Maria Spötl (1898–1953): Ein vergessenes Künstlerinnenleben

Anders als bei den religiösen Künstlerinnen Maria Innocentia Hummel OSF (1909–1946) oder Ida Bohatta-Morpurgo (1900–1992) ist teilweise die Kunst, vor allem aber das Leben der Tiroler Künstlerin Maria Spötl (1898–1953) heute weitgehend vergessen. Dabei zählte sie bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts und in gewissen Kreisen noch länger zu den populärsten Malerinnen aus Tirol, die mit ihren oft religiös motivierten Fleißbildchen Generationen von Schülerinnen und Schülern ebenso geprägt wie begeistert hat. Heuer jährt sich ihr Geburtstag zum 120. und ihr Todestag zum 65. Mal, beides Anlässe, um an die vergessene Künstlerin Maria Spötl zu erinnern.

Herkunft und familiärer Hintergrund

Geboren wurde Maria Elisabeth Spötl am 15. September 1898 als viertes Kind und jüngste Tochter der Eheleute Elise Spöttl, geb. Geiger, und Josef Spöttl in Landeck (Tirol). Als ihr Vater eine Postmeisterstelle in der alten Bergwerkstadt Schwaz erhielt, übersiedelte die Familie, die ihren Namen später mit einem „t“ schrieb, um 1907 in eine Wohnung des Hauses „Grafeneck“ – wie das Gebäude bis heute im Volksmund heißt –, wo Maria Spötl bis an ihr Lebensende bleiben und arbeiten sollte.
Nach der Volksschule wurde die kleine Maria in das katholische Institut Marienberg in Bregenz geschickt, bevor sie um 1918 die Abteilung für Bildhauerei an der Kunstgewerbeschule in Innsbruck absolvierte. Obwohl aus dieser Zeit keine unmittelbaren Dokumente vorliegen, kann aus den verschiedenen späteren Beschreibungen des Charakters von Maria Spötl wohl mit Recht angenommen werden, dass sie eine aufmerksame und fleißige Schülerin war, die neben ihrer Seelentiefe vor allem großes künstlerisches Talent erkennen ließ.
Nach ihrer akademischen Ausbildung in München und Wien kehrte sie nach Schwaz zurück und kümmerte sich – ihre erwachsenen Geschwister hatten beide die geistliche Laufbahn eingeschlagen – um ihre kranken Eltern, die 1930 (Vater) und 1939 (Mutter) starben. Zu diesem Zeitpunkt war Maria Spötl bereits einundvierzig Jahre alt und selbst eine schwer herzkranke Frau, befand sich aber dennoch auf dem Höhepunkt ihrer schöpferischen Kraft, die sie aus ihrem christlichen Glauben bezog und zu dessen Verbreitung einsetzte.

Vom Werden und Müssen der Künstlerin

Früh wurde das künstlerische Talent von Maria Spötl von ihrem unmittelbaren Umfeld erkannt und gefördert, denn obwohl sie im elterlichen Haushalt gebraucht wurde, schickte man sie zur vertiefenden Ausbildung an die Akademien in München und Wien. Zurückgekehrt nach Schwaz, begann sie bald, das Gelernte nutzbringend anzuwenden, indem sie allseits beliebte Heiligenfiguren, Krippen und große Kruzifixe schnitzte. Das damit verdiente Geld wurde einerseits dringend zur Pflege ihrer Eltern und zur Aufrechterhaltung des bescheidenen Haushalts benötigt, andererseits wurde es großzügig von Maria Spötl, die sich wie ihre Mutter dem Armutsgelübde des Franziskanerordens verpflichtet fühlte, auch unter den Notleidenden ihrer Heimatgemeinde verteilt. Zeitlebens spendete sie so den Gutteil ihres Einkommens als Künstlerin für wohltätige Zwecke und behielt nicht mehr für sich zurück, als sie unbedingt benötigte.
Um das Schicksalsjahr 1930 zeigten sich bei Maria Spötl die ersten Anzeichen einer vererbten Herzerkrankung, deren schnelles Fortschreiten es ihr unmöglich machte, sich weiterhin als Bildhauerin zu betätigen. Also versuchte sie sich als Malerin und kam mit ihren stilistisch eigenständigen Werken sogleich gut an. In den Jahren 1931 bis 1935 schuf sie für den Verlag Ars sacra in München, wo auch die bereits genannte Franziskanerschwester und Zeichnerin Maria Innocentia Hummel beschäftigt war, zahlreiche Motive für Fleißbildchen und Postkarten, welche sich recht bald hoher Beliebtheit und großen finanziellen Erfolgs erfreuten.
Im Anschluss an diese eher wechselhafte Kooperation gründete Maria Spötl ihren eigenen Verlag, um wieder alleinige Hoheit und Entscheidungsgewalt über ihre Arbeit zurückzuerhalten und fortan ohne idealistische, künstlerische oder finanzielle Einschränkungen sich ihrem Lebenswerk, nämlich dem Kinde in kindlicher Weise Glaubensinhalte zu verkünden, widmen zu können.

