Gentzgasse 142 , Karte

Text: Johanna Witzeling, Johannes Feichtinger, Johann Heiss

Der bekannte judenfeindliche Pfarrer Joseph Deckert gründete 1880 einen Kirchenbauverein mit der Absicht, anlässlich des 200-jährigen Jubiläums der Befreiung Wiens eine Votivkirche zu errichten. „Wir befinden uns“, meinte Pfarrer Deckert selbst im Jahre 1893, „in einem Gotteshause, das zum Andenken an eine für Wien und die ganze abendländische Christenheit überaus wichtige Begebenheit gebaut wurde, zum Andenken an die glorreiche Befreiung Wiens aus der Türkennoth des Jahres 1683.“ (Deckert 1894: 3) 1883 wurde mit dem Bau begonnen, zehn Jahre später wurde die Kirche vollendet.

Die Osmanen und die gegenwärtigen Feinde

Die Osmanen und die gegenwärtigen Feinde

Joseph Deckert formulierte in drei seiner Predigten aus dem Jahr 1893 programmatisch: „Ich will zuerst von dem Kampfe und dem Siege im Jahre 1683 sprechen; dann von den Gefahren, die uns gegenwärtig drohen; endlich aber von der Möglichkeit und den Bedingungen des Sieges über unsere gegenwärtige (sic!) Feinde.“ (Deckert 1894: 4) Der Sieg über die Osmanen von 1683 gab dem Kirchengründer und Pfarrer Deckert Hoffnung auf den Sieg über aktuelle, seiner Meinung nach noch gefährlichere Feinde als das überwundene „Türkenjoch“: die – wie er meinte – vorhandene „Judenherrschaft“: 1683 „drohten erst die Sclavenketten; jetzt tragen wir sie schon.“ (Deckert 1894: 17) Deckert führte „die schmähliche Abhängigkeit von den Juden“ darauf zurück, dass der „moderne Staat um der Juden willen auf seinen christlichen Charakter verzichtet“ hat. (Deckert 1894: 12) Die „Emancipation der Juden“ (Deckert 1894: 11) habe dem christlichen Volk eine „schmähliche Fremdherrschaft“ (ebd.: 10f.) auferlegt. Damit verwendete Deckert das Türkenfeindbild nicht nur als Waffe gegen Liberale, sondern vor allem auch gegen Juden.

Weinhaus zur Zeit der Zweiten Türkenbelagerung

Weinhaus zur Zeit der Zweiten Türkenbelagerung

Der Grund für die Errichtung einer neuen Kirche in Weinhaus war, dass sich das seit 1853 als Pfarrkirche genutzte Gotteshaus „für die große Gemeinde bereits als zu klein“ erwiesen hatte (Das Vaterland, 17.9.1883: 4). Anlass dafür war zeitlich gesehen das zweihundertjährige Jubiläum des Entsatzes von Wien, örtlich gesehen die nahe Türkenschanze. In der konservativ-katholischen Zeitung „Das Vaterland“ heißt es am Montag, den 17. September 1883: „Am Abhange der Türkenschanze in Weinhaus, wo vor zweihundert Jahren zuerst der Sieg der christlichen Heerführer über die Türken erfochten wurde“ (Das Vaterland, 17.9.1883: 4), wurde zum Abschluss der kirchlichen „Erinnerungsfeierlichkeiten“ der Grundstein für eine neue Kirche in Weinhaus gelegt. Die weitere Baufinanzierung sollte sich allerdings als schwierig erweisen. Zahlreiche Aktivitäten mussten hierfür gesetzt werden. So wurden z.B. Kanzelredner eingeladen, um die Bevölkerung zum Spenden zu mobilisieren, darunter die Jesuiten Max von Klinkowström und der berüchtigte Heinrich Josef Maria Abel. Schließlich ergriff auch der Kirchengründer und Judenhetzer Deckert selbst das Wort.

