. Schließlich konnte sie 1951 erneut die Leitung der Meisterschule übernehmen, doch gab es immer wieder Bestrebungen, sie loszuwerden, bevorzugt gleich zusammen mit ihrer Meisterschule, deren Ausgliederung oftmals zur Debatte stand. Diese Versuche gingen sogar in den höchstpersönlichen Bereich hinein, indem ihr ein Verhältnis mit einem Studenten nachgesagt wurde.

1959 wurde Matejka-Felden zur Titularprofessorin, 1967 zur ordentlichen Hochschulprofessorin ernannt. Anlässlich ihres 65. Geburtstags fand eine Ausstellung ihrer Werke im Wiener Künstlerhaus statt.

Nationale und internationale Würdigungen und Ausstellungen

Ihre volksbildnerischen Leistungen verschafften Matejka-Felden internationales Ansehen; sie wurde zu internationalen Kongressen und zur Teilnahme an Ausstellungen eingeladen: 1954 nach Paris, um die französischen Kunstschuleinrichtungen kennenzulernen und Vorträge zu halten, 1960 nach Moskau, wo sie eine Ausstellung von österreichischen Kindermalereien zeigte und über Kunsterziehung und Erwachsenenbildung sprach. 1962 stellte sie ihre eigenen Werke in Bremen aus. Bei all diesen Aktivitäten wies das Rektorat immer wieder darauf hin, dass sie diese Reisen in der Rolle als Leiterin der Künstlerischen Volkshochschule unternahm und nicht als Professorin der Akademie der bildenden Künste.

1957 erhielt sie den Würdigungspreis für Volksbildung des Bundesministeriums für Unterricht, zehn Jahre später – im selben Jahr wie das Ordinariat – das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich und 1970 das Große Goldene Ehrenzeichen von Stadt und Land Wien.

Matejka-Felden lehrte an der Meisterschule für Kunsterziehung bis zu ihrer Emeritierung 1971 und trat nach Absolvierung eines Ehrenjahres 1972 endgültig in den Ruhestand. Danach widmete sie sich bis 1980 ihrer Volksbildungstätigkeit. Am 27. Dezember 1984 verstarb sie 83-jährig und wurde in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof bestattet.


L.: W. Wagner, Geschichte der Akademie der bildenden Künste Wien, 1967, s. Reg.; E. M. Klamper, Viktor Matejka. Beitrag zu einer Biographie, Diss. Wien, 1981; Gerda Matejka-Felden, ed. B. Peithner-Lichtenfels, Wien 1983 (Kat.); E. Mortinger, Die künstlerische Volkshochschule in Wien. Entwicklungsgeschichte und Bildungsangebot, Diss. Wien, 1984; Gerda Matejka-Felden. Gedächtnisausstellung. 90 Jahre Prof. Gerda Matejka-Felden. 45 Jahre Künstlerische Volkshochschule. 30 Jahre Wiener Kunstschule, Wien 1991; D. Weißinger, Professor Gerda Matejka-Felden 1901–1984, DA Wien, 1995; A.-M. Karner, Kunstvermittlung in der Volksbildung respektive der Erwachsenenbildung in Wien in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts unter Gerda Matejka-Felden und Viktor Matejka im historisch sozialpädagogischen Kontext, DA Wien, 2006; A. Peschta, Das Disziplinarverfahren der Gerda Matejka-Felden, 1949–1951 Lücken in Nachlass und Archiv …, DA Wien, 2017; „Wer hat Angst vor Gerda Matejka-Felden“, Wiener Zeitung online, 18.9.2019; Tom Waibel, An Gerda Matejka-Felden, Wiener Kunstschule 365/13, (2020); K. Nusko, Gerda Matejka-Felden, in: biografiA (Zugriff 1.6.2022); U. Hirhager, Archivist’s Choice, Die erste Professorin an der Akademie der bildenden Künste Wien: Gerda Matejka-Felden (Zugriff 1.6. 2022); Österreichisches Volkshochschularchiv, Universitätsarchiv der Akademie der bildenden Künste Wien, Nachlass Gerda Matejka-Felden (Wolfgang Pollak), alle Wien; Staatsarchiv Bremen, Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, beide Deutschland.

(Ulrike Hirhager)

Wir danken Wolfgang Pollak, dem Österreichischen Volkshochschularchiv und dem Universitätsarchiv der Akademie der bildenden Künste, alle Wien, für die kostenlose Bereitstellung des Bildmaterials.