Hadersdorf, Karte

Text: Martina Bogensberger, Johannes Feichtinger, Johann Heiss

Der Habsburgische Feldherr und letzte Eroberer Belgrads Gideon Ernst Freiherr von Laudon brachte Mamorplatten vom Grab eines osmanischen Militärs und vom Stambuler Tor als Beutestücke mit nach Wien. Aus diesen Siegeszeichen plante er sein Grabmal zu errichten, um an seine Heldentat zu erinnern. Es wurde jedoch nicht verwirklicht, worauf die Steine die ihnen ursprünglich zugedachte Bedeutung nahezu verloren. Ohne den erläuternden Text Hammer-Pugstalls, der in das Denkmal eingelassen ist, wären die Steine in den letzten hundert Jahren wohl als bloße Kunstwerke gedeutet worden.

Die ‘Türkensteine’ sollen Laudons Grab zieren

In der Parklandschaft des Hadersdorfer Schlosses, das Gideon Ernst Freiherr von Laudon (Loudon) im Jahr 1777 mit Unterstützung von Maria Theresia kaufte, befinden sich die so genannten Hadersdorfer ‚Türkensteine‘.

Feldmarschall Laudon (1717–1790), der Eroberer von Belgrad im letzten österreichischen Türkenkrieg, hatte die Marmortafeln als Trophäen mitgebracht. Die beiden großen Platten waren unter Sultan Mahmud I. (1730–1754) am Stambuler Tor in Belgrad angebracht, vier kleinere stammen vom Grabmal des 1708 verstorbenen Festungskommandanten von Belgrad Ibrahim Pascha (vgl. Böhm 2001).

Der österreichische Orientalist Josef von Hammer-Purgstall brachte diesen Erinnerungszeichen erstmals wissenschaftliches Interesse entgegen (Hammer-Purgstall 1816: 331f; Teply 1979). Laudon wollte die ‚Türkensteine‘ für sein Grabmal im türkischen Stil verwenden. Diesen Wunsch vereitelte aber seine Witwe. Sein Grab im klassizistischen Stil befindet sich sichtbar neben der Mauerbachstraße.

Die ‚Türkensteine‘ sind nur über einen Fußweg in den Wald erreichbar. Im botanischen Garten vor dem Hadersdorfer Schloss ist eine Statue von Laudon aus hellem Sandstein aufgestellt, die ihn als Philosophen zeigt. Sie war ursprünglich für Laudons Grabstätte bestimmt. Das Datum der Vollendung und der Bildhauer sind unbekannt (Czeike 1994; Teply 1979; Tomenendal 2000: 234f.).

Woher die Steine kamen und was aus ihnen wurde

Zunächst standen Laudons Belgrader Trophäen lose gruppiert im Park, bevor Ende des 19. Jahrhunderts ihre Einfassung in eine Natursteinmauer veranlasst wurde, um sie vor Feuchtigkeit und Verwitterung zu schützen. Im Zuge dieser denkmalpflegerischen Maßnahme wurden die ‚Türkensteine‘ in einer Weise angeordnet,

daß das Ergebnis geradezu als Beispiel dafür dienen könnte, wie man selbst Objekte von außerordentlichem künstlerischen und historischen Rang um jede Wirkung zu bringen vermag. (Teply 1979: 150)

Laudon selbst hatte sich für sein Grab sowie für die dafür vorgesehene lebensgroße Statue einen Ort am Abhang des so genannten Bürgerspitalwaldes ausgesucht. Seine Pläne wurden aber nicht umgesetzt.

Laudon war in einem Triumphzug in Wien empfangen worden, nachdem er Belgrad 1789 von den Osmanen zurückerobert hatte. Die Herrschaft über diese Stadt, die im Laufe der Türkenkriege neunmal zwischen Osmanen und Habsburgern gewechselt hatte, war von großer symbolischer Bedeutung. So konnte der geschäftige Wiener Kupferstecher Hieronymus Löschenkohl die Nachfrage nach Bildern vom ‚Türkenbezwinger‘ kaum befriedigen (Feichtinger, Heiss: 138–155).

Auf seinem Schloss Hadersdorf nahm Laudon sein letztlich gescheitertes Vorhaben in Angriff, aus den mitgebrachten Marmorplatten seine Grabstätte zu errichten. Von den Tafeln nahm er irrtümlich an, dass sie dem Grabmal jenes Paschas entnommen wären, der 1739 den Habsburgern das von Prinz Eugen eroberte Belgrad wieder abgenommen hatte.

Laudons Ehefrau Clara verhinderte jedoch ein Grab im türkischen Stil (Tomenendal 2000: 236). Als sie 1806 verstarb, wurde sie in der klassizistischen Grabstätte, die vom Künstler Franz Anton Zauner stammt, neben ihrem Gemahl bestattet.

Im Jahr 1960 kaufte der Kunstmäzen und Unternehmer Alfred Weiß (1890–1974), Inhaber der Kaffee- und Teeimportfirma Arabia, das Schloss Hadersdorf und ließ es renovieren. 1976 ging es in den Besitz der Republik Österreich über, die dort die Verwaltungsakademie des Bundes unterbrachte (Czeike 1994: 16f). Die Hadersdorfer ‚Türkensteine‘ stehen unter Denkmalschutz.

Türkentrophäen auf Laudons Sarkophag

Auf dem Sarkophag Laudons befinden sich Türkentrophäen, Lanzen, Rossschweife, Bogen mit Pfeilköchern und Schilde mit Mond- und Sonnenzeichen sowie Inschriften in lateinischer Sprache. An den Stufen zum Grabmal trauert ein Ritter in Rüstung (Teply 1979: 159).

Die etwas weiter davon entfernten ‚Türkensteine‘ wurden in einer Mauer eingefasst.