Während der Zweiten Türkenbelagerung Wiens 1683 hatte das osmanische Heer die so genannte ‚Türkenschanze‘ bei Weinhaus besetzt. Sächsische Truppen gelang es schließlich, diesen strategisch wichtigen Abschnitt einzunehmen. Der Fürst Georg Friedrich Waldeck befreite daraufhin mit seinen Soldaten Weinhaus. Heute gehört die Weinhauser Pfarrkirche in der Gentzgasse im 18. Wiener Gemeindebezirk zum Vikariat Wien-Stadt/ Stadtdekanat 18.

„Gottesfurcht und innige Vaterlandsliebe“

„Gottesfurcht und innige Vaterlandsliebe“

1878 erhielt der Pfarrer von Weinhaus Joseph Deckert eine Spende von 50 Gulden von einem gewissen Graf Spiegel für einen ,guten Zweck‘. Pfarrer Deckert nahm die bevorstehende Säkularfeier der Befreiung Wiens 1883 zum Anlass, diese Spende als „Senfkörnlein zu einem Capitale“ (Truxa 1891: 26) zu verwenden, um eine neugotische Votivkirche zu Ehren des heiligen Joseph, des österreichischen Schutzpatrons, zu erbauen. Durch den Namen eines

hervorragenden Heiligen, in dessen besonderen Schutz sich die sieg- und ruhmgekrönten Vorkämpfer der katholischen Religion begeben haben, [...] werden die Besucher einer solchen Kirche im Glauben an die Wirksamkeit der Fürbitte an die Heiligen gestärkt und die Erfurcht vor dem Kirchenpatrone auf die höchste Stufe gehoben. (Gruber 1886: 6)

So habe die Kirche auch eine politische Funktion erhalten: Es würden „die Merkmale eines religiös-politischen Monumentes mit unauslöschlichen Zügen eingeprägt, wo heilige Gottesfurcht und innige Vaterlandsliebe zugleich zur sinnfälligen Darstellung gelangen.“ (ebd.: 5) Weiters würde sie die „Angehörigen jeder Nation belehren, dass die Bewohner der österreichisch-ungarischen Monarchie bei jedem gerechtfertigten Kampfe mit hasserfüllten Feinden in der hingebungsvollen, nicht bloß in Worten ausgesprochenen, sondern durch todesmuthige Tapferkeit bewährten Anhänglichkeit an das angestammte Kaiserhaus und in dem von echt katholischer Religiosität getragenen Gottvertrauen die Bürgschaften des Sieges suchen sollen und finden werden.“ (ebd.: 9) Schließlich sollte mit dem Kirchenbau auch die Raumnot in der bestehenden Ortskapelle behoben werden. In der Kirche sollten die rund 2000 Bewohner und Bewohnerinnen des Ortes Weinhaus Aufnahme finden. Die St. Josephs-Votivkirche sollte aber nicht nur den „religiösen Anforderungen der örtlichen Seelsorge“ gerecht werden, sondern auch als „Erinnerungsmal“ an die Befreiung Wiens und als künftiges „Mahnzeichen“ fungieren:

um in deren Ausstattung die großen Ideen, wodurch unsere Ahnen im Jahre 1683 zu wunderbaren Leistungen befähigt und gestählt worden sind, vor den jeweilig lebenden Geschlechtern zu versinnlichen, stets im Andenken zu erhalten, zur Nachahmung ihres großen Beispieles anzufeuern. (ebd.: 6)

Zusätzlich könne der „Bau eines der Anbetung Gottes“ gewidmeten Hauses „eine alte Schuld der Christenheit“ begleichen und an die Pflicht Gott zu danken erinnern.

Spendenaufrufe für den Kirchenbau

Spendenaufrufe für den Kirchenbau

Um auch „Minder-Bemittelten“ (Truxa 1891: 26) die Möglichkeit zu geben, sich an diesem „hoch-patriotischen Werke“ zu beteiligen, gründete Pfarrer Deckert am 8. Dezember 1880 den besagten Kirchenbauverein, dessen Mitglieder einen jährlichen Mindestbeitrag von einem Gulden und 20 Kreuzer leisten mussten.

