Schulgasse 9, Purbach am Neusiedler See, Karte

Text: Simon Hadler

Das steinerne Abbild eines Türken auf dem Rauchfang des Hauses Schulgasse 9 ist allgemein als der „Purbacher Türke“ bekannt. Das Denkmal bezieht sich der Legende nach auf das Jahr 1532, als einige osmanische Truppen auch im heutigen Burgenland aufgetaucht waren. Einer der Soldaten blieb betrunken in einem Purbacher Keller zurück und sein Fluchtversuch endete im Rauchfang. Nach seiner Taufe blieb er als Knecht beim Besitzer des Hauses, der ihm nach dem Tod das Denkmal errichtet haben soll. Der Purbacher Türke gilt heute als ein wichtiges Wahrzeichen der Stadt.

Eine Trinkerlegende

Die Legende vom Purbacher Türken ist weit über die lokalen Grenzen hinaus bekannt und existiert in verschiedenen Versionen. Zu den bekannteren Verarbeitungen des Themas gehört Helmut Stefan Milletichs Erzählung „Appollonia Purbacherin, die Türkin“ oder auch das Kinderbuch „Der vergessene Türke“ von Franz S. Sklenitzka. 1997 erschien auch eine Sammlung dichterischer Interpretationen, die in zumeist volkstümlicher Sprache dem „edlen Wein“, dem „köstlich Naß“ und dem „guten Tropfen“ die Schuld am Dilemma des Türken gaben. (Kietaibl 1997) Dass dem Wein in allen Erzählversionen ein so großer Stellenwert zukommt, ist angesichts der langen Weinbautradition in der Region keine Überraschung.

In allen Varianten kam der legendäre Türke im Zuge osmanischer Streifzüge rund um die Belagerung der Festung Köszeg/Güns im Jahr 1532 nach Purbach. Auf der Suche nach Beutegut fand er in einem Keller Wein und trank davon so viel, dass er in einen tiefen Schlaf fiel. Als er wieder erwachte, waren seine Kameraden schon längst weg und die Dorfbewohner wieder zurück. Als Fluchtweg stand ihm nur mehr der Kamin offen, doch als er aus dem Rauchfang blickte, wurde er dort entdeckt. Schlussendlich räucherte man ihn aus und nahm ihn in Gefangenschaft. Von einem schlimmeren Schicksal blieb er nur verschont, weil er sich taufen ließ und sich bereit erklärte, als Knecht für den Besitzer jenes Hauses zu arbeiten, an dessen Weinvorräten er sich bedient hatte. (Tourismusverband Purbach)

So erinnert man sich in Purbach anhand einer relativ versöhnlich endenden Geschichte an die ansonsten oft als Türkennot bezeichnete historische Epoche. Man kann sich aber des Eindrucks kaum erwehren, dass erst Weinkonsum, Taufe und die Akzeptanz der Knechtschaft aus dem Türken eine positiv konnotierte Figur machten.

„Purbach wurde durch mich bekannt“

Es ist heute nicht mehr feststellbar, wann die Legende vom Purbacher Türken entstanden ist und auch nicht, wann ihm das Denkmal errichtet wurde. Überhaupt ist wenig über die lokalen Ereignisse im Jahr 1532 bekannt, von einem zu dieser Zeit getauften Türken weiß man nichts. Solche Fälle tauchen in den Taufmatriken der Pfarre erst Ende des 17. Jahrhunderts auf. (Egermann 2007: 49) Dies entsprach durchaus einer Mode dieser Zeit. Allein im Wiener Stephansdom wurden nach der Zweiten Türkenbelagerung über 400 Türken getauft. (Bauer 1982: 14) Hans Egermann vom Verein zur Erforschung der Purbacher Geschichte nimmt an, dass damals auch das Denkmal entstanden sein könnte. Doch auch abgesehen vom „Purbacher Türken“ war die Erinnerung an die Bedrohung durch die Osmanen erhalten geblieben und hatte sich in die Ortslandschaft eingeschrieben. Das Türkentor, ein Türkenkeller und der Türkenhain weisen darauf ebenso hin wie die Türkenstraße – die ihren Namen offiziell jedoch erst seit 1954 trägt (Egermann 2007: 175) – oder das Koppikreuz.

