Schwechat, Karte

Text: Simon Hadler

An der Stelle, wo Kaiser Leopold I. und der polnische König Jan III. Sobieski am 15. September 1683 nach der erfolgreichen Entsatzschlacht aufeinander trafen, wurde – vermutlich um 1700 – das so genannte Kugelkreuz errichtet. Es gilt neben dem Moldauerkreuz in Wien (1683) als das älteste heute noch bestehende Türkendenkmal im Großraum Wien und befindet sich knapp außerhalb von Schwechat.

Beschreibung des Denkmals

Das Kugelkreuz, auch Sobieskikreuz genannt, befindet sich außerhalb von Schwechat auf der Unterführung der Schnellstraße S1, an der Gabelung der Bundesstraßen B9 und B10. Das Denkmal besteht aus einem Sockel und einem Obelisken von etwa 4,7 m Höhe aus Sandstein, verbunden sind die beiden Teile durch vier Kugeln, die dem Monument seinen Namen geben. Die Spitze bildet eine weitere Kugel mit einem Metallkreuz.

Der Obelisk ist mit folgender lateinischer Inschrift versehen, die an das Zusammentreffen zwischen Leopold I. und Sobieski erinnert:

Anno
GLorIosI IMperII
LeopoLDI I XXVI
die XV Septembris
Duo Longe maximi Europae
Monarchae Idem Leopoldus
Caesar Augustus et
Joannes IIIus Poloniae Rex
Liberata Prospere obsidione
Viennae Acto in Fugam ingenti Barbaro
rum Exercitu occupatis Eorundem
Aeneis Tormentis Commeatuque
Reportatis Praeterea optimis
Spolys Hoc loco inter Suorum victri
cia Arma invicem Gratulabundi
Convenere
Magna utrimque Electoris
ducum Principum ac magnatum
comitiva
(Toifel: 519)

Übersetzung: „Im 26. Jahre der glorreichen Regierung Leopold I., am 15. September, kamen die zwei größten Monarchen Europas, eben derselbe Leopold, der erlauchte Kaiser, und Johann III., König von Polen, nach der glücklichen Befreiung Wiens von der Belagerung, nachdem das ungeheure Heer der Feinde in die Flucht geschlagen worden war, nachdem man sich der ehernen Geschosse und des Proviants derselben bemächtigt und außerdem eine reiche Beute davongetragen hatte, an dieser Stelle, im Angesichte ihrer siegreichen Heere, begleitet von einer großen Schaar von Fürsten, Heerführern und Großen des Reiches zusammen, um sich gegenseitig Glück zu wünschen.“ (Toifel: 520)

Die Großbuchstaben in der zweiten und dritten Zeile der Inschrift sind ein Chronogramm. Zählt man die römischen Ziffern zusammen ergibt sich daraus ein Verweis auf das Jahr 1683.

L + I +I + I + M + I + I + L + L + D + I + I + X + X + V + I = 1683
50 + 1 + 1 + 1 + 1000 + 1 + 1 + 50 + 50 + 500 + 1 + 1 + 10 + 10 + 5 + 1 = 1683

Der Legende nach stehen die vier Kugeln, die das Fundament für den Obelisken als Symbol des Triumphes darstellen, für die vier Verbündeten im Kampf gegen das Osmanische Reich: Kaiser Leopold I., König Johann III. Sobieski, Herzog Karl V. von Lothringen und Georg Friedrich Fürst zu Waldeck. Da eine der Kugeln sich zwischenzeitlich bewegen ließ, hieß es, einer der Bündnispartner habe zur Untreue geneigt.