Der Vorstand des Kirchenbauvereins setzte sich aus folgenden Personen zusammen:

  • Präsident: Pfarrer Joseph Deckert
  • Vize-Präsident: Sebastian Mayer (Bürgermeister von Weinhaus)
  • Ausschuss: Franz Schweng (Oberlehrer), Dr. Alois Gruber (Mediziner), Franz Fasching (Gemeinderat und Hausbesitzer), Professor Jacob Meister, Joseph Brandeiski
  • Sekretär: Dr. Hans Maria Truxa

Da die geplante Votivkirche „einem patriotischen Zweck“ dienen und somit auch ein „militärisches Sieges-Denkmal“ (Truxa 1891: 27) bilden sollte, übernahm Feldmarschall Erzherzog Albrecht das Protektorat über den Bau und entrichtete dazu den doppelten Gründerbeitrag von 2000 Gulden.

Auch Kaiser Franz Joseph, das Kaiserhaus und Angehörige aller Stände spendeten für den Kirchenbau, sodass Anfang 1882 bereits 30 000 Gulden gesammelt worden waren. Mit der Summe von 17 500 Gulden wurde ein Grundstück von 2332  ‚Quadrat-Klaftern‘ (entspricht ca. 8400 m2) gekauft.

Mit den architektonischen Ausführungen wurde Oberbaurat Dom-Baumeister Friedrich Schmidt betraut.

Der gefeierte Kanzelredner Pater Max von Klinkowström hielt zu verschiedenen Anlässen (wie zum „Fest des ersten Spatenstichs und der Grundsteinweihe am 16. September 1883 und zur Feier der Grundsteinlegung am 14. September 1884 sowie zur feierlichen Weihe der Kirche am 12. Mai 1889) rund um den Kirchenbau Predigten, in denen er die Gläubigen zur finanziellen Unterstützung aufforderte. Zusätzlich wurde die „Aufmerksamkeit der Regierung durch eine [im Jahre 1886] von Med.-Dr. Alois Gruber meisterhaft ausgearbeitete Denkschrift auf den Kirchenbau gelenkt“ (Truxa 1891: 34).

Hans Maria Truxa überreichte als Sekretär des Kirchenbauvereins diese Denkschrift am 13. März 1885 dem Ministerpräsidenten Graf Eduard Taaffe. „In Folge dessen“ (Truxa 1891: 24) spendete der dem Innenministerium unterstehende Stadterweiterungsfonds 4000 Gulden.

Der Kostenvoranschlag von 120 000 Gulden konnte allerdings nicht eingehalten werden. Der Kirchenbau kostete schließlich 200 000 Gulden.

Erster Spatenstich und Grundsteinweihe

Am 16. September 1883 wurde das „Fest des ersten Spatenstichs und der Grundsteinweihe“, die mit der Säcular-Feier der Befreiung Wiens aus der Türkennoth in Verbindung gebracht [wurde]“ (Truxa 1891: 27f.), gefeiert. Laut der ‚Wiener Vororte-Zeitung‘ vom 22. September 1883 beteiligten sich am Festzug von der alten Pfarrkirche zum Bauplatz „der Liechtenthaler St. Josef-Verein, Weinhauser Bürgersöhne mit der Freiwilligen Fahne, der katholische Gesellen- und Meister-Verein, die Schuljugend, Gemeinde-Vertretung, die Pfarrgeistlichkeit und endlich der hochwürdige Herr Erzbischof von Wien im vollen Ornate“ (ebd.: 1). Trotz spärlicher Anteilnahme von Vertretern der Staatsadministration und des Wiener Gemeinderates wurde der Anlass mit großem Pomp begangen:

