Perchtoldsdorf, Karte
Text: Simon Hadler
Neben einer Reihe von Denkmälern wie etwa ein Gedenkstein, ein Bildstock oder ein Wandgemälde, erinnern auch einige Straßennamen an den Juli 1683, als osmanische Streifscharen Perchtoldsdorf erfolgreich belagerten, weite Teile des Marktes zerstörten und einen Teil seiner Einwohner ermordeten oder gefangen nahmen. Die meisten dieser Straßen erhielten ihre Bezeichnungen in der Zwischenkriegszeit, als die Erinnerung an diese Ereignisse von besonders großer Identität stiftender Bedeutung war.
Türkengasse
Türkengasse
Die Türkengasse hat ihren Namen seit dem Jahr 1929, davor hieß sie wegen des bis 1884 bestehenden Gemeindegasthauses „Zum Goldenen Hirschen“ Hirschengasse. Die nur wenige Meter lange Gasse führt von der Neustiftgasse zum Marktplatz, direkt vor die Pfarrkirche mit dem Wehrturm. Diese zentrale Lage spiegelt die Bedeutung der Erinnerung an das Jahr 1683 für die politischen Akteure dieser Zeit wider. Neben der Bezeichnung „Türkengasse“ stand auch „Tatarengassl“ zur Diskussion (Mitterwenger/Gatscher-Riedl 2004: 88).
Wenzel-Frey-Gasse
Wenzel Frey stammte aus Brunn am Gebirge, hielt sich jedoch während des osmanischen Angriffes in Perchtoldsdorf auf. Er nahm wohl selbst an der Verteidigung des Marktes teil, wurde dabei schwer verwundet und geriet in Gefangenschaft. Dort verarztete man ihn und brachte ihn ins Wiener Lager, ehe er im Zuge des osmanischen Rückzugs in der Nähe von Komorn/Komárom fliehen konnte. Frey wurde durch seinen Bericht über die Ereignisse in Perchtoldsdorf bekannt, den er 1685 veröffentlichte.
Seit 1929 heißt die von der Dr.-Natzler-Gasse abgehende Straße Wenzel-Frey-Gasse. Davor war ein Abschnitt der nahe gelegenen Rablgasse nach ihm benannt. Da sich diese ebenso wie die heutige Wenzel-Frey-Gasse in einem Teil Perchtoldsdorfs befindet, der in den 1920er Jahren als Wohngebiet erschlossen wurde, ist anzunehmen, dass auch die erste nach Frey benannte Straße erst in der Zwischenkriegszeit zu ihrem Namen kam (ebd.: 27f.).
Jakob-Trinksgeld-Gasse
Jakob-Trinksgeld-Gasse
Ebenso wie die Türken- und die Wenzel-Frey-Gasse hat auch die Jakob-Trinksgeld-Gasse seit dem Jahr 1929 ihren Namen. Sie erinnert an den Perchtoldsdorfer Marktrichter, der von 1697 bis 1708 sein Amt ausübte. Trinksgeld war mitverantwortlich für den Umbau des Rathauses und besonders für die Gestaltung jenes Wandgemäldes, das die Ereignisse von 1683 darstellt und bis heute erhalten ist. Auch wenn dieses Bild bestimmt nicht in allen Details glaubwürdig ist, so gehört es dennoch gemeinsam mit der dazugehörigen Legende zu den eindrucksvollsten Quellen über diese Zeit (ebd.: 87f.).
Josef-Deyl-Gasse
1931, zwei Jahre nach Trinksgeld, bekam auch der zweite namentlich bekannte Initiator des Wandgemäldes im Perchtoldsdorfer Rathaus seine eigene Straße. Es handelt sich dabei um Josef Deyl, der um 1700 Marktkämmerer war. Die nach ihm benannte Straße liegt wie auch die Wenzel-Frey-Gasse in einem Gebiet, das in der Zwischenkriegszeit vor allem für den Bau von Einfamilienhäusern freigegeben wurde. Zwar stieg durch diese Siedlungsentwicklung die Zahl der Verkehrswege in Perchtoldsdorf deutlich an, doch dass innerhalb weniger Jahre vier Straßennamen mit einem eindeutigen Bezug auf das Jahr 1683 hinzukamen, ist ein Zeichen für die Aktualität der historischen Ereignisse zu dieser Zeit. Ihren deutlichsten Ausdruck fand diese Gegenwärtigkeit der Vergangenheit im Jahr 1933 in Form der Feierlichkeiten des 250. Jahrestages (ebd.: 22).
Adam-Strenninger-Gasse
Nahe der Josef-Deyl-Gasse ist eine Straße nach Adam Strenninger benannt, der im Jahr 1683 Marktrichter in Perchtoldsdorf war. Der Überlieferung nach war er es, der gemeinsam mit seiner Tochter dem osmanischen Befehlshaber das Lösegeld übergab. Auch dürfte er der erste gewesen sein, der – möglicherweise nach einem Fluchtversuch – von den Osmanen getötet wurde (Latschka 1990 [1883]: 52). In weiterer Folge kam es zur Ermordung und Gefangennahme weiterer Einwohner des Marktes. Insgesamt starben wohl 300 bis 400 Menschen an diesem Tag.
Die Adam-Strenninger-Gasse existiert seit 1876 und ist damit die älteste der an 1683 erinnernden Straßen (Mitterwenger/Gatscher-Riedl 2004: 84f.).
Literatur
Literatur
Latschka, Adam (1990): Die Türken in Perchtoldsdorf im Jahre 1683. Separat-Abdruck aus dem „Vaterland“, Wien, 1883. In: Wansch, Alfred (Hg.): Die Türken in Perchtoldsdorf im Jahre 1683. Perchtoldsdorf. S. 30–77.
Mitterwenger, Christine; Gatscher-Riedl, Gregor (2004): Perchtoldsdorfer Straßenlexikon. Straßennamen erzählen Geschichte. Perchtoldsdorf.