Geschichte des Kugelkreuzes

Über die Entstehungsgeschichte des Kugelkreuzes, das bereits in Matthias Fuhrmanns Geschichtswerk aus dem Jahr 1739 Erwähnung findet, ist recht wenig bekannt. Offenbar wurde es im Auftrag Kaiser Leopolds I. vom Architekten Giovanni Pietro Tencalla zwischen 1683 (Thieme-Becker 1938: 522) und 1690 errichtet. Aus letzterem Jahr findet sich jedenfalls eine Aufforderung an das Hofzahlamt, dem Hofingenieur Tencalla 280 Gulden für die Errichtung des Denkmals zu bezahlen:

Das Kay:e Hoffzahlambt solle herrn Gio: Pietro Tencalla Jngenieur dj Corte, wegen zur Ewigen gedächtnus bey Schwechat aufgerichten Stainen andenkhungs Saulen die betragende Vnkosten mit 280 fl gegen behörige bescheinung abfolgen lassen.“ (HHStA HKA NÖK ER 1690 (E 457), fol. 470v)

Das Schwechater Kugelkreuz zählt so auf jeden Fall zu den ältesten noch erhaltenen Türkendenkmälern in Österreich. Mehrmals wurde es renoviert, etwa im Jahr 1900 auf Kosten des Ministeriums für Kultus und Unterricht, nachdem man Sturmschäden festgestellt hatte. 1929 wurden erneut Beschädigungen am Kugelkreuz bemerkt und dem Bundesdenkmalamt gemeldet. Dieses setzte sich daraufhin mit der polnischen Regierung und der ‚Kitty Wünschek-Dreherschen Gütersdirektion‘ in Verbindung, um die Gesamtkosten von 1662,70 Schilling aufzubringen. Die Fertigstellung durch den Schwechater Steinmetz Eduard Richter erfolgte am 17. August 1933. (vgl. Ableidinger 1933)

Beim Bau der Autobahnauffahrt um 1980 wurde das Denkmal um einige Meter versetzt und auf Grund des Baus der S1 zwischen 2003 und 2006 überhaupt abtransportiert und erneut restauriert. Heute steht es in der Nähe des ursprünglichen Aufstellungsortes auf einer Grünfläche gleich neben einem Kreisverkehr an der Gabelung der Pressburger und der Budapester Bundestraße. (Historisches Archiv Schwechat)

Die Zusammenkunft von Kaiser und König

Das Schwechater Kugelkreuz erinnert an die Begegnung Kaiser Leopolds I. mit  Jan III. Sobieski am 15. September 1683 bei Schwechat. Dort hatte Sobieski sein Lager errichtet, nachdem er am Tag nach der Entsatzschlacht Wien betreten hatte. Einen Tag später zog auch der Kaiser, der von seinem Zufluchtsort Passau zurückgekehrt war, in die Stadt ein. Die Formalitäten des Zusammentreffens der beiden Monarchen wurden mit Hilfe des kaiserlichen Unterhändlers Graf Schaffgotsch ausverhandelt. Man einigte sich darauf, dass die Regenten einander zu Pferd begegnen sollten. So vermied man, dass die Zusammenkunft von der Frage überschattet wurde, welcher der beiden die rechte Seite einnehmen sollte.

Am 15. September besuchte der Kaiser zuerst die bayrischen Truppen, die längs der Donau auf dem Weg nach Schwechat standen. Danach zog er weiter und wurde von Sobieski an der Spitze der polnischen Armee empfangen. Es folgte eine kurze Unterhaltung der beiden Monarchen, ehe Leopold noch die Truppen besichtigte und dann nach Wien zurückkehrte. An dieses erste und einzige Zusammentreffen von Kaiser und König erinnert das Kugelkreuz.

Kontroverse

Kontroverse

Mit den Ereignissen des 15. September 1683, an die das Kugelkreuz erinnert, verbindet sich eine mittlerweile jahrhundertealte Kontroverse. Dabei geht es um die Frage, ob sich Kaiser Leopold gegenüber König Sobieski, dessen Sohn Jakub und der polnischen Armee während des Zusammentreffens bei Schwechat gebührlich verhalten habe. Der am häufigsten zitierte Vorwurf in dieser Sache stammt von Sobieski selbst, in einem Brief an seine Gemahlin Maria Kazimiera d’Arquien vom 17. September 1683:

