Text: Silvia Dallinger

Die rumänischen Fürstentümer Siebenbürgen, Walachei und Moldau befanden sich zum Zeitpunkt der Zweiten Wiener Türkenbelagerung 1683 unter osmanischer Herrschaft und mussten der ‚Hohen Pforte‘ in Form von kriegerischer Unterstützung Tribut leisten. Nicht alle hielten sich jedoch daran, wie das Beispiel des Walachenfürsten Şerban I. Cantacuzino zeigt. Dieser stand offiziell auf Seiten der Osmanen, kooperierte jedoch heimlich mit dem Kaiser. Die Legende vom ‚Moldauer Kreuz‘ erinnert noch heute daran.

Die rumänischen Fürstentümer unter osmanischer Herrschaft

Die rumänischen Fürstentümer unter osmanischer Herrschaft

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts bestand das rumänische Gebiet aus den drei Fürstentümern Siebenbürgen, Walachei und Moldau. In der Zeit des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit waren sie von ungarisch-habsburgischen und osmanischen Einflussgebieten umgeben.

Siebenbürgen befand sich ab dem 15. Jahrhundert unter ungarischer Vorherrschaft, während die Walachei und Moldau Vasallenstaaten unter osmanischer Oberhoheit waren. Damit hatten sie die Verpflichtung, im Kriegsfall Geld und Truppen zur Verfügung zu stellen, und erhielten im Gegenzug Schutz vor äußerer Bedrohung. Dennoch konnten sie ihre politische und religiöse Autonomie bewahren.

Im Zuge eines Friedensschlusses (1529) fiel auch Siebenbürgen unter osmanische Herrschaft und blieb es bis 1699. Die Abhängigkeit der drei rumänischen Fürstentümer von der ‚Hohen Pforte‘ und der geforderte Tribut erhöhten sich im Laufe der Jahre immer mehr.

Die Walachen wollen das ‚osmanische Joch‘ brechen

Die Walachen wollen das ‚osmanische Joch‘ brechen

Als Vasallenstaaten des Osmanischen Reiches kämpften die rumänischen Fürstentümer hauptsächlich auf Seiten der osmanischen Truppen gegen die christlichen Heere.

Es gab allerdings Verhandlungen über eine Unterstützung der christlichen Truppen durch die Walachen, die zwischen 1678 und 1688 von Şerban I. Cantacuzino regiert wurden. Damit stand die Walachei einerseits unter dem Druck der Osmanen, von denen sie abhängig war. Auf der anderen Seite forderten die Kaiserlichen eine Kooperation, die dazu beitragen sollte, das ‚osmanische Joch‘ abzuschütteln.

Der Walachenfürst verbündet sich heimlich mit dem Kaiser

Obwohl die Walachei als Vasallenstaat offiziell unter der Herrschaft des Osmanischen Reiches stand, soll der Walachenfürst Şerban I. Cantacuzino die kaiserlichen Truppen im Kampf gegen die Türken heimlich unterstützt haben, indem er ihnen Informationen zur Truppenstärke, Kampfkraft und Versorgungslage der Osmanen weitergab. Dadurch wurden seine vermeintlichen Feinde wiederholt zum Durchhalten ermuntert.

Cantacuzino soll auch für Verzögerungen beim Brückenbau über die Donau gesorgt haben, indem er die Arbeiten, die tagsüber verrichtet worden waren, nächtens zerstören ließ. Im Kampf gegen die kaiserlichen Truppen soll er die Kanonen mit Stroh gefüllt haben.

Während seine Soldaten im Gebiet der Vorstadt Rossau stationiert waren, hielt sich Cantacuzino selbst im Servitenkloster auf. Im heutigen Meidling, einem Gebiet, das damals ‚Gatterhölzl‘ genannt wurde, soll er ein Holzkreuz aufstellt haben, um dort heimlich zu beten. Eine Nachbildung dieses Kreuzes ist heute noch in der Moldauer Kapelle im 12. Wiener Gemeindebezirk zu sehen.

Die Legende vom ‚Moldauer Kreuz‘

Nach dem Sieg der christlichen Truppen über die Osmanen im Jahr 1683 war der Walachenfürst Şerban I. Cantacuzino zwar gezwungen, den Rückzug gemeinsam mit den offiziell Verbündeten, den Osmanen, die er zuvor sabotiert hatte, anzutreten. Als Geschenk für die Sieger ließ er aber das ‚Moldauer Kreuz‘ sowie eine seiner Kriegsflaggen zurück.