In der Herrengasse in Währing, dort, wo sie von der Türkenschanzenstrasse gekreuzt wird, erhob sich eine mächtige Triumphpforte mit Kränzen, Guirlanden und Wappen geziert; auf der gegen die Stadt gerichteten Seite der Pforte stand in lateinischer und deutscher Sprache, von den zwei Jahreszahlen 1683 und 1883 flankirt: ‚Gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herren‘; auf der Rückseite war der Spruch: ‚Er errichtete den Stein zum Gedächtnisse‘  zu lesen. […] Vier große Holzobelisken, mit Fahnen und durch Blumengewinde verbunden, erhoben sich vor dem Weinberge, auf dem die Kirche gebaut werden soll. (Das Vaterland, 17.9.1883: 4)

Diese „bundbewimpelte, himmelanstrebende Baumsäulen“ sollten „den Umfang des aufzuführenden Baues bezeichnen und begrenzen.“ (Klinkowström 1884: 1)

Die kirchliche Weihe des Bauplatzes vollzog Kardinal-Fürsterzbischof Cölestin Ganglbauer.

Tausende Zuschauerinnen und Zuschauer aus Wien und Umgebung nahmen an dem Fest teil, auch um den Jesuiten, Reiseprediger und Kanzelredner Pater Max von Klinkowström zu hören.

In seiner Rede zur Weihe des Bauplatzes 1883 hatte Klinkowström betont, der Bau solle „nicht sowohl ein Monument, ein Erinnerungszeichen, ein Moniment – ein Mahnzeichen“ für die künftigen Geschlechter sein: ein Mahnzeichen an die großen Helden, die mit Gottes Hilfe das fürchterliche Schlachtenwetter, das sich vor zweihundert Jahren über Oesterreichs gesegneten Gauen entladen, überdauert haben, bis der Sturm sich gewendet und die feindlichen Horden zurückgetrieben, woher sie gekommen.“ Weiters ging Klinkowström auf den Patriotismus ein, „das mächtigste Gefühl der Oesterreicher“, und erinnerte daran, dass das Gotteshaus „ein Mahnzeichen an vergangene Bedrängnisse sein wird“, das „unseren Urenkeln in Jahrhunderten erzählen [soll], von der Tapferkeit und der Dankbarkeit ihrer Ahnen.“ Schließlich hob er in seiner Rede besonders den Anteil Gottes an der Befreiung Wiens 1683 hervor: „Kein Monument verewigte bisher den glorreichen Sieg über die Türkenschaaren, den Gott erfochten.“ (Das Vaterland, 17.9.1883: 4).

Im Frühjahr 1884 wurde mit den Fundamentierungsarbeiten begonnen. Unter der architektonischen Leitung von Dom-Baumeister Schmidt, Hof-Baumeister Joseph Schmalzhofer und Hof-Steinmetzmeister Eduard Hauser konnte das Fundament bis zum Sockel des Fußbodens während des Sommers vollendet werden.

Papst Leo XIII. wurde von der Wiener päpstlichen Nuntiatur über den Kirchenbau in Kenntnis gesetzt und erteilte mittels apostolischem Breve (päpstliches Schreiben) vom 3. Juli 1884 „allen Wohlthätern des Werkes den apostolischen Segen“ und verlieh „denselben entsprechende Ablässe“ (Truxa 1891: 30).

Der Bau der Kirche

Am 14. September 1884, „am Sonntage Maria-Namen, dem kirchlichen Gedächtnistage der Befreiung Wiens aus der Türkennoth“ (Truxa 1891: 30), konnte die feierliche Grundsteinlegung durch Dechant Eugen Zabizar aus Klosterneuburg vollzogen werden. Erneut hielt Pater Klinkowström eine Ansprache, in der er zu Spenden für den Kirchenbau aufrief. In seiner Rede betonte er:

Wie ohne Idee nichts unternommen wird, so wird auch ohne Verwirklichung derselben kein Werk vollendet. […] Der Mann der Idee hält sie fest und unverrückt vor Augen wie der Wanderer sein Ziel und wie der Steuermann, mitten im Sturme im Steuer stehend, nach dem Cours des Schiffes blickt; er begnügt sich nicht mit dem eigenen Interesse daran, er ist eifrigst bemüht, auch Anderen das lebhafte Interesse einzuflössen, er reißt Andere mit sich, und stürzt in die Geister und Herzen Anderer, um sie für seine Idee zu gewinnen, er ruft kühn: seht auf mich und folgt mir nach! Das ist der Mann der Idee. (Klinkowström 1884: 4, vgl. Truxa 1891: 33f)

„Worte aus solchem Munde verfehlten ihre Wirkung nicht, und hatten einen ebenso sicht- wie greifbaren Erfolg“ (Truxa 1891: 34): Im Jahre 1885 wurden 19 000 Gulden an Spendengeldern für den Kirchenbau eingenommen.