Nachdem wir also einander gegenüber Stellung genommen hatten, stellte ich ihm meinen Sohn vor, der sich ihm näherte und eine Verbeugung machte. Der Kaiser griff nicht einmal mit der Hand an den Hut; als ich das sah, erstarrte ich beinahe. Das gleiche tat er auch bei allen Senatoren und Hetmanen und seinem allié […] dem Fürsten Wojewoden von Belz. Es gehörte sich jedoch nicht anders (damit die Welt sich nicht empörte, nicht freute oder nicht lachte), als noch ein paar Worte zu ihm zu sagen; danach wendete ich mit dem Pferd, nachdem wir uns gemeinsam verneigt hatten, und ritt meiner Wege. Ihn jedoch führte der Herr Wojewode von Ruthenien zu dem Heer, denn das wünschte er sich, und er besichtigte unser Heer, welches grausam betrübt war und sich laut beschwerte, daß er ihnen nicht einmal mit dem Hut ihre so großen Mühen und Verluste vergolten habe. Nach diesem Sehen veränderte sich alles sogleich derart, als habe man uns nie gekannt. (Sobieski 1981: 45f)

Auch Prinz Jakubs Irritation über das Treffen ist durch einen Tagebucheintrag überliefert:

Dann kam ich näher, um ihn [den Kaiser] zu begrüßen; aber ob ihm vielleicht die lang auf die Schultern herabwallenden Hutfedern die Sicht verdeckten, daß er mich nicht gewahrt hat, oder ob die Furcht, das feurige Roß, das er mit beiden Händen hielt, könne ihm durchgehen, ihn hinderte, mich zu grüßen – ich weiß nicht, was die wirkliche Ursache dieser Vergeßlichkeit war. Darüber sind auch die Österreicher verschiedener Ansicht, und die Sache bleibt noch dahingestellt. (Sturminger 1983: 391)

Üblicherweise werden für das Verhalten Kaiser Leopolds folgende Gründe angegeben:

Zuallererst habe ihn die strenge höfische Etikette davon abgehalten, dem Bündnispartner herzlicher entgegenzutreten. Zu groß sei der Rangunterschied zwischen einem römisch-deutschen Kaiser und einem polnischen Wahlkönig gewesen, dass selbst die Begegnung der beiden zu Pferde noch einen ausverhandelten Kompromiss darstellte. Diese institutionellen Zwänge werden von den meisten Autoren anerkannt. (Kluczycki 1883: 78f, Toifel 1883: 518)

Ein zweiter entscheidender Grund seien die Pläne Sobieskis für seinen Sohn Jakub gewesen. Der polnische König hatte gehofft, eine Heirat mit Leopolds Tochter Maria Antonia könne die Chance auf die Thronfolge seines Sohnes erhöhen. Angesichts des oben erwähnten Rangunterschiedes und der Tatsache, dass Maria Antonia bereits einem anderen Verbündeten, nämlich dem bayrischen Kurfürst Max Emanuel versprochen war, erschienen diese Hoffnungen jedoch aus Sicht des Kaisers illusorisch. Umso mehr, als dieser von den Beziehungen des polnischen Hofes zu den ungarischen Rebellen um Emmerich Thököly ebenso wusste wie um Vorschläge, dem Prinzen Jakub die ungarische Königskrone anzutragen. (Coyer 1762: 434, Toifel 1883: 520f)

Neben diesen beiden Hauptgründen suchten manche Historiker die Ursache für die angeblich frostige Atmosphäre in Schwechat auch in der Summe vieler kleinerer und größerer Konflikte in den Tagen rund um den erfolgreichen Entsatz Wiens. So sei Kaiser Leopold auf den polnischen König eifersüchtig gewesen, habe dieser doch die Truppen anführen dürfen und danach auch noch die Dankbarkeit und Liebe der Wiener Bevölkerung als erster auskosten dürfen. (Forst de Battaglia 1946: 230) Umgekehrt sei Sobieski bereits zuvor verstimmt gewesen, da seine Armee nach dem Sieg nur schlecht versorgt worden sei, seine Soldaten an den Stadttoren abgewiesen worden und überhaupt die verbündeten Heerführer plötzlich ganz verändert und unfreundlich gewesen seien.