Auf dieser Flagge ist Jesus Christus auf einem Thron sitzend dargestellt. In seiner linken Hand hält er ein Buch in kirchenslawischer Schrift, seine rechte Hand streckt er in segnender Haltung aus. Auf der linken Seite der Flagge sind drei Sterne und die rumänische Inschrift: „Vitejia dreaptă să biruiască” angebracht, die in deutscher Übersetzung folgendermaßen lautet: „Möge die Tapferkeit der Gerechten siegen“. Diese Flagge war lange Zeit im Museum der Stadt Dresden zu sehen, seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts befindet sie sich in Rumänien.

Mit der Legende vom ‚Moldauer Kreuz‘ wurde die ‚christliche Frömmigkeit‘ Cantacuzinos und seiner Landsleute, der Zusammenhalt der christlichen Truppen sowie die Abgrenzung von den muslimischen Türken manifestiert. Die Vermutung liegt jedoch nahe, dass Cantacuzino die Kaiserlichen weniger aus christlicher Überzeugung als vielmehr aufgrund strategischer und politischer Interessen, insbesondere seines Autonomieanspruchs für die Walachei, unterstützte.

Die Fürstentümer streben nach Unabhängigkeit

Die Fürstentümer streben nach Unabhängigkeit

In der Zeit nach 1683 strebte der Walachenfürst Şerban I. Cantacuzino nach der Unabhängigkeit seines Fürstentums – sowohl vom Osmanischen Reich als von der Habsburgermonarchie. So heißt es, dass der Polenkönig Jan III. Sobieski sogar den Plan verfolgt haben soll, gemeinsam mit Moldau, der Walachei und Siebenbürgen Konstantinopel einzunehmen, die Osmanen aus Europa zurückzudrängen und die polnische Vorherrschaft auszudehnen.

Cantacuzinos Unabhängigkeitsbestrebungen machten ihn jedoch bei den rumänischen Adeligen, Bojaren genannt, unbeliebt. Gerüchten zufolge soll er deswegen vergiftet worden sein. Cantacuzino starb am 28. Oktober 1688 in Bukarest.

Ähnlich wie Cantacuzino führte auch sein Nachfolger, der zwischen 1688 und 1714 regierende Walachenfürst Constantin Brâncoveanu, die Geheimverhandlungen mit Österreich und Russland über eine Loslösung vom osmanischen Reich fort. Als die ‚Hohe Pforte‘ davon erfuhr, wurden Brâncoveanu und seine Söhne festgenommen und schließlich hingerichtet. 1992 wurde er aufgrund seines ‚Märtyrertodes‘ für den christlichen Glauben von der Rumänisch-Orthodoxen Kirche heilig gesprochen.

Der Sieg der kaiserlichen Truppen 1683 führte für das rumänische Fürstentum Siebenbürgen schließlich dazu, dass es – so wie Ungarn – dem Habsburgerreich einverleibt wurde. Moldau und die Walachei blieben bis ins 19. Jahrhundert unter osmanischer Vorherrschaft, mit großen Einbußen an Autonomie.

Literatur

Literatur

100s of countries, 1000s of flags. Principality of Wallachia. War flag, 1683, 20.08.2009.

Brunner, Otto (1930): Österreich und die Walachei während des Türkenkrieges von 1683–1699. In: Mitteilungen des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung, Band 44. Innsbruck, 265–323.

Hemberger, Joseph (1896): Das Entsatz-Denkmal auf dem Kahlenberge Wien XIX. Wien.

Jaminskyj, Borys (1983): Wien 1683 – Kosaken und Kolschitzky. Wien.

Stoicescu, Nikolai et al. (1983): Die Rumänen und die Belagerung Wiens 1683. Aufsätze. Bukarest.

Stoy, Manfred (2002): Historische Bücherkunde Südosteuropa. Band II. Neuzeit. Teil 2: Rumänien 1521–1918. München/Oldenburg.

Stoy, Manfred (1990): Rumänische Fürsten im frühneuzeitlichen Wien. In: Oppl, Ferdinand/ Fischer, Karl (Hg.): Studien zur Wiener Geschichte. Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien, Band 46. Wien, 153–180.

Wikipedia: Constantin Brâncoveanu, 20.08.2009.

Wikipedia: Geschichte Rumäniens, 20.08.2009.

Wikipedia: Şerban I. Cantacuzino, 20.08.2009.

Witzmann, Reingard (1982): Türkenkopf und Türkenkugel. Einige Türkenmotive und Bildvorstellungen der Volkskultur aus dem 17. und 18. Jahrhundert. In: Historisches Museum der Stadt Wien (Hg.): Die Türken vor Wien. Europa und die Entscheidung an der Donau 1683. Salzburg/Wien, 291–303.