Der „Purbacher Türke“ dominiert jedoch alle anderen Geschichten. Besonders in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde er mehr und mehr zu einem Wahrzeichen der Gemeinde. Er wird in den 1950er Jahren auf den Etiketten von Weinflaschen abgebildet und taucht bei Erntedank- und Weinlesefesten auf. Als man 1970 700 Jahre Purbach feierte, war der Türke einer von vielen Wagen des historischen Festzugs. (700 Jahre Purbach am Neusiedler See: 1970) 1983 veranstaltete man anlässlich des 300-Jahr-Jubiläums der Zweiten Wiener Türkenbelagerung eine eigene Festwoche und ließ dabei, wie es die Burgenländische Volkszeitung formulierte, den „ehemaligen ‚Purbacher Türken‘ hochleben.“ (Burgenländische Volkszeitung 7.9.1983: 16) Seit 2007 feiert man ein vom Verein Stadtmarketing initiiertes Stadtfest, ein historisches Kostümfest, dessen Aushängeschild der Purbacher Türke ist.

Die Legende und das Denkmal scheinen das Image der Stadt ideal zu verkörpern, was auch den Bewohnern bewusst sein dürfte. So liest man in einem Beitrag im Purbacher Jahrbuch über den Türken:

Und die Touristiker, ihnen konnte nichts Wirkungsvolleres in den PR-Schoß fallen: Der erste Weintourist in der Gemeinde, ein Genießer, noch dazu ein Ausländer, der die Gastfreundschaft und Toleranz der Purbacher genießen durfte. (Heger 2003: 80)

In der schon erwähnten Sammlung dichterischer Verarbeitungen des Themas aus dem Jahr 1997 findet sich auch ein von einer Hauptschulklasse verfasstes Interview mit dem Türken. Auf die Frage, was er mit dem (Freibad) Türkenhain zu tun habe, antwortete dieser: „Purbach wurde durch mich bekannt. Nun wurde die Freizeitanlage nach mir benannt. Wegen der Werbung!“ (Kietaibl 1979: 29)

Literatur

Literatur

700 Jahre Purbach am Neusiedler See. Festwoche 27. Juni bis 5. Juli 1970.

Bauer, Josef (1982): Die Türken in Österreich. Geschichte Sagen Legende. St. Pölten.

Burgenländische Volkszeitung (7.9.1983): Purbach – wie es singt und lacht. Eine Festwoche mit vielen „Highlights“. 16.

Egermann, Johann (2007): Purbach in der frühen Neuzeit. „Reit‘, Veitl, reit‘ …“ – Die Türken kommen! In: Verein zur Erforschung der Purbacher Geschichte (Hg.): Purbach am Neusiedler See. Purbach am Neusiedler See. 45–56.

Egermann, Johann (2007): Siedlung und Bevölkerung. In: Verein zur Erforschung der Purbacher Geschichte (Hg.): Purbach am Neusiedler See. Purbach am Neusiedler See. 171–179.

Heger, Robert (2003): Purbach – im Mittelpunkt Pannoniens. In: Verein zur Erforschung der Purbacher Geschichte (Hg.): Purbacher Jahrbuch. Beiträge zur Stadtgeschichte von Purbach am Neusiedler See. Band 1. Purbach/See 2003. S. 78–83.

Kietaibl, Hans (1997): Der Purbacher Türke in Sage und Dichtung. Eisenstadt.

Milletich, Helmut Stefan (1993): Appollonia Purbacherin, die Türkin. In: ders.: Appollonia Purbacherin und andere Erzählungen. Wien, Eisenstadt. 11–41.

Sklenitzka, Franz Sales (1990): Der vergessene Türke. Mit Bildern von Josef Kremlacek. Wien.

Tourismusverband Purbach: Die Legende des Wahrzeichen Purbachs.