Johanna Raudaschl – die exzellente Köchin der Familie von Trapp

Von Mitte 1931 bis zu Beginn des Jahres 1932 sorgte Johanna Raudaschl für das leibliche Wohl der Familie von Trapp, der späteren berühmten Trapp Family Singers. Ihr Todestag jährt sich im November 2023 zum 30. Mal.

Aller Anfang war schwer

Die auf dem Holzberggut oberhalb des Attersees aufgewachsene Johanna Raudaschl wurde am 26. August 1904 in Steinbach am Attersee als uneheliche Tochter der Bauerntochter Theresia Raudaschl geboren und im römisch-katholischen Glauben erzogen. Bereits in ihren ersten Lebenstagen wurde Hannerl, wie Johanna später meist genannt wurde, in eine Decke gewickelt aufs Feld mitgenommen, wo ihre Mutter bei der Ernte mithelfen musste. Doch bald erbarmte sich die Großmutter, die zunächst von dem unehelichen Enkelkind wenig begeistert war, und nahm Hannerl in ihre Obhut. Trotzdem waren die ersten Lebensjahre wohl alles andere als unbeschwert. Hannerl musste schon früh auf dem Hof und im Haushalt mit anpacken, Vieh hüten, Erdäpfel klauben oder bei der Hausarbeit helfen, oft unter den strengen Augen ihrer Großmutter. Zeit für Spiel und Spaß blieb kaum. Ab 1911 besuchte sie die Volksschule in Unterach am Attersee. Der tägliche fünf Kilometer lange Schulweg war beschwerlich. Da Hannerl ehrgeizig war und stets gute Noten hatte, motivierte sie ihre Volksschullehrerin, eine weitere Ausbildung anzustreben.

Lehr- und Wanderjahre

1918 trat Hannerl daher eine Lehrstelle als Köchin im angesehenen Gasthof Wiesinger mit angeschlossener Fleischerei in Nussdorf am Attersee an. Nun war es ihr auch möglich, das Landleben mit seinen Dorffesten und anderen Vergnügungen zu genießen. Trotzdem war sie bestrebt, in ihrem Beruf weiterzukommen. Als rund 20-Jährige erhielt sie vom Gastwirt und Fleischhauer Matthias Engljähringer aus Strobl am Wolfgangsee das Angebot, bei ihm als Köchin zu arbeiten. Die Entscheidung war rasch gefallen und Hannerl nutzte die neue Arbeitsstätte für eine umfassende Weiterbildung. Nicht nur die fortschreitende Elektrifizierung erleichterte ihr damals ihre Tätigkeiten, sondern sie vertiefte sich zudem in die Kunst der Zubereitung von Fischen, was ihr im Hause Trapp später sehr zugutekommen sollte. Außerdem erweiterte sie ihre Rezeptsammlung und erlernte sogar das Schlachten. 1928 wechselte Johanna Raudaschl erneut ihren Arbeitgeber und nahm eine Stelle als Köchin und Wirtschafterin im Sägewerk Hollweger in St. Lorenz an. Dort hatte sie den Haushalt zu führen und täglich mehrmals für 20 bis 30 Personen zu kochen.

Der „Schüsseltrieb“ veränderte ihr Leben

1930 lernte Georg Ritter von Trapp bei einem Besuch im Salzkammergut und als Gast von Hollwegers Jagdgesellschaft Johanna Raudaschl und ihre Kochkünste kennen. Hannerl bereitete damals nach der Pirsch den „Schüsseltrieb“ zu, eine für das Salzkammergut typische, suppenähnliche Wildspeise. Von diesem Gericht war Georg Ritter von Trapp offenbar so begeistert, dass er beschloss, Johanna als seine neue Köchin nach Salzburg abzuwerben. Aber er musste sich noch gedulden, bis eine Nachfolgerin für sie gefunden war.

1931 trat Johanna Raudaschl in die Dienste der Familie Trapp und übersiedelte in deren Villa nach Aigen. Neun Personen umfasste der Dienstbotenstab. Hannerl, wie sie auch in Salzburg bald genannt wurde, verstand sich sehr gut mit der nur um fünf Monate jüngeren zweiten Ehefrau von Georg Ritter von Trapp, Maria Augusta Baronin von Trapp, die selbst aus bescheidenen Verhältnissen stammte und vor ihrer Ehe in einem Kloster gelebt hatte. Aber die Anforderungen im Hause Trapp waren hoch. Nicht nur, dass Maria Augusta aufgrund einer Nierenerkrankung eine besondere Diät einzunehmen hatte, kündigte sich oft überraschend Besuch an, der dann auch noch innerhalb kurzer Zeit kulinarisch in bester Qualität versorgt werden sollte. Mitunter schwang Johanna Raudaschl fast gleichzeitig in bis zu zehn Töpfen den Kochlöffel.  Dabei konnte sie ihre Kreativität bei der Zubereitung der Speisen allerdings so richtig ausleben, denn in der Familie Trapp wurden Hühner gehalten, Gemüse und Obst selbst angebaut, eingekocht oder gedörrt. Ein großer Vorratskeller war stets gefüllt mit Eiern, getrockneten Pilzen und Kräutern sowie vielen anderen Köstlichkeiten. So standen Johanna Raudaschl trotz der damals generell schwierigen wirtschaftlichen Zeit immer genügend Lebensmittel zur Verfügung. Ihre Ideenvielfalt in der Küche zeigte sich auch in ihren Rezeptsammlungen. Wie viele berühmte Köch:innen notierte sie allerdings  nur die Zutaten, genaue Mengenangaben fehlten und wurden nach dem Motto „ein bisschen von da und ein bisschen von dort“ ganz nach Gefühl in die Speisen gemischt.

Ein Abschied schweren Herzens

Das quirlige Leben im Hause Trapp mit den vielen Kindern ließ in Johanna Raudaschl offenbar selbst den Wunsch keimen, eine Familie zu gründen. Ihren späteren Ehemann, Johann Georg Hemetsberger, geboren in Nussdorf am 11. März 1903, dürfte sie bereits in ihren Lehrjahren im Gasthof Wiesinger kennen- und lieben gelernt haben. Viele Briefe hielten die Beziehung auch während Johannas Wanderjahren aufrecht. Jedenfalls informierte sie Ende 1931 Maria Augusta von Trapp, dass sie ihre Stellung als Köchin aufgeben, an den Attersee zurückkehren und heiraten möchte. Angesichts ihrer Herkunft hatte Johanna stets das Ziel, etwas aus ihrem Leben zu machen und einen Beruf zu erlernen. Erst dann war es Zeit, eine Familie zu gründen und gut für diese zu sorgen. Den Höhepunkt ihrer diesbezüglichen Karriere erlebte sie wohl im Hause Trapp und diese Zeit sollte sie für immer prägen. Schweren Herzens entließen die Trapps Johanna, aber sie wollten dem jungen Familienglück nicht im Wege stehen. In Anerkennung ihrer Leistungen stattete Maria Augusta von Trapp ihre exzellente Köchin noch mit einem Zeugnis aus, in dem zu lesen war: „Sie kocht sehr gut, einfache und feinere Küche, ist sehr geschickt, still und bescheiden und in jeder Hinsicht sehr zu empfehlen.“

Um für ihre künftige Aufgabe als Bäuerin gerüstet zu sein, belegte Johanna nun noch einen Meiereikurs und dann stand ihrem neuen Lebensabschnitt nichts mehr im Wege. Am 15. Mai 1933 heiratete sie in der Pfarrkirche zu Nussdorf ihren Johann Georg, Besitzer des Niedermayerguts in Nussdorf 35. Die Verbindung der beiden wurde in der ländlichen Bevölkerung allerdings nicht überall goutiert. Hannerl war als lediges Kind und noch dazu als „Zuagroaste“ alles andere als das, was man sich als Ehefrau für den doch wohlhabenden Johann Georg Hemetsberger wünschte. Vermutlich steckte vor allem Neid dahinter, denn schließlich war er eine gute Partie. Doch Johanna ließ sich nicht entmutigen. Sie ging als streng religiöse Frau im Vertrauen auf Gott ihren Weg und nahm sich dabei auch Baronin von Trapp zum Vorbild, die bei all den Höhen und Tiefen ihrer Familie wahre Größe zeigte. 1934 brachte Johanna ihren Sohn Georg zur Welt, 1935 folgte Karl, 1937 Tochter Johanna und 1943 Sohn Manfred. Auch wenn sie nun ihre eigene Familie hatte und gleichzeitig in dem zum Niedermayerhof gehörenden Sägewerk an der Seite ihres Mannes mitarbeiten musste, hielt sie den Kontakt zur Familie Trapp. Daher war es für Hannerl umso schmerzlicher zu erfahren, dass die Familie 1934 durch Konkurs des Bankhauses A. Lammer & Co in Zell am See praktisch ihr gesamtes Vermögen von einem Tag auf den anderen verlor, ihre Dienstboten entlassen und nun selbst in bescheidensten Verhältnissen zu leben hatte. Umso mehr freute sie sich dann über die musikalischen Erfolge des Familienchors, vor allem nach der Emigration 1938 in die USA. Die 1956 und 1958 in Österreich gezeigten Filme „Die Trapp-Familie“ sowie „Die Trapp-Familie in Amerika“ ließ sich Johanna nicht entgehen, verband sie doch so schöne Erinnerungen an die Zeit mit der Familie Trapp.

1962 starb Johannas Mann viel zu früh an einem Krebsleiden und so übernahm sein Sohn Karl den Erbhof. Zwei Jahre später übergab Johanna das Sägewerk an den jüngsten Sohn Manfred und seine Frau Anna, die es über viele Jahre zu einem erfolgreichen Unternehmen ausbauten. In den 1980er-Jahren begannen sie mit der Produktion von Gartenmöbeln, die nicht nur national, sondern auch international, darunter in Nordeuropa, Israel oder in den USA, von Privatkunden über die Gastronomie bis hin zu bekannten Möbelhandelsketten Absatz fanden. 2007 wurde das Betriebsobjekt an mehrere junge Unternehmer vermietet.

Johanna Raudaschl selbst verstarb am 24. November 1993 in Nussdorf am Attersee.

Ihre Originalrezepte wurden von ihrer Enkelin Irmgard Wöhrl, gemeinsam mit Ihrer Co-Autorin Caroline Kleibel 2007 als „The Sound of Cooking“ und 2010 als „Das Trapp Kochbuch“ in deutscher und englischer Sprache herausgegeben. „Das Trapp Kochbuch“ wurde noch im selben Jahr in Paris mit dem von Edouard Cointreau gegründeten „Gourmand World Cookbook Awards“ (Kategorie: Bestes weibliches Kochbuch) ausgezeichnet.


Literatur: Irmgard Wöhrl, Das Trapp Kochbuch, 2010; Johanna Raudaschl (Zugriff 7. 6. 2023); Pfarre Steinbach am Attersee, 106/1904, Taufen – Duplikate 1904 (Zugriff 7. 6. 2023); Pfarre Nussdorf am Attersee, 207/1933, Trauungen – Duplikate 1933 (Zugriff 7. 6. 2023).

(Irmgard Wöhrl – Daniela Angetter)