Die Bildermission der Himmelsfirma

Bestrebt die christliche Botschaft durch ihr Kunstschaffen zu vermitteln, fertigte Maria Spötl zwischen 1935 und 1953 über 181 Vorlagen für ihre berühmt gewordenen Fleißbildchen (auch Fleißkärtchen oder Spötl-Bildchen genannt), deren Verslein in mehrere Sprachen übersetzt und in einer Gesamtauflage von annähernd zehn Millionen Stück gedruckt und in die ganze Welt versandt wurden. Des Weiteren schuf sie zahlreiche Entwürfe für Porzellanfiguren, die von der Porzellanfabrik W. Goebel in Deutschland produziert wurden, und nahm Aufträge für Portraits, Altarbilder und vieles mehr an.
In der Zeit des Nationalsozialismus war die als naiv und bigott diskreditierte Malerei Spötls verschiedenen Angriffen ausgesetzt. Wie schon zuvor und auch später immer wieder wurde sie als Kitsch-Malerin und Kinderbild-Missionarin kritisiert, ja regelrecht angefeindet: „Die Bilder von Maria Spötl fordern den höchsten Widerspruch heraus. Wie hier das Religiöse verkindischt, verniedlicht und verkitscht wird! (…) Muss nicht von derartigen ungesunden Erzeugnissen mit ihrer verborgenen Erotik in unseren Kindern eine ebenso krankhafte und verkitschte Religiosität ausgehen?“ schrieb etwa Heinrich Getzeny im Dezember 1934 im „Magazin für Pädagogik“.
Letzten Endes aber gab Maria Spötl ihr weltweiter Erfolg recht, vielleicht nicht unbedingt aus kunsthistorischer Sicht, doch nach dem Sinn ihres eigenen Leitspruchs: „Eines sei täglich in meinem Leben: Gottes Liebe weiterzugeben.“ Für sie war, bis zu ihrem frühen Tod am 29. Juli 1953, Religion stets der erste Beweggrund, sich künstlerisch zu betätigen. Die Lebendigkeit ihres Glaubens spricht ebenso aus ihren Bildern und Bildchen, wie sie sich in ihrer selbstlosen Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft anderen gegenüber gezeigt hat.


Werke: Die Himmelstür, o. J.; Betlehem (gemeinsam mit K. Emmerick), o. J.; Komm mit zu Ihr! Ein Buch von Maria und ihrem Kind (gemeinsam mit O. Altmann), 1931.


Literatur: A. Spamer, Das kleine Andachtsbild vom XIV. bis zum XX. Jahrhundert, 1930; K. Dörner, Die große Sendung der kleinen Andachtsbildchen, 1939; K. Schade, Andachtsbild. Die Geschichte eines kunsthistorischen Begriffs, 1996; Starke Frauen in der Kirche Tirols, ed. M. Scheuer – K. Auer, 2008; A. Raich, Die Botschaft der Andachtsbildchen, 2010; H. Gärtner, Dem braven Kind. Fleißbildchen. Ein fast vergessenes Stück Schulkultur, 2014; M. Kolozs, Das vergessene Leben der Künstlerin Maria Spötl, 2016; Pfarre Landeck, Tirol.


(Martin Kolozs)

 

Wir bedanken uns bei Jugend Eine Welt – Don Bosco Aktion Österreich  für die kostenlose Überlassung von Bildmaterial.