Als ein wichtiger Grund für die Reaktion Sobieskis wird häufig auch die polnische Königin Maria Kazimiera angegeben. Seine Abhängigkeit von ihr brachte ihm nicht erst seit Beginn des 20. Jahrhundert den Ruf eines Pantoffelhelden ein. (vgl. Boy-Żeleński 1981)

Der historische Umgang mit dem „Affront“

Die Begegnung der beiden Monarchen gab damaligen wie späteren Kommentatoren jedenfalls verschiedene Möglichkeiten, mit der Missstimmung Sobieskis umzugehen. So konnte man sie etwa geflissentlich übersehen – wie das die meisten zeitgenössischen Chronisten taten. Das taten aber ebenso die lokalen Berichterstatter der späteren Jubiläumsveranstaltungen (1883, 1933, 1983) in Schwechat, denn weder in Artikeln der Presse noch in Gedenkschriften wurde der Konflikt erwähnt.

Neben einer möglichst sachlichen Darstellung der Ereignisse gab das Treffen der Monarchen auch Anlass, die Rolle Sobieskis kleinzureden und seine Schwächen auszubreiten (Berger 1953: 3f, Weihs-Tihanyi 1933: 51f) oder umgekehrt mit dem polnischen König mitzufühlen in seinem Ärger über das verletzende und beleidigende Verhalten des Kaisers. (Kluczycki 1883: 81, Boy-Żeleński 1981: 275f, Roszko 1983: 12) So erinnert das Kugelkreuz in Schwechat in einer polnischen Reportage noch im Jahr 1983 an einen „Affront“ an „unserem König“ und stellt ein „Grabdenkmal österreichisch-polnischer Freundschaft“ dar. (Roszko 1983: 12) Umgekehrt kann man im selben Jahr bei der in Polen geborenen Publizistin und Übersetzerin Gerda Hagenau lesen:

Bei näherer Betrachtung entpuppt sich jener „Affront“, daß der Kaiser seinen Hut nicht vor dem Königssohn Jakub gelüftet hatte, als „viel Lärm um nichts“, als ein kleines, zeremoniebedingtes Mißverständnis, dem man zum Zeitpunkt des Geschehens nicht viel Bedeutung beimaß und das erst später aufgebauscht und tendenziös zu einer Staatsaffäre hinaufstilisiert wurde. (Hagenau 1983: 9)

Jubiläumsfeier 1883

Anlässlich des 200jährigen Jubiläums des Entsatzes von Wien fand am 15. September 1883 auch in Schwechat eine Feier statt, die von Bürgermeister Johann Beran und dem Pfarrer Alexander Anthofer organisiert wurde. Die Festlichkeiten begannen mit einer „Dankpredigt für den göttlichen Schutz auf Mariens Fürbitte und [… einem] feierliche[n] Hochamt in der Klein-Schwechater Kirche.“ (Ableidinger 1933: 3)

Am eigentlichen Festtag zog man um 9:00 Uhr vom Schwechater Kirchenplatz zum Kugelkreuz, das mit Eichenlaub und Blumen geschmückt und vor welchem ein Feldaltar, mit Fahnen in den Reichs- und Landesfarben dekoriert, errichtet worden war. Auch hier wurde ein feierlicher Gottesdienst zelebriert. Unter den angeblich 2000 Gästen fanden sich die Schwechater Gemeindevertretung, die Freiwillige Feuerwehr auch der benachbarten Kommunen, die Schuljugend oder das Scharfschützencorp. Die Festrede hielt der liberale Reichsratsabgeordnete und Staatsrechtsprofessor Wenzel Lustkandl, der darauf verwies, dass der Hauptanteil der Befreiung Wiens den deutschen Reichstruppen zufalle. Seine Rede soll mit stürmischem Beifall aufgenommen worden sein. (Neue Freie Presse 16.9.1883: 5)

Ein abendliches Feuerwerk, das die Zahlen 1683 und 1883 zeigte, bildete den Abschluss der Feierlichkeiten, zu welchen seitens der Gemeinde auch eine Gedenkschrift erschienen war.

Jubiläumsfeier 1933

Jubiläumsfeier 1933

Auch der 250. Jahrestag des Entsatzes von Wien wurde in Schwechat gefeiert. Vom Bahnhofsgasthaus „Zur Kohlstaude“ machte man sich am 17. September 1933 auf den Weg zum Kugelkreuz, wo um 10:00 Uhr die Feierlichkeiten mit Messe und Festreden begannen. Die Messe wurde vom Schwechater Stadtpfarrer und dem Pater Stanisław Skwierawski in deutscher und polnischer Sprache gehalten und vom örtlichen Männergesangsverein begleitet.

Danach begrüßte Vizebürgermeister Hans Seitl die etwa 3000 Gäste, darunter Vertreter der polnischen Gesandtschaft, des Verbandes polnischer Vereine in Wien sowie der örtlichen Behörden, Vereine und Schulen. Bezirkshauptmann Helfert sprach als Vertreter des Landes Niederösterreich und betonte die große Bedeutung des Entsatzes Wiens sowie die Verdienste Sobieskis. Dem fügte Bürgermeister Wilhelm Wache in seiner Rede hinzu, Sobieski habe „die abendländische Kultur vor der Vernichtung durch das Barbarentum“ gerettet und das Denkmal zeige „den Sieg der Kultur über die Unkultur“. (Die Volkspost 22.9.1933: 5f) Ebenso wie der nachfolgende Redner, der polnische Generalkonsul Juliusz Łukasiewicz, verwies er auf die friedliche Symbolkraft des Denkmals. Die Betonung von Frieden und Völkerverständigung war von Anfang an ein wichtiger Anspruch an die Veranstaltung. Aus diesem Grund etwa kam es im Vorfeld zu zwei Organisationstreffen mit lokalen und polnischen Vertretern. Die zweisprachige Messe, die Gäste aus Polen in traditionellen Trachten, das Absingen beider Hymnen oder auch die freundliche Beurteilung der Rolle Sobieskis in der Festschrift des Altbürgermeisters Johann Ableidingers – dies alles verweist auf das Bemühen, an diesem Tag polnisch-österreichische Freundschaft zu zelebrieren.

Diese Form der Inszenierung soll jedoch auch im Kontext der damaligen politischen Verhältnisse betrachtet werden. Das veranschaulichen etwa die beiden konkurrenzierenden Regionalblätter „Volkspost“ und „Ostbahn-Bote“. Während die sozialdemokratische Zeitung den unpolitischen Charakter der Veranstaltung betonte und dies nicht zuletzt darauf zurückführte, dass keine Heimwehr-Truppen aufmarschieren durften (Volkspost 6.10.1933: 5), konterte der christlichsoziale Ostbahn-Bote damit, dass die unpolitische Atmosphäre bereits eine Folge der Erziehung durch den Dollfuß-Kurs gewesen sei. (Ostbahn-Bote 1.10.1933: 13) Die Gedenkfeier im sozialdemokratisch dominierten Schwechat stellte so gesehen durchaus eine kleine Gegenveranstaltung zum groß inszenierten Katholikentag in Wien dar. Bei der wenige Wochen später stattfindenden Glockenweihe in Schwechat zeigte sich jedoch die Heimwehr erstmals in der Stadt auch in Waffen stehend. (Ostbahn-Bote 8.10.1933: 12)