In der Mitte prangt ein Fratzenkopf aus Stein, der einen Türken darstellen soll. Er blickt finster, wie ein Dämon, aus seinen mit geschwungenen Augenbrauen versehenen Augen. Sein Mund ist geöffnet und wird von einem geschwungenen Bart umrahmt. (Böhm 2001: 51; Tomenendal 2000: 236)

Eine Tafel mit arabischen Schriftzeichen, eingearbeitet in die Steinauer, wird auf dem Kopf stehend präsentiert.

Die Anordnung der Türkensteine bewirkt, dass die Form eines islamischen Grabmals mit Kopfstein, Fußstein und zwei Seitenplatten nicht nachvollziehbar ist. Das eigentlich dreidimensionale Objekt wurde in einer Ebene angeordnet (Teply 1979: 151f.).

Steine von großer symbolischer Bedeutung

Die ‚Türkensteine‘ sind hervorragende Zeugnisse türkischen Kunsthandwerks. Als Beutestücke symbolisieren sie den Abschluss der österreichischen Türkenkriege bzw. wie Laudons Biograph Johann Pezzl im Jahr 1791 vermerkt:

Die türkischen Steine sind ein ewiges Denkmal von der Eroberung Belgrad’s und seinen [Laudons] Siegen über dieses Volk. (Pezzl 1791: 306)

Ernst Gideon Freiherr von Laudon gilt so wie Prinz Eugen als Wiedereroberer Belgrads und somit als ruhmreicher Heerführer im Kampf gegen die Osmanen. Dieser Zusammenhang wird auch auf den eingemauerten Schrifttafeln der Hadersdorfer ‚Türkensteine‘ hergestellt. Nach Hammer-Purgstall steht auf der linken Erläuterungstafel folgender Text:

Prinz Eugen eroberte 1717 in der liedbesungenen Schlacht die Festung Belgrad. 1739, drei Jahre nach dem Tod des Feldherrn, wurde die Stadt wieder von den Türken unter Sultan Mahmud I. zurückgewonnen, dessen Befehlshaber in Belgrad Elhadsch Ibrahim Pascha war. Feldmarschall Laudon eroberte 1789 die Stadt neuerlich und ließ als Siegesmal die Grabtafel dieses türkischen Befehlshabers und zwei Marmorplatten vom Konstantinopeltor hier auf seinem Gut aufstellen. (Teply 1979: 151f)

Eine „würdige und versöhnende Gedenkstätte“

Die ‚Türkensteine‘ dokumentieren den letzten österreichischen Türkenkrieg 1788–1791. Im Frieden von Sistowa 1791 wurde Belgrad jedoch wieder den Osmanen übergeben. „Was liegt näher“, stellte Teply in anachronistisch anmutender Sprache daher fest, „in den Türkensteinen weniger das Denkmal eines einzelnen, im Handumdrehen wieder zunichte gewordenen Sieges zu sehen als ein architektonisches Symbol für die beiden einander erbittert bekämpfenden, aber auch in kulturellem Austausch befruchtenden wesensverschiedenen Seinsordnungen.“ Teplys „Anregungen für eine Neugestaltung” als „würdige und versöhnliche Gedenkstätte“ sind sicher zu begrüßen; die Vorstellung von einer „für unsere Heimat so schicksalsschweren Epoche“, in der „wesensverschiedene Seinsordnungen“ einander gegenüberstanden, entstammt wohl einer jüngeren Vergangenheit lange nach den Türkenkriegen (Teply 1979: 169).

In seinem Aufsatz mahnte Teply, dass mit dem bevorstehenden Gedenkjahr 1983 der geeignete Zeitpunkt kommen würde, einen Ersatz der „unzulänglichen ‘Erläuterungs’-Tafeln“ zu errichten, eine „ästhetisch befriedigende Anordnung der beiden Tafeln vom Konstantinopler Tor und der drei kleinen Spolien in die vorhandene Mauernische“ durchzuführen und die „Aufstellung des Elçi Ibrahim-Grabmals davor in gärtnerisch gestaltetem Rahmen“ zu veranlassen (Teply 1979: 170). Vergebens: An der Anordnung der Hadersdorfer ‚Türkensteine‘ hat sich seit mehr als hundert Jahren nichts anderes geändert, als dass im Zuge einer Renovierung nach 1945 die zentrale Tafel mit den osmanischen Schriftzeichen verkehrt eingemauert wurde.

Literatur

Literatur

Böhm, Jasmine (2001): „Türken-Images“ im öffentlichen Raum. Eine ethnologische Spurensuche in Wien. Diplomarbeit der Universität Wien.

Czeike, Felix (1994): Historisches Lexikon Wien. Bd. 3. Wien.

Feichtinger, Johannes; Heiss, Johann (2009): Bilder von der Front. Berichterstattung vom letzten österreichischen Türkenkrieg, in: Monika Sommer (Hg.), Hieronymus Löschenkohl. Sensationen aus dem Alten Wien, Wien.

Hammer-Purgstall, Joseph von (1816): Die Türkischen Stein-Inschriften, auf den Denkmälern im Parke zu Hadersdorf. In: Fundgruben des Orients 6.

Maruna, Roland (1978): Geschichte der Ortsgemeinde Hadersdorf-Weidlingau. Diss. Univ. Wien.

Österreichisch-Türkisches Wissenschaftsforum (OTW), 11.11.2008 (derzeit nicht online, 21.7.2012)

Pammer, Franz (1998): Hadersdorf. Eine Landgemeinde im Wandel der Zeit 1900-1995. Diss. Univ. Wien.

Pezzl, Johann (1791): Laudon’s Lebensgeschichte. Wien.

Teply, Karl (1979): Die Hadersdorfer Türkