Kahlenberg, Karte
Text: Silvia Dallinger
Weit von der Ferne aus sichtbar sollte das geplante ‚Entsatz-Denkmal‘ am Kahlenberg an die siegreiche Schlacht der christlichen Heere gegen die osmanischen Truppen 1683 erinnern. Ein erster Vorschlag dazu wurde anlässlich des 200-Jahr-Jubiläums der Befreiung Wiens von der ‚Bürgervereinigung Liebenberg‘ eingebracht.
Da sich zur selben Zeit aber ein Denkmal im Wiener Stephansdom, das den Helden der Verteidigung Wiens gewidmet war, in Planung befand (siehe „Türkenbefreiungsdenkmal“), blieb es vorerst bei einer Gedenktafel am Kahlenberg.
Erst der 1895 gegründete Kahlenberger Kirchenverein griff die Idee erneut auf. Doch auch diese Initiative scheiterte schlussendlich an der Unfinanzierbarkeit des Denkmals.
„Eine eminente Ehrenschuld“
„Eine eminente Ehrenschuld“
Anlässlich des 200-jährigen Jubiläums der Entsatzschlacht von 1683 entbrannte in Wien ein heftiger Streit darüber, welchen Helden von damals ein Denkmal gesetzt werden sollte.
Nachdem das ‚Ministerium für Cultus und Unterricht‘ ein ‚Starhemberg-Denkmal‘ im Stephansdom geplant hatte, das sich durch die Hervorhebung des damaligen Stadtkommandanten vorrangig der Verteidigung Wiens widmen sollte, sah es die 1881 gegründete ‚Bürgervereinigung Liebenberg‘ als notwendig an, auch den Entsatz Wiens in einem ‚Befreiungsdenkmal‘ am Kahlenberg als Ort der siegreichen Entsatzschlacht zu würdigen.
In der ersten Vereinsbroschüre der ‚Bürgervereinigung Liebenberg‘ von 1883 wurde die Bedeutung dieses Denkmals hervorgehoben. Es sei
eine eminente Ehrenschuld, nicht allein der Stadt Wien, sondern ganz Oesterreichs, um nicht zu sagen ganz Europas, – nachdem das Moment der heldenmüthigen Vertheidigung der Stadt Wien in dem geplanten Starhemberg-Monumente im St. Stefans-Dome verewigt werden wird, – das zweite Moment dieses Aktes, die Befreiung, den Entsatz Wiens, in einem Befreiungsdenkmale zu Ehren der (unter Führung des Königs Sobieski von Polen) verbündeten Entsatzarmeen und Fürsten zu verewigen. (‚Bürgervereinigung Liebenberg‘ 1883: 38f.)
Ein Obelisk, der „weit hinaus sichtbar sein sollte“
Um neben der Verteidigung Wiens auch an die siegreiche Entsatzschlacht 1683 zu erinnern, war ursprünglich ein Denkmal auf der linken Seite des Hochaltars (Evangelienseite) der St. Josefskirche am Kahlenberg geplant. Dieses sollte den Kapuzinermönch Marco d’Aviano zeigen, wie er dem polnischen König Sobieski und den Feldherren die heilige Kommunion reicht. Statt dieser Darstellung setzte sich aber die Idee durch, ein ‚Entsatz-Denkmal‘ im Freien zu errichten.
1883 wurde vom Oberfinanzrat Pius Twardowski, einem Mitglied der ‚Bürgervereinigung Liebenberg‘, in der Ausgabe der ‚Neuen Illustrierten Zeitung‘ vom 28. Jänner 1883 in erster Linie der Entwurf für einen Obelisken, in zweiter Linie der Vorschlag für eine Gedenksäule veröffentlicht, „welche von der Höhe des Kahlenbergs bis Wien und weit hinaus in das Land sichtbar sein sollte“ (Twardowski 28.01.1883: 278).