Die Feier in Schwechat diente vor allen den polnischen Vertretern dazu, die Erinnerung an die Taten Sobieskis in einem positiven Sinne zu aktualisieren. Dafür spricht auch die Beteiligung der polnischen Regierung an den Kosten für die Renovierung des Denkmals. Dass in diesem Jubiläumsjahr mit dem Kugelkreuz ein möglichst authentischer polnischer Erinnerungsort gestärkt werden sollte, darauf könnte auch hinweisen, dass bereits eine Woche zuvor polnische Teilnehmer des Allgemeinen Deutschen Katholikentags in Wien mit Kardinal Hlond an der Spitze nach Schwechat gekommen waren. Trotz des angeblich überraschenden Moments dieses Besuchs wurden die Gäste von Bürgermeister und Dekan sowie durch Glockenläuten willkommen geheißen. (Ostbahn-Bote 17.9.1933: 11)

Jubiläumsfeier 1983

Jubiläumsfeier 1983

Die Schwechater „Türkenbefreiungsfeiern“ begannen 1983 mit einem Sonderpostamt im örtlichen Amtshaus, wo es neben den Sondermarken auch einen eigenen Stempel abzuholen galt. Organisiert wurde dies vom Heimatmuseum Rothmühle, welches im gleichnamigen Schloss auch eine kleine Ausstellung ausrichtete.

Am 10. September fand die eigentliche Feier ab 10:30 Uhr vor dem Kugelkreuz statt. Während erstmals auf kirchliches Zeremoniell im Rahmen des Programms verzichtet wurde, so stand die Veranstaltung jedoch erneut unter dem Zeichen polnisch-österreichischer Freundschaft. Neben Vertretern des Vereins der Auslandspolen „Polonia“ und solchen der Polnischen Akademie der Wissenschaften sorgte dafür vor allem die in historischen und regionalen Trachten auftretende Folkloregruppe „Sanniki“. Nachdem der Schwechater Kulturstadtrat Fritz Pfertner die Gäste begrüßt hatte, verwies Bürgermeister Rudolf Tonn auf die geschichtliche Bedeutung des Kugelkreuzes. Ebenso wie die erst kürzlich an die Stadt verliehene Europa-Fahne werde damit die Wichtigkeit der Völkerverständigung betont. Der Präsident der Österreichisch-Polnischen Gesellschaft und des Organisationskomitees „300 Jahre Entsatz von Wien mit König Jan III. Sobieski“, Theodor Kanitzer, erklärte in leicht ironischem Ton, dass der Einsatz Sobieskis historisch oftmals etwas verfälscht dargestellt worden sei, während nach ihm Aleksander Gieysztor von der Polnischen Akademie der Wissenschaften wiederum die Bedeutung der Völkerverständigung betonte.

Die Feier wurde am Abend des nächsten Tages in der Körner-Halle fortgesetzt. Erneut sprachen Bürgermeister Tonn und Theodor Kanitzer, letzterer erzählte unter anderem von den Verdiensten Sobieskis. Es folgte eine Rede des Vizepräsidenten der Polnisch-Österreichischen Gesellschaft sowie die Vorführung des Dokumentarfilms „Wiens Befreiung 1683“. Die etwa 150 Besucher wurden außerdem neuerlich von „Sanniki“ unterhalten. (Nachrichten der Stadtgemeinde Schwechat 1983: 17–19)

Gegenwart

Gegenwart

Wie schon 1933 feierte man 1983 in Schwechat vor allem die österreichisch-polnischen Beziehungen und noch mehr als 50 Jahre zuvor betonte man die Hoffnung auf Frieden. Dazu passt, dass die Debatte um einen Konflikt zwischen Kaiser Leopold I und König Jan III Sobieski offenbar nie aufgegriffen wurde. Es zeigte sich außerdem, dass das Kugelkreuz auch als ein polnischer Erinnerungsort etabliert wurde. Dies gilt umso mehr für die polnische Gemeinde in Österreich. Noch 2008 (325 Jahre Entsatz von Wien) erscheint in der Pfarrzeitung Nasza Wspólnota (Unser Gemeinwesen) ein Artikel, der die 1983er Feier als „sehr würdevoll und patriotisch“ erinnert und in dem bedauert wird, dass derartiges nicht mehr veranstaltet werde. (Osses-Frei 2008: 16) Der Text scheint auch implizit auf eine Broschüre aus dem Jahr 1929 zu verweisen, in welcher das Kugelkreuz zu jenen Denkmälern gezählt wird, „die unbeirrt Zeugnis von der Größe und Macht der Polnischen Nation geben“. (Hajdecki 1929: 6)

Doch tatsächlich dürfte das Denkmal im Jahr 1983 bisher das letzte Mal aktiv zur Aktualisierung der Erinnerung an die historischen Ereignisse von 1683 genutzt geworden sein. 2009 diente der Begriff „Kugelkreuz“ in Schwechat vorwiegend zur Bezeichnung eines Standortes für noch zu errichtende Wirtschaftsbetriebe. (Ganz Schwechat 2009: 12) Einzig die lokale FPÖ bemühte sich 2010 auf ihrer Website, das Denkmal für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Hier war zu lesen, dass bis 1933 [sic!] in Schwechat Türkenbefreiungsfeiern abgehalten wurden und man an die „Zeit der Vergewaltigungen und Ermordungen“ erinnern möchte. (FPÖ Schwechat 2010)

Weitere Denkmäler in Schwechat

In Schwechat gibt es noch weitere Orte, die an 1683 erinnern. So befindet sich in der Kapelle von Schloss Rothmühle ein Deckenfresko, das den Wiener Neustädter Bischof Leopold Karl von Kollonitsch zeigt. Außerdem erinnert ein Halbmond an der Spitze eines Türmchens auf einem Gebäude in der Wiener Straße der Legende nach an den Lagerplatz eines osmanischen Heerführers. Auf dem Weg zum benachbarten Ort Rauchenwarth gab es außerdem einst ein Marterl, welches 1685 von einer Familie aus Mannswörth „aus Dankbarkeit wegen der Errettung aus dem Türkenkrieg errichtet“ (Ableidinger 1929: 308) wurde. Im Jahr 1936 existierte es noch. (Siegris 1936: 28f)

Literatur

Literatur

Ableidinger, Johann (1929): Geschichte von Schwechat. Schwechat.

Ableidinger, Johann (1933): Festschrift aus Anlaß der Feier des 250. Jahrestages der Befreiung Wiens von der Türkenbelagerung am 12. September 1683 und der Zusammenkunft Kaiser Leopold I. mit König Johann Sobieski III. in Schwechat am 15. September 1683, veranstaltet vom Verband der polnischen Vereine und der Stadtgemeinde Schwechat am Sonntag, 17. September 1933.

Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. […] Zweiunddreissigster Band. Stephens – Theodotus. Leipzig 1938. 522.

Berger, L.S. (1953): Sobieski ist verstimmt. Kompetenzfragen und Etikette-Sorgen im Türkenkrieg anno 1683. In: Wiener Monatshefte. September 1953.

Böck, (2005): Wenzel Lustkandl. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Bd. 5 (Wien, 1993). 376f.

Boy-Żeleński, Tadeusz (1981): Die Historie von Marysieńka Sobieska und König Jan. Deutsch von Caesar Rymarowicz. Berlin. (orig.: Marysieńka Sobieska. 1937.)

Coyer, Abte (1762): Geschichte von Johann Sobieski. Leipzig.

Forst de Battaglia, Otto (1946): Jan Sobieski. König von Polen. Einsiedeln, Zürich.

FPÖ Schwechat: Kugelkreuz Schwechat – Erinnerung an Türkenbefreiung.

Fuhrmann, Mathias (1739): Alt- und Neues Wien, oder dieser Kayserlich- und Ertz-Lands-Fürstlichen Residentz-Stadt Chronologisch- und Historische Beschreibung. Wien.

Ganz Schwechat (2009). Nachrichten der Stadtgemeinde Schwechat. Nr. 10: Am Kugelkreuz entsteht neuer Wirtschaftsraum. 12.

Gehart, Alois (1983): Schwechat im Türkenjahr 1683. (Heimatmuseum im Schloss Rothmühle Sonderausstellung „Türkenjahr 1683“)

Hagenau, Gerda (1983): Jan Sobieski. Der Retter Wiens. Wien, München.

