Türkenschanzpark , Karte

Text: Silvia Dallinger

Der Yunus-Emre-Brunnen im Wiener Türkenschanzpark wurde von der Republik Türkei gestiftet und am 11. Oktober 1991 vom türkischen Botschafter Ayhan Kamel feierlich der Stadt Wien übergeben. Der Brunnen, der dem türkischen Volksdichter und Mystiker Yunus Emre (gestorben um 1321) gewidmet ist, steht als Zeichen für Freundschaft und Völkerverständigung und ist somit eines der wenigen Denkmäler, das das Verbindende und nicht das Trennende zwischen den einstigen Gegnern zum Ausdruck zu bringen sucht.

Ein Zeichen der Freundschaft

Am 27. Juni 1990 feierte die Währinger ‚Hans Radl Schule für körperbehinderte Kinder‘ ihr 30-jähriges Bestehen. Anlässlich dieses Jubiläums wurde im Park der Schule ein Trinkwasserbrunnen errichtet, der vom türkischen Botschafter Ayhan Kamel übergeben wurde. Dieser Brunnen sollte den Dank der zahlreichen türkisch-muslimischen Kinder und deren Eltern für die in der Schule geleistete Arbeit zum Ausdruck bringen.

Bereits in einem Schreiben vom 19. Februar 1990 schlug Baki Bilgin, ein türkischer Lehrer für den islamischen Religionsunterricht an der Schule, dem Währinger Bezirksvorsteher Karl Homole vor, ein weiteres, dem geplanten Brunnen ähnliches Projekt umzusetzen. Als Ort der Begegnung eigne sich laut Bilgin besonders der Türkenschanzpark. Österreich und die Türkei verbinde eine gemeinsame Vergangenheit und der Kontakt zwischen den beiden Ländern habe in den letzten Jahren auf den verschiedensten Ebenen zugenommen und zur Vertiefung des gegenseitigen Verstehens beigetragen. „Wir möchten diese Begegnung und Verbundenheit auch dem Land Wien gegenüber in bleibender Form ausdrücken und daher dem 18. Bezirk entweder einen Brunnen, wie in der Hans-Radl-Schule, oder ein kleines türkisches Kaffeehaus widmen“, so Bilgin (Dokumente im Bezirksamt Währing).

Der Vorschlag von Baki Bilgin wurde von Karl Homole mit großem Interesse aufgenommen. Kontakte zum türkischen Botschafter Ayhan Kamel wurden geknüpft und die Errichtung eines weiteren türkischen Brunnens anlässlich des Yunus-Emre-Jubiläums beschlossen: Das Jahr 1991 wurde von der UNESCO im Gedenken an den 750. Jahrestag der Geburt Yunus Emres zum Yunus-Emre-Jahr erklärt. Emre gilt als türkischer Volksdichter, Mystiker und Friedensbotschafter, der den türkischen Humanismus maßgeblich prägte. In einem Schreiben an Homole vom Jänner 1991 verwies Kamel darauf, „dass der Dichter in seinen vielen Dichtungen das Wasser behandelt hat“ und deswegen „die Erbauung eines Brunnens osmanisch-türkischer Architektur für sinnvoll gehalten“ werde. Kamel weiter:

Die Umgestaltung dieser Gegend, die in der Geschichte von Wien einen wichtigen Platz eingenommen hatte, in einen Park durch die Wiener Stadtgemeinde, sowie die Benennung desselben als ‚Türkenschanzpark‘ wurde von den Türken immer als Symbol des Friedens mit Freude und Anerkennung begrüßt. (Dokumente im Bezirksamt Währing)

Bei der Errichtung des Brunnens stand die Idee im Mittelpunkt,

den in Wien und insbesondere den in Währing lebenden Türken einen Brunnen aus ihrer Heimat zu Ehren des türkischen Friedensapostels Yunus Emre in der Parkanlage zu errichten, die mit dem Namen ‚Türkenschanzpark‘ an eine längst vergangene Zeit der kriegerischen Auseinandersetzung erinnert. Ich würde mir wünschen, daß dieser dem Frieden und der Völkerverbindung dienende Brunnen eine Stätte der Begegnung der Menschen verschiedener Herkunft wird. (Homole in der Beantwortung einer Anfrage von Bilgin, Dezember 1991, Dokument im Bezirksamt Währing)

Brunnenbau und Finanzierung

Die Vorbereitungsarbeiten für die Errichtung des Brunnens begannen in der zweiten Juliwoche 1991. Lehrlinge des Lehrbauhofs Ost in Guntramsdorf sorgten für die kostenlose Errichtung des Fundaments und des Brunnenkerns. Der eigentliche Brunnenbau wurde ab Mitte August von türkischen Facharbeitern unter der Aufsicht des türkischen Architekten Dr. Aydın Yüksel durchgeführt.

Die Hauptkosten für Material und Brunnenbau, rund zwei Millionen Schilling, wurden von der Türkei getragen. Facharbeiter und Baumaterial wie Marmor, Kupfer und Fayencen (eine spezielle Keramik) kamen eigens aus der Türkei nach Österreich. Die Republik Österreich wiederum übernahm die Kosten für das Fundament, den Sockel und die Infrastruktur, für die Verlegung von Wasserleitungen sowie die behördlichen Vorbereitungsmaßnahmen.

Die Enthüllungsfeier am 11. Oktober 1991

Im Zuge der Enthüllungsfeier am 11. Oktober 1991 wurde der Yunus-Emre-Brunnen vom türkischen Botschafter Ayhan Kamel der Stadt Wien, repräsentiert durch den Währinger Bezirksvorsteher Karl Homole und den Wiener Bürgermeister Helmut Zilk, übergeben.

Das Festprogramm wurde um 13:30 Uhr mit einem Platzkonzert der Gardemusik und der Begrüßung durch den Währinger Bezirksvorsteher Karl Homole feierlich eröffnet. Es folgten, von weiteren musikalischen Darbietungen der Gardemusik umrahmt, Ansprachen des türkischen Unterstaatssekretärs Acar Okan, des Wiener Bürgermeisters Helmut Zilk und des türkischen Botschafters Ayhan Kamel. Im Anschluss daran wurde der Brunnen offiziell der Stadt Wien übergeben und eine Folkloredarbietung des Staatlichen Volkstanzensembles der Republik Türkei, Devlet Halk Danslari Topluluğu, zum Besten gegeben. Nach den Schlussworten Karl Homoles ertönten die beiden Staatshymnen. Den Ausklang der Enthüllungs-Feier bildete ein Empfang im Pensionisten-Wohnhaus ‚An der Türkenschanze‘.

In den Festreden wurde vor allem der völkerverbindende Charakter des Brunnens hervorgehoben.

So betonte Homole beispielsweise, das Jubiläum der Eingemeindung Währings nach Wien, das sich am 1. Jänner 1992 zum hundertsten Mal jährte, sei eine „hervorragende Gelegenheit mit einem solchen Bauwerk unserem Türkenschanzpark ein zusätzliches Wahrzeichen zu geben, das als Symbol des Friedens zu sehen ist“ (Dokumente im Bezirksamt Währing).

Der türkische Architekt Aydın Yüksel erhielt im Zuge der Enthüllung des Brunnens die Währinger Ehrenauszeichnung von Karl Homole. Einige hundert türkische und Wiener Festgäste nahmen an der Feier teil.

Von offizieller Seite nahmen folgende Personen an der Enthüllungsfeier teil:

  • der Architekt Aydın Yüksel
  • der Währinger Bezirksvorsteher Karl Homole
  • der Türkische Minister für Kultur Gökhan Maras
  • der Unterstaatssekretär des Kulturministeriums Acar Okan
  • der Türkische Botschafter in Wien Ayhan Kamel
  • der Bürgermeister von Wien Dr. Helmut Zilk
  • Mitglieder der Wiener Landesregierung
  • die Stadträte Rudolf Edlinger und Dr. Heinrich Wille
  • der Militärkommandant Divisionär Karl Semlitsch
  • der Rektor der Universität für Bodenkultur Prof. Dr. Manfried Welan
  • Abgeordnete zu den gesetzgebenden Körperschaften
  • Vertreter der Zentralbehörden des Bundes und des Landes
  • Bezirksvorsteher
  • der Alt-Bezirksvorsteher Hans Hemmelmayer und OSR Leopold Traindl
  • die Bezirksvorsteher-Stellvertreter Dr. Manfred Schreiber und Rudolf Janecek

Verse zieren den Brunnen

Der Yunus-Emre-Brunnen im Türkenschanzpark befindet sich beim Eingang Peter-Jordan-Straße/Dänenstraße. Der im türkisch-osmanischen Stil erbaute Brunnen ist 4,2 Meter hoch und 2,4 Meter breit und steht auf einem gepflasterten Fundament.

Über den Wasserhähnen ist der Koranvers 21,30 eingraviert. Daneben ist die deutsche und türkische Übersetzung angebracht. Sie lautet folgendermaßen:

„Wir schufen alles Leben aus dem Wasser“.

Ein Beispiel für die Liebesdichtung Emres bieten die am Brunnen zu lesenden und von der Orientalistin Annemarie Schimmel ins Deutsche übersetzten Verse:

„Nicht etwas zu behaupten kam ich – nur um der Liebe Willen wirk ich“, „Des Freundes Wohnstatt ist das Herz – um Herzen aufzubauen kam ich“.

Die Bekrönung wird durch den Spruch „mā şā’a llāh“ („Was Gott will“) geziert.

Literatur

Literatur

Dokumente des Bezirksamts Währing

Tomenendal, Kerstin (2000): Das türkische Gesicht Wiens. Auf den Spuren der Türken in Wien. Wien/Köln/Weimar.

Weiterführende Links

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