Anfang 1886 wurde der 65 Meter hohe Kirchturm vollendet. Am 12. September des Jahres wurde die Turmkreuzrose in einem feierlichen Akt geweiht. Der seinerzeit berühmte, heute berüchtigte Prediger, ‚Männerapostel von Wien‘, der Jesuit und Antisemit Professor Heinrich Josef Maria von Abel nutzte seine Ansprache auf der provisorisch errichten Kanzel, um neuerlich für die weitere Ausstattung der Kirche zu Spenden aufzurufen. Dafür verlieh er seiner Sicht auf die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse seiner Zeit Ausdruck: „Das darniederliegende Kleingewerbe der Gegenwart müsse sich Kraft und Stärke in der Kirche suchen und den Heil. Joseph als Vorbild nehmen. Je mehr Kirchen gebaut, und die Religion die Herzen der Völker wiedererobert, destomehr werden Irren und Gefangenhäuser entvölkert werden. Das vielfach rein egoistische Großcapital bedrückt die Armuth und raubt derselben obendrein den Trost des Himmels.“ Hier scheint sich Abel an Vorgaben der sich formierenden christlichsozialen Bewegung zu halten: Das „Kleingewerbe“ bildete die erhoffte Massenbasis für sie und für den Bau der Kirche; als Feind erschien das „vielfach rein egoistische Großcapital“, das – folgt man den Ausführungen Deckerts – mit dem Judentum identifiziert werden konnte. Es ist daher anzunehmen, dass die Anwesenden die Ausführungen Abels in diesem Sinn verstanden.

Im Herbst 1886 wurden der Turm und der größte Teil der Kirchenfassade verputzt. Dies war nur durch eine Spende von Fürst Johannes von Liechtenstein in der Höhe von 10 000 Gulden möglich.

Mit der Einwölbung der Kirche, dem inneren Verputz, dem Einsetzen der Fenstermaßwerke, der Verglasung und den vier Aufsteigtürmchen konnte 1887 der Rohbau fertig gestellt werden. Allerdings erforderte die offene Bauschuld, die dadurch entstand, zusätzliche Geldmittel.

Ein Ansuchen an das Finanzministerium zur Veranstaltung einer Effecten-Lotterie‘ wurde vorläufig abgelehnt. Daher suchten der Sekretär des Kirchenbauvereins Hans Maria Truxa und Ausschussmitglied Dr. med. Alois Gruber um Audienz bei Kaiser Franz Joseph an. Dieser erteilte schließlich am 16. April 1888 die Bewilligung für die Veranstaltung einer Effecten-Lotterie‘ mit der Ausgabe von 100 000 Losen zu je 50 Kreuzern. Kaiser Franz Joseph spendete ein silbernes Kaffee-Service, die Erzherzöge Karl Ludwig und Ludwig Victor stifteten wertvolle Ölgemälde.

Der Reinerlös der Lotterie brachte schließlich 18 000 Gulden ein. Damit konnte die Bauschuld getilgt, das Kirchendach gedeckt und sechs Glocken mit eichenem Glockenstuhl finanziert werden.

Im Vorraum nach dem Hauptportal der Pfarrkirche St. Joseph wurde nach ihrer Fertigstellung eine Widmungstafel mit folgender Inschrift angebracht:

Diese Kirche wurde erbaut
zu Ehren des hl. Joseph, des Nährvaters Jesu Christi,
des Schutz-Patrons der hl. Kirche
und des Hauses Österreich;
zum Andenken an die glorreiche Befreiung Wiens
aus der Türkennoth im J. 1683.
Der Bau wurde begonnen im J. 1883
Nach den Plänen des Dombaumeisters
Friedrich v. Schmidt.
Die Consecration der Kirche geschah
durch Sr. Eminenz den Cardinal Erzbischof von Wien
Coelestin Joseph Gangelbauer
am 12. Mai 1889.
Das Jahr 1893 sah die Vollendung der Kirche
durch den St. Joseph Kirchenbau Verein
in Weinhaus.

„Die Wacht an der Türkenschanze“

Die feierliche Weihe der St. Josephs-Votivkirche wurde am 12. Mai 1889 vollzogen. Zu diesem Anlass reiste die Tochter des ‚Bau-Protektors‘ Erzherzog Albrecht Friedrich, Erzherzogin Maria Theresia von Württemberg, mit ihren Kindern Herzogin Isabella und den Prinzen Robert und Ullrich an. Weiters nahmen die Gemeindevertretung von Weinhaus, die der benachbarten Vororte, die Bürgerschaft und zahlreiche Gäste aus Wien an den Feierlichkeiten teil.

Die kirchliche Weihe wurde vom Wiener Erzbischof Kardinal Cölestin Ganglbauer vorgenommen – dies war seine letzte vor seinem Tod am 14. Dezember 1889.

Wieder hielt Pater Klinkowström, mittlerweile Superior seines Ordenshauses (Jesuiten) in Ljubljana/Laibach, eine Ansprache, die dieses Mal unter dem Motto: „Die Wacht an der Türkenschanze“ stand. Klinkowström identifizierte von seinem klerikalen Standpunkt aus die liberale Bürgerschaft als ‚die Türken‘ seiner Zeit:

Allerdings sind es nicht mehr die Türken, auf deren feindliche Bewegungen wir zu schauen haben, deren Schritte Mord, Blut, Raub und Feuerbrände bezeichneten, es sind andere Feinde, auf deren Bestrebungen sich die Blicke richten müßten. Sagt Christus (Matth. 10,36) […] die Feinde des Menschen sind seine Hausgenossen, so sind wir auch berechtigt zu sagen, die Feinde des Menschen sind seine Stadt- und Landgenossen. […] Es sind Feinde, die in Maulwurfsarbeit die Fundamente des Christenthums unterwühlen; die Völker zu entchristlichen streben, dadurch dass sie die Ehe und Schule und dadurch die Familie des christlichen Charakters entkleiden; Feinde, die den materiellen Wohlstand der Völker vampyrartig aussaugen; nach der Weltherrschaft streben und denen wegen Mangel an Wachsamkeit ein gutes Stück Arbeit gelungen ist. (Truxa 1891: 38)

Die „Feinde des Menschen“ waren für Klinkowström in erster Linie die Liberalen, was in seiner Andeutung, die Feinde wollen die Ehe, Schule und damit die Familie des „christlichen Charakters“ entkleiden, deutlich wird. Den Hintergrund seiner Anfeindungen stellen wohl die kirchenpolitische Gesetzgebung in der Zeit des Hochliberalismus in Österreich (u.a. das Ehegesetz, Schulgesetz, interkonfessionelle Gesetz) sowie die Aufhebung (1870) des Konkordats von 1855 dar.

Rund um die Entstehung der St. Josephs-Votivkirche zu Weinhaus kamen verschiedene Interessen zum Tragen: Während die Stadt Wien bzw. der Gemeinderat völlig im Hintergrund blieben, trat die Institution Kirche als Verbündete des Staates auf. Der Kanzelredner Klinkowström erhielt hier eine Brückenfunktion, indem er in insgesamt drei Reden immer wieder zur Einheit der Christenheit und zur Kaisertreue – also „echt christlich-socialistisch“ – aufrief. So sprach er etwa bei der Feier der Schlusssteinlegung der St. Josephs-Votivkirche zu einer „aus mehreren tausend Zuhörern bestehenden Volksmenge“ (Truxa 1891: 37):

Da steht nun eine neue Wacht an der Türkenschanze und mahnt zur Wachsamkeit, Einheit und Einigkeit. Während die Knechte in der Glockenstube droben hin über die Dächer rufen, um alle Gläubigen ohne Unterschied des Standes und des Ranges, also echt christlich-socialistisch, an die Stufen des Altares zu versammeln, rufen die flatternden Fahnen, die Geisterschlacht für den Herrn zu kämpfen, die Schaaren der christlichen Streiter. (Truxa 1891: 38)

Desweiteren appellierte Klinkowström in seiner Ansprache wiederum an die „goldenen Herzen der Wiener“, um die innere Ausstattung der Kirche zu finanzieren, darunter auch Glasgemälde, „welche entscheidende Momente in den zwischen Christenthum und Islam geführten Kämpfen darstellen sollten“, aber nie realisiert wurden (vgl. Truxa 1891: 42):

  • Sobieski ministriert Marco d’Aviano
  • D’Aviano segnet das Entsatzheer am Kahlenberg
  • Starhemberg umgeben von der Generalität bei dem Sturm auf die Löwel-Bastei
  • Die geheime Deputation mit dem Grafen Kaplíř an der Spitze
  • Liebenberg mit Stadträten von Wien und Standarten-Trägern der Bürgerschaft
  • Sorbait umgeben von Hauptleuten und dem Fahnenträger der Studenten
  • Bischof Kollonitsch mit der von ihm geretteten Kinderschaar

Nach der Ansprache wurde das erste festliche Hochamt von Pfarrer Deckert zelebriert.

Am Nachmittag fand ein Festbankett unter dem Vorsitz von Kardinal Ganglbauer statt. (Das Vaterland, 13.5.1889: 2) 1893 wurde der Bau der St. Josephs-Votivkirche abgeschlossen.

„Türkennoth und Judenherrschaft“

„Türkennoth und Judenherrschaft“

Im Jahr der Fertigstellung der St. Josephs-Votivkirche (1893) zog Pfarrer Joseph Deckert in drei inhaltlich aufeinander abgestimmten Konferenzreden Resumé über die politischen Verhältnisse seiner Zeit, zu dem ihn die Vollendung des von ihm initiierten Kirchenbaus anregte. Diese drei Reden ließ Deckert als Separatabdruck aus dem „Sendboten des heiligen Joseph“ unter dem Titel „Türkennoth und Judenherrschaft“ im Jahr 1894 erscheinen. Den „Verlag des Sendboten des heil. Joseph“ hatte Deckert als sein Sprachrohr gegründet, um u.a. seine judenfeindlichen Machwerke zu verbreiten. U.a. erschien hier „Vier Tiroler Kinder, Opfer des jüdischen Fanatismus: Simon v. Trient, Andreas v. Rinn, Ursula von Lienz und Thomas v. Montiggl; nach den Quellen bearbeitet von Dr. Jos. Deckert, Pfarrer.“

In der ersten seiner Konferenzreden entwirft Deckert sein dreistufiges Programm: „Kampf und Sieg im Jahre 1683“ bildet den Ausgangspunkt, von dem aus er in seiner zweiten Rede „Die gegenwärtige Gefahr“ vorstellt und ein entsprechendes Bedrohungsszenario konstruiert. In der dritten Rede entwirft Deckert das Szenario des erhoffen Sieges über den neuen Feind: „Die mögliche Rettung“. Im Jahr 1683 hatte an der „Vormauer Deutschlands“, „dem Hauptbollwerk der Christenheit gegen die Macht des Halbmondes“, „die mehr als tausendjährige christliche Cultur“ über die „fanatische Religion“ des „Islam“ gesiegt. Wien hatte „dem Erbfeinde der Christenheit“, den „türkischen Barbaren“, erfolgreich Widerstand geleistet: Wien war „wunderbar gerettet und mit der Stadt Wien auch die ganze abendländische Christenheit befreit von der Gefahr des schmählichen Türkenjoches.“ „Der einen Gefahr“, predigte Deckert, „sind wir entgangen aber in einer andere, noch größeren Gefahr befinden wir uns heute“: „die Herrschaft der Juden“ (Deckert 1894: 5–11) Deckert führt diese in seiner zweiten Rede auf altbekannte antisemitische Vorstellungen zurück: auf die „jüdische Presse“, „die Geist und Herz des Volkes vergiftet“ und auf die „Geldmacht“ der Juden, die den Staat in Abhängigkeit bringe. „Der Staat und seine Gesetzgebung“ sei „nicht mehr christlich, der christliche Staat hat vor dem Judenthume capitulirt.“ Damit zielt Deckert nicht nur auf die Juden, sondern auch auf die Liberalen, die seiner Meinung nach den Staat und seine Gesetze entchristlicht haben. (Deckert 1894: 10–17)

Abschließend entwirft Deckert in seiner dritten Brandrede jedoch ein gemäßigt hoffnungsvolles Siegesszenario für seine Leserschaft: Dabei deklariert er deutlich seine politische Ausrichtung, wenn er sagt: „Ich glaube aber, daß die Wiener Antisemiten christlich-socialer Richtung, den rechten Weg gehen.“ Seine „Hoffnung auf den endlichen Sieg“ über die „angemaßte Fremdherrschaft“ der Juden wird „der Tag“ wahrmachen, „an welchem verfassungsmäßig die Reemancipation der Juden ausgesprochen werden wird“. Dieser Tag „wird ein Tag des Sieges des Christenthums sein, ebenso glorreich, wie einst der 12. Sept. 1683.“ (Deckert 1894: 18–26)

Joseph Deckert – ein Straßenname

Joseph Deckert – ein Straßenname

1901, als Pfarrer Joseph Deckert starb, hieß der Platz vor der St. Josephs-Votivkirche bereits Pfarrer Deckert Platz (Rudolf 1901: 55). Diesen Namen verlor er 1989 nach heftigen Protesten wegen der Judenfeindschaft des Pfarrers. Damals wurde das Straßenschild entfernt. Im Volksmund wird er aber weiter als Deckertplatz geführt.

Literatur

Literatur

Das Vaterland. Zeitung für die österreichische Monarchie, 17.9.1883.

Das Vaterland. Zeitung für die österreichische Monarchie, 13.5.1889.

Das Vaterland. Zeitung für die österreichische Monarchie, 13.9.1886.

Deckert, Joseph (1894): Türkennoth und Judenherrschaft. Wien-Weinhaus.

Gruber, Alois (1886): Die Sanct-Josephs-Votivkirche auf der Türkenschanze zu Weinhaus bei Wien. Die religiöse und politische Bedeutung der St-Josephs-Votivkirche auf der Türkenschanze zu Weinhaus bei Wien. Separat-Abdruck aus dem Sendboten-Almanach. Wien.

Historisches Museum der Stadt Wien (Hg.)/ Waissenberger, Robert/ Düriegl, Günter (wiss. Leitung) (1983): Die Türken vor Wien. Europa und die Entscheidung an der Donau 1683. Katalog der 82. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien. 5. Mai bis 30. Oktober 1983. Wien.

Klinkowström, Max v. (1884): Ansprache des hochw. P. Max v. Klinkowström bei Gelegenheit der Feier der Grundsteinlegung zur St. Josephs-Votivkirche an der Türkenschanze in Weinhaus. (14. Sept. 1884.), Wien.

Rudolf, Franz (1901): Die Wiener Straßennamen. Wien.

Truxa, Hans Maria (1891): Die St. Josephs-Votivkirche an der Türkenschanze zu Weinhaus bei Wien. Wien, 26–42.

Wiener Vororte-Zeitung (22.09.1883): Die Grundsteinlegung zur neuen St. Josef Votivkirche in Weinhaus, 1.

Weiterführende Links

Weiterführende Links