Hajdecki, Aleksander (1929): O wielkości i potędze narodu polskiego w świetle pomników historycznych wiedeńskich. Szkice historjozoficzne zestawił Aleksander Hajdecki. Członek tow. nauk. Leo-Gesellschaft i stowarzyszenia polskiego „Strzecha” w Wiedniu, b. Podpułkownik-audytor w armji austrjackiej. Poznań.

HHStA HKA NÖK ER 1690 (E 457), fol. 470v: 1690 Oktober 5 (Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Hofkammeramt, Niederösterreichische Kammerbücher). Vielen Dank für diesen Hinweis an Herbert Karner und das Hofburg-Projekt der ÖAW.

Historisches Archiv Schwechat. Inventarnummer 10430.

Kluczycki, Franz (1883): König Johann III. vor Wien. Historische Darstellung des glorreichen Feldzuges im Jahre 1683 zum Andenken an die zweite Saecularfeier für die Mit- und Nachlebenden nach den vorzüglichsten Quellen entworfen von Franz Kluczycki, Mitgl. d. Hist. Comm. d. Akad. d. Wiss. in Krakau, deutsch von Dr. Karl J. Petelenz, Privatdoc. für deut. Spr. und Liter. an der Jagiell. Univers. Krakau.

Nachrichten der Stadtgemeinde Schwechat (1983). Nr. 10.

Neue Freie Presse (16.9.1883): Säcularfeier in Schwechat. 5. 14.11.2011.

Osses-Frei, Janina (2008): Obelisk Kugelkreuz (Krzyż na kulach) w Schweat [sic!]. Śladami króla Jana III Sobieskiego w Austrii. In: Nasza Wspólnota. Nr. 9-10 (Wrzesień-Październik). 16.

Ostbahn-Bote (1.10.1933). Illustriertes Wochenblatt für das christliche Volk der Bezirke Schwechat, Bruck a. d. Leitha, Hainburg und Umgebung: Was dem Genossen Berichterstatter auffällt. 13.

Ostbahn-Bote (17.9.1933). Illustriertes Wochenblatt für das christliche Volk der Bezirke Schwechat, Bruck a. d. Leitha, Hainburg und Umgebung: Ein überraschender Besuch. 11.

Ostbahn-Bote (8.10.1933). Illustriertes Wochenblatt für das christliche Volk der Bezirke Schwechat, Bruck a. d. Leitha, Hainburg und Umgebung: Unser Heimatschutz bei der Glockenweihe. 12.

Roszko, Janusz (1983): Moje wiedeńskie spacery. In: Życie literackie (21.8.1983). 1, 12.

Siegris, Emmerich (1936): Schwechat bei Wien. Bildstock. Beeinträchtigung durch ein Triangulierungsgestell. In: Unsere Heimat. Monatsblatt des Vereines für Landeskunde und Heimatschutz von Nieder-Österreich und Wien. Neue Folge. Jg. 9 (1936), Nr. 1. 28f.

Sobieski, Jan (1981): Briefe an die Königin. Feldzug und Entsatz von Wien 1683. Herausgegeben und kommentiert und mit einem Nachwort von Joachim Zeller.

Sturminger, Walter (Hg.) (1983): Die Türken vor Wien in Augenzeugenberichten. Düsseldorf.

Toifel, Karl (1883): Die Türken vor Wien im Jahre 1683. Ein österreichisches Gedenkbuch. Prag, Leipzig.

Volkspost (22.9.1933). Sozialdemokratisches Wochenblatt für die Bezirke Schwechat, Hainburg und Bruck a. d. L.: Türkenbefreiungsfeier. 5.

Volkspost (6.10.1933). Sozialdemokratisches Wochenblatt für die Bezirke Schwechat, Hainburg und Bruck a. d. L.: Ein Geständnis. 5.

Weihs-Tihanyi von Mainprugg, Franz Ritter (1933): Belagerung und Entsatz von Wien 1683. Graz.