Die dazugehörige Skizze des Architekten und Gemeinderats Andreas Streit, ebenfalls ein Mitglied der ‚Bürgervereinigung Liebenberg‘, zeigte einen Obelisken nach dem Muster einer römischen Siegessäule mit 40 Metern Höhe und drei Metern Durchmesser – ein Entwurf, der dem 1890 enthüllten Liebenberg-Denkmal bereits von Aufbau und Inhalt sehr ähnelt.
Victoria als Symbol für den „Sieg über den Islam“
Victoria als Symbol für den „Sieg über den Islam“
Der Obelisk sollte auf einem von Stufen umgebenen großen Sockel stehen und von der geflügelten Siegesgöttin Victoria bekrönt sein, „die in der Rechten das zur Befreiung bereite Schwert, in der Linken das Kreuz gegen Wien vorgestreckt hält, zum Zeichen, daß die Befreier die christlichen Völker waren“ (Twardowski 28.01.1883: 278), „gleichsam den Sieg der christlichen Armeen Mitteleuropas über den eroberungssüchtigen Islam der Welt verkündend“ (‚Bürgervereinigung Liebenberg‘ 1883: 39).
Die Säule sollte von Lorbeerzweigen und -blättern und den Wappen aller am Entsatz beteiligten Länder und Fürsten umrankt sein: „an erster Stelle und besonders ausgezeichnet, das Wappenschild Leopold’s I. und die Tafel 1683“ (Twardowski 28.01.1883: 278). Beabsichtigt war weiters, im Inneren der Gedenksäule eine Treppe zu errichten, die zu einer Aussichtsplattform führen sollte.
An den vier Seiten des Sockels waren Schrifttafeln geplant, die Informationen über die wichtigsten historischen Momente von 1683 beinhalten sollten. Als Bekrönung der Tafeln waren Büsten von Kaiser Leopold I. (vorne), Karl V. von Lothringen (links), Jan III. Sobieski (rechts) und Papst Innocenz XI. (hinten) (ebd.) vorgesehen. Ziel war es,
allen jenen Befreiern den Tribut der Dankbarkeit zu zollen, die bei der Verewigung historischer Ereignisse oft übergangen werden, weil sich Rücksichten geltend machen, die stärker sind als das Verdienst und die mehr dem Personencultus als der geschichtlichen Wahrheit huldigen. (ebd.)
Es war geplant, anlässlich der feierlichen Grundsteinlegung dieses ‚Entsatz-Denkmals‘ einen „imposanten costümirten Festzug auf den Kahlenberg“ (‚Bürgervereinigung Liebenberg’ 1883: 39) zu veranstalten, zu dem es jedoch ebensowenig kam wie zur Errichtung des Kahlenberger ‚Entsatz-Denkmals‘.
Ein überflüssiges Monument?
Verschiedene Akteure schätzten die Kosten für das geplante ‚Entsatz-Denkmal‘ am Kahlenberg auf 25 000 bis 110 000 Gulden (Bieńkowski 1983: 409). Nachdem auch die eigens 1883 von der ‚Bürgervereinigung Liebenberg‘ herausgegebene Publikation „Wienerisches Ehrenkränzlein von 1683“, die für das Denkmal warb und um Spenden bat, nicht genug Geld lukrieren konnte, wurde seine Umsetzung von der ‚Säcularfeier-Comission‘ bereits im Jänner 1883 als zu teuer erachtet und abgelehnt. Es wurde damit argumentiert, dass das ‚Starhemberg-Denkmal‘ (das spätere Türkenbefreiungsdenkmal im Stephansdom) ohnehin Verteidigung und Entsatz zusammenfasste und aus diesem Grund kein eigenes ‚Entsatz-Denkmal‘ am Kahlenberg nötig sei.
Stattdessen stiftete die Gemeinde Wien eine Gedenktafel, die am 11. September 1883 an der St. Josefskirche am Kahlenberg enthüllt wurde (siehe “Gedenkfeier am Kahlenberg”), um zumindest damit diesen historisch als wichtig erachteten Ort für sich zu beanspruchen und gleichsam zu ‚besetzen‘. Die ‚Bürgervereinigung Liebenberg‘ wiederum griff die bereits 1879 vom Gemeinderat Landsteiner geäußerte Idee der Errichtung eines Liebenberg-Denkmals wieder auf (Feichtinger 2010: 113f.)
Gefeiert wird auch ohne Denkmal
Gefeiert wird auch ohne Denkmal
Trotz der gescheiterten Denkmalssetzung am Kahlenberg erfüllten sich einige „patriotisch gesinnte Österreicher“ (Hamminger 1986: 66) den Wunsch nach einer jährlichen Feier am 12. September (siehe „Jubiläumsfeiern am Kahlenberg“). Oberfinanzrat Pius Twardowski, ein Mitglied der polnischen Diaspora in Wien (der Wiener Polonia) sowie der ‚Bürgervereinigung Liebenberg‘, gab die Anregung zur Idee, jährlich eine große Feier mit Dankgottesdienst zu veranstalten. Schon seit 1852 war Twardowski jedes Jahr am 12. September auf den Kahlenberg gepilgert, „um daselbst den Sieg des Christenheeres über die Türken in seiner Weise zu feiern“ (Hemberger 1893, in: Hamminger 1986: 74).
Gemeinsam mit dem zwischen 1891 und 1906 amtierenden Benefiziaten der St. Josefskirche Josef Hemberger plante Twardowski im Jahr 1893 das „I. Decennium des III. Saeculums seit der Befreiung Wiens“ (ebd.) durch einen feierlichen Gottesdienst für die in Wien lebenden Polen und Polinnen zu begehen. Der Pfarrer vom Kahlenbergerdorf Franz Sales Neumayer und Dr. Gustav Benischko erteilten ihre Zustimmung.
„Solange ich Pfarrer bin, wird gefeiert“
Am Sonntag, den 10. September 1893, wurde schließlich zum Fest Mariä Namen ein polnischer und am 12. September ein allgemeiner Dankgottesdienst abgehalten. Auch im darauf folgenden Jahr wurde eine Messfeier wie diese zelebriert; die Gründung eines Vereins, der die regelmäßige Abhaltung dieses Gottesdienstes ermöglichen sollte, wurde angeregt. Pfarrer Neumayer betonte in seiner Predigt vom 12. September 1893: „Solange ich Pfarrer von Kahlenbergerdorf bin wird diese historische und echt österreichische Feier am 12. September feierlich abgehalten werden“ (Hamminger 1986: 68). Er veranlasste weiters die Einführung eines Gedenkbuches, in dem über die jährlichen Feiern berichtet werden sollte.
Der Kahlenberger Kirchenverein wird gegründet
Der Kahlenberger Kirchenverein wird gegründet
Am 16. August 1895 (Hemberger 1896: 29) wurde schließlich der ‚Kahlenberger Kirchenverein‘ von Josef Hemberger, Pfarrer Neumayer sowie Oberfinanzrat Pius Twardowski gegründet. Letzterer wurde zum Vorsitzenden (Hamminger 1986: 66) bzw. zum Vizevorsitzenden (Bieńkowski 1983: 411) des Vereins. Ziel des Vereins war es:
- alljährlich am 12. September in der St. Josefskirche einen feierlichen Gottesdienst abzuhalten im Gedenken an den Sieg über die osmanischen Truppen 1683,
- durch die Errichtung einer Stiftung die Finanzierung dieser Feier langfristig zu garantieren, sowie
- im Gedenken an die siegreiche Entsatzschlacht ein Denkmal zu setzen.
Die Denkmalsidee wurde also trotz ihrer Ablehnung im Jubiläumsjahr 1883 erneut aufgegriffen. Der Verein hatte 84 Gründer, 73 Wohltäter und 272 Mitglieder, die mehrheitlich Wiener Polen waren.
Im Rahmen der Gedenkmesse sangen ab 1899 die Knaben des k. u. k. Waisenhauses in Wien im Kirchenchor zur Erinnerung an Bischof Leopold Karl Graf Kollonitsch, „welcher am Tage nach dem Entsatze von Wien in das türkische Lager sich begab und die dort aufgefundenen christlichen Kinder als seine Beute in die befreite Stadt brachte und als ‚Obervormund der Waisen‘ für ihre Pflege sorgte“ (Hamminger 1986: 67).
Der ‚Kahlenberger Kirchenverein‘ plante außerdem die Errichtung einer Stiftung im Stephansdom, um auch dort alljährlich zum Fest Mariä Namen eine Gedenkmesse an die Kahlenberger Schlacht einzusetzen. Allerdings wurde dieser Stiftung keine Genehmigung erteilt.
Eine Gedenktafel ist zu wenig
Obwohl sich schon im Jahr 1883 die Errichtung eines ‚Entsatz-Denkmals‘ am Kahlenberg als unfinanzierbar erwiesen hatte, veröffentlichte Josef Hemberger, Mitbegründer des Kahlenberger Kirchenvereins, 1896 erneut eine Schrift zum „Entsatz-Denkmal auf dem Kahlenberge Wien XIX“ zu dem Zweck, „die Idee des Kahlenberger Kirchenvereines im christlichen Volke populär zu machen“ (Hemberger 1896: 3).
Darin argumentiert er für das Denkmal wie folgt:
Während für den Entsatz und die Verteidigung Wiens 1683 wichtige Personen und Orte bereits ihre Würdigung erfahren haben, etwa durch das Türkenbefreiungsdenkmal im Stephansdom, das Liebenberg-Denkmal vor der Mölkerbastei und die St. Josefs-Votivkirche im 18. Wiener Gemeindebezirk, gebe es nur einen Punkt der Stadt Wien, der „bisher zu wenig gewürdigt“ (dieses und folgende Zitat(e): Hemberger 1896: 7) worden sei: den Kahlenberg. Es sei nun an der Zeit, jene ‚Helden‘ des Entsatzheeres zu ehren, die auf dem Türkenbefreiungsdenkmal „nur so nebenher, und dem Auge des Beschauers allzu entrückt erscheinen“.
Die Verdienste des Entsatzheeres sind nicht minder groß, als die Verdienste der Vertheidigung Wiens und es geht nicht an, die Helden des Entsatzes blos nur so gleichsam als Aufputz eines anderen Denkmales zu verwenden; sie haben ein eigenes Denkmal verdient, wie auch ihr Eingreifen sich als eine besondere Phase des Befreiungswerkes darstellt, und der Kahlenberg ist der geeignetste Platz, auf welchem die Verdienste des Entsatzheeres in würdiger Weise verewigt werden sollen.
Ohne dieses Gegenstück auf dem Kahlenberge bleibt das Starhemberg-Denkmal in St. Stefan eine Halbheit, sowie auch die Vertheidigung nichts genützt hätte, wenn nicht die Hilfe der Entsatzarmee rechtzeitig von den Höhen des Kahlenberges herabgekommen wäre.
Ziel müsse es demnach sein, die „sehr bescheidene Gedenktafel“, die 1883 an der St. Josefskirche am Kahlenberg angebracht worden war, „durch ein größeres und würdigeres Denkmal zu ersetzen“. Ein weiteres erklärtes Anliegen des ‚Kahlenberger Kirchenvereins‘ sei es, eine eigene Stiftung einzurichten, die die alljährliche Gottesdienstfeier am 12. September „zum Andenken an die Messe des P. Marco d’Aviano und an den demüthigen Altardienst des Königs Sobieski“ (ebd.: 21) ermöglichen solle.
Fünf Gründe für die Errichtung eines Denkmals
Fünf Gründe für die Errichtung eines Denkmals
Dass gerade das Jahr 1896 und die damit verbundenen Ereignisse den richtigen Zeitpunkt bieten würden, sich durch die Errichtung des langersehnten Denkmals der Entsatzschlacht im Jahr 1683 zu erinnern, versuchte der Mitbegründer des Kahlenberger Kirchenvereins Josef Hemberger anhand von fünf Punkten darzulegen. Dabei betont er vor allem die Rolle des Glaubens und des christlichen Schulterschlusses gegen anti-religiöse Kräfte, womit hauptsächlich die Liberalen zu seiner Zeit gemeint waren.
1. Der Wahlkampf der christlichsozialen Bewegung
Hemberger vergleicht die Wahlkämpfe der christlichen Parteien seiner Zeit (gegen die Liberalen und Sozialdemokraten) mit dem Kampf des vereinigten christlichen Entsatzheeres 1683 gegen die ‚Ungläubigen‘. Die Christlich-Soziale Partei, ein Zusammenschluss der verschiedenen Gruppen der christlich-sozialen Bewegung, gewann 1895 unter der Führung Dr. Karl Luegers die Zweidrittelmehrheit im Wiener Gemeinderat.
Möge die aufgefrischte Erinnerung an das große Befreiungswerk im Jahre 1683 zugleich eine Aufmunterung sein für die Zaudernden, die da meinen, im Bündnisse mit den Feinden des Christenthums Gott einen Dienst zu thun und das Wohl der Monarchie fördern zu können. – Mögen Andere wieder erkennen, wie wichtig und nothwendig die Einigkeit unter den Führern ist, wenn ein großes Werk gelingen soll. – Möge man auch durch diese Erinnerung zur Ueberzeugung kommen, daß die ‚Mannschaft des Papstes‘ einem wahrhaft edlen und großen Werke nicht hinderlich, sondern stets fördernd zur Seite steht, soweit es dem Berufe und den Pflichten derselben entspricht, und endlich einmal die lächerliche Angstmacherei vor dem Clericalismus ablegen. (Hemberger 1896: 30)
2. Der 200. Todestag von Jan III. Sobieski
Am 17. Juni 1896 jährte sich der Todestag Sobieskis zum zweihundertsten Mal. Auch wenn seine Rolle für den Sieg der Entsatzschlacht vielerseits überschätzt worden sei – „so viel bleibt gewiß, daß sein Erscheinen nebst Gott die Sache des Christenheeres entschieden hat. […] Das Denkmal auf dem Kahlenberge werde also zugleich ein herrliches Grabmonument, das wir ihm zum zweihundertsten Todestage in Dankbarkeit weihen“ (Hemberger 1896: 30f).
3. Das 50-jährige Regierungsjubiläum von Kaiser Franz Josef I.
Zu Ehren Kaiser Franz Josefs I. sollte anlässlich seines Regierungsjubiläums, wenn schon nicht Kaiser Leopold I., so aber doch ein weiterer seiner Vorfahren, Karl V. von Lothringen, mit dem geplanten ‚Entsatz-Denkmal‘ geehrt werden.
Könnten wir also wohl dem ritterlichen Nachkommen dieses heldenmüthigen Ahnherrn zu seinem Regierungs-Jubiläum eine größere Freude bereiten, als dadurch, daß wir durch Errichtung eines Entsatzdenkmales auch den Verdiensten des Herzogs von Lothringen gerecht werden und so endlich eine alte Ehrenschuld zeitgemäß abzahlen, mit der wir der Rettungsarmee und ihren Führern gegenüber im Rückstande sind! Oder sollten sich die Helden des Entsatzheeres wirklich nicht mehr verdient haben, als das sehr bescheidene Plätzchen auf den Seitenpostamenten des Starhemberg-Denkmales in St. Stefan? (Hemberger 1896: 33)
4. Der 200. Todestag von Marco d’Aviano
Zum 200. Todestag von Marco d’Aviano am 13. August 1899 sollte dem Kapuzinerpater schon jetzt, 1896, ein Denkmal am Kahlenberg errichtet werden. Eine weitere Möglichkeit Aviano ein Denkmal zu setzen wäre seine Seligsprechung, die bereits von Kaiser Leopold I. unterstützt worden war.
Wien und die ganze Monarchie würde dadurch gewiß einen mächtigen Schutzpatron erhalten, der uns durch seine Fürbitte bei Gott helfen würde, nicht bloß die äußeren, sondern auch die inneren Feinde zu besiegen und wieder wahrhaft christkatholisch zu werden. Denn, gestehen wir es nur, die gegenwärtige Reformbewegung wird nur dann zum Heile des Volkes sein, wenn nicht bloß der wirtschaftliche und politische, sondern auch der religiöse Pseudoliberalismus besiegt sein wird. (Hemberger 1896: 35)
5. Beten für den Sieg – Die Bedeutung der Heiligen Messe
Schließlich erinnert Hemberger an die Feldherren des Entsatzheeres von 1683, die ihren starken Glauben durch den regelmäßigen Besuch von Gottesdiensten bewiesen und damit „für ewige Zeiten ihren Ruhm als christliche Helden besiegelt“ (ebd.: 36) hätten. Deren Beispiel solle nach Hemberger als Mahnung für heute dienen, denn „nur jenes Volk wird sich zu großen Thaten begeistern, das sich mit Gott verbindet; es wird der Vernichtung anheimfallen, wenn es sich vom wahren Gotte entfernt. Die innigste Vereinigung mit Gott vollzieht sich aber auf dieser Erde im hochheiligsten Altarsgeheimnisse“ (ebd).
Die jüngste Vergangenheit sei geprägt gewesen von einer Geringschätzung und Verhöhnung des Hl. Messopfers:
Es ist aber gegenwärtig – nach Außen hin – etwas stiller geworden; doch diese Stille kann auch wie eine Gewitterschwüle sein. Wir haben vielleicht eine noch traurigere Zeit vor uns. Ob es der achtbaren christlichen Reformbewegung gelingen wird, die der Christenheit von einer gottentfremdeten Anarchie im Bunde mit dem Freimaurerthum drohenden Gefahren abzuwenden? Gewiss – wenn die Christen mit jenem Gottvertrauen, das vor mehr als 200 Jahren die christliche Entsatzarmee und ihre Helden beseelte, in den Kampf eintreten; gewiss, wenn sie nicht vernachlässigen, sich mit der göttlichen Allmacht im heiligsten Altargeheimnisse enger und inniger zu verbinden, welcher auch die Hölle nicht widerstehen kann; gewiss, wenn sie in diesem Centrum der Liebe, in dieser Stätte wahrer Einigkeit, auch unter sich selbst einig zu werden verstehen. Treffen diese Bedingungen nicht ein – so wird der Gewittersturm nicht ausbleiben und heftiger wüthen, als alle bisherigen Stürme! – Doch hoffen wir! (Hemberger 1896: 36f.)
„Ein Entsatz- und kein Papst-Denkmal“
„Ein Entsatz- und kein Papst-Denkmal“
Eine endgültige Entscheidung über die Ausführung des vom Kahlenberger Kirchenverein geplanten ‚Entsatz-Denkmals‘ am Kahlenberg war im Jahr 1896 noch immer nicht getroffen worden. Auch ist keine Skizze des Denkmalentwurfs in der Publikation Josef Hembergers abgebildet, aber dennoch schilderte er darin ausführlich die Denkmaldetails.
Die vorgesehene Form des ‚Entsatz-Denkmals‘ ähnelte dem ersten Entwurf von Andreas Streit aus dem Jahr 1883, unterschied sich aber auch in etlichen Punkten davon. Wie schon beim früheren Entwurf war vorgesehen, das Denkmal so aufzustellen, dass es möglichst weithin sichtbar sein sollte.
Dadurch würde es nicht bloß eine Zierde des XIX. Bezirkes sein, sondern auch ein Wahrzeichen für den christlichen Charakter der Stadt Wien, und ein eindringlicher Mahner, festzuhalten an dem Zeichen unserer Erlösung, für dessen Sieg unsere Vorfahren auf diesen Hügeln gekämpft und ihr Blut vergossen haben. (Hemberger 1896: 26)
Den Sockel des Denkmals sollten an seinen vier Seiten Reliefs schmücken, die einzelne Episoden des Entsatzes darstellten.
Ein Kreuz als Zeichen für den „Sieg über den Halbmond“
Im Unterschied zu Streits Entwurf war jedoch nicht die ‚heidnische‘ Siegesgöttin Victoria als Bekrönung des Denkmals vorgesehen; den Mittelpunkt des Entwurfs von 1896 bildete vielmehr ein großes Kreuz, das dem Denkmal eine stärkere christliche Symbolik verleihen sollte. Nach Hemberger: „Mit Recht! Handelte es sich doch damals in erste Linie um den Sieg des Kreuzes gegen den Halbmond“ (ebd.: 24). Am Fuß des Kreuzes war die Anbringung osmanischer Trophäen geplant.
Auch hinsichtlich der Darstellungen der ‚Helden‘ von 1683 unterschieden sich die beiden Denkmalsentwürfe. Zwar sahen beide die Würdigung von Jan III. Sobieski und Karl V. von Lothringen vor; der Entwurf des ‚Kahlenberger Kirchenvereins‘ verzichtete jedoch auf die Darstellungen Kaiser Leopolds I. und Papst Innocenz XI. Stattdessen sollten die Feldherren Max Emanuel, Kurfürst von Bayern, und Johann Georg III., Kurfürst von Sachsen, gemeinsam mit Sobieski und Lothringen als Statuen auf einem breiten, von Stufen umgebenen Unterbau des Denkmals verewigt werden. Darüber hinaus war eine Inschrift mit den Namen der übrigen Feldherren geplant.
Papst Innocenz XI. erhält keinen Platz
Während er das Fehlen Kaiser Leopolds I. auf dem Denkmalsentwurf nicht kommentierte, legt Hemberger ausführlich dar, warum keine Statue von Papst Innocenz XI. errichtet werden solle. Der Sieg über die Türken sei zwar das größte Verdienst des Papstes, weil er das Bündnis zwischen den christlichen Fürsten und Kaiser Leopold I. erwirkt, Ludwig XIV. von einem Angriff abgehalten, finanzielle Unterstützung geboten und nicht zuletzt dank seines Gebetes den Sieg erwirkt habe. Aus diesen Gründen stehe ihm auch ein Ehrenplatz zu. Dennoch solle das Denkmal auf dem Kahlenberg aber „ein Entsatz- und nicht ein Papst-Denkmal sein“ (Hemberger 1896: 27).
Dem Papste Innocenz XI. gebührt also nach Gott vor allem die Ehre des Sieges, was König Sobieski selbst anerkannte, indem er ihm allein die türkische Hauptfahne überreichen ließ. [...] Gewiss hat deshalb der ruhmwürdige Papst ein Ehrendenkmal verdient, aber nicht, so scheint es mir, auf dem Kahlenberge, sondern in Rom, nicht blos für die Rettung Wiens, sondern für die Befreiung des Christenthums, nicht blos im Vereine mit den Feldherren des Entsatzheeres, sondern für seine Person allein. Auf diese Thatsache mag durch ein entsprechendes Relief auf dem Entsatzdenkmale hingewiesen werden, etwa durch die Darstellung der Annahme der türkischen Fahne, auf welche Innocenz XI. seinen Fuß setzte, um seinen Abscheu vor dem Islam auszudrücken. (ebd.)
Auch eine weitere Symbolfigur der katholischen Kirche, der Kapuzinerpater Marco d’Aviano, sollte nicht in Form einer Statue, sondern zumindest in einem der Reliefs verewigt werden: „Die verdienstliche Thätigkeit dieses ausgezeichneten Priesters, dessen man auf dem Denkmale in St. Stephan nicht gedacht hat, soll auf dem Entsatzdenkmale wenigstens durch ein würdiges Relief Anerkennung finden“ (ebd.: 29).
Das Projekt scheitert an zu hohen Kosten
Das Projekt scheitert an zu hohen Kosten
In der Publikation Josefs Hembergers, der sich als Mitbegründer des Kahlenberger Kirchenvereins für die Errichtung des ‚Entsatz-Denkmals‘ einsetzte, wurde u.a. mittels eines Gedichtes zu Spenden für das geplante Monument bzw. eine Stiftung für die alljährlichen Gottesdienstfeiern am 12. September aufgerufen:
….Wer die Helden ehrt,
Die, wie uns die Geschichte lehrt,
Mit Muth den Türken abgewehrt,
Ist selbst der gleichen Ehre werth!
Und jede Krone, die er spendet,
Damit ihr Denkmal wird vollendet,
Mit Dank empfängt sie der Verein
Und Gott wird einst Vergelter sein. (ebd.: 38)
Da jedoch auch für dieses Denkmal nicht genügend Mittel lukriert wurden, konnte es nicht realisiert werden. Der Kahlenberger Kirchenverein wurde kurze Zeit später aufgelöst. Die St. Josefskirche am Kahlenberg wurde schließlich von polnischen Resurrektionistenpatres übernommen, die anlässlich der Jubiläen 1933 und 1983 der Entsatzschlacht am Kahlenberg gedachten. Bis heute wird die St. Josefskirche von polnischen Priestern betreut. Sie war und bleibt ein beliebter Wallfahrts- und nationaler Gedächtnisort von und für Polen.
Literatur
Literatur
Bieńkowski, Wieslaw (1983): Wien und Krakau 1883. Die Feierlichkeiten zum 200-jährigen Jubiläum. In: Studia Austro-Polonica 3. Warschau/Krakau, 401–439.
‚Bürgervereinigung Liebenberg‘ (1883): Wienerisches Ehrenkränzlein von 1683. Unparteiische Prüfung der Anschuldigungen des Herrn Onno Klopp durch eine Vereinigung von Wiener Bürgern. Herausgegeben als erste Vereinsgabe der „Bürgervereinigung Liebenberg“. Wien.
Feichtinger, Johannes (2010): „Auf dem Zauberhaufen“. Der Burgravelin und die Funktionalisierung des Gedächtnisses an den Entsatz Wiens von den Türken 1683, in: ÖZKD. Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege, Jg. 64, Heft 1–2 (Sonderheft: Wiener Stadt- und Burgbefestigung, konzipiert und koordiniert von Markus Jeitler, Richard Kurdiovsky, Anna Mader-Kratky), 108–115.
Hamminger, Josef Dominicus/ Wiener Katholische Akademie (Hg.) (1986): Leopoldi Capelln am Kallenberg oder St. Josephskirche der PP Kamaldulenser auf dem Josephsberg (Sobieskikapelle in der St. Josephskirche)? Wo hat Pater Marco d’Aviano vor der Entscheidungsschlacht am 12. September 1683 die heilige Messe gefeiert? Wien.
Hemberger, Josef (1893): Gedenkbuch über die in der St. Josefskirche auf dem Kahlenberge abgehaltenen Dankfestlichkeiten. In: Hamminger, Josef Dominicus/ Wiener Katholische Akademie (Hg.) (1986): Leopold Capellan am Kallenberg oder St. Josephskirche der PP Kamaldulenser auf dem Josephsberg (Sobieskikapelle in der St. Josephskirche)? Wo hat Pater Marco d’Aviano vor der Entscheidungsschlacht am 12. September 1683 die heilige Messe gefeiert? Wien, 73–74.
Hemberger, Joseph (1896): Das Entsatz-Denkmal auf dem Kahlenberge Wien XIX. Wien.
Krasa, Selma (1982): Das historische Ereignis und seine Rezeption. Zum Nachleben der Zweiten Türkenbelagerung Wiens in der österreichischen Kunst des 19. Und 20. Jahrhunderts. In: Historisches Museum der Stadt Wien (Hg.): Die Türken vor Wien. Europa und die Entscheidung an der Donau 1683. Salzburg/Wien, 304–317.
Twardowski, Pius (28.01.1883): Das Befreiungs-Denkmal für 1683 auf dem Kahlenberge. In: Neue Illustrierte Zeitung, 278.
Weißenhofer, Anselm (1957): Geschichte des Liebenbergdenkmals. In: Wiener Geschichtsblätter, 12. Jahrgang, Nr. 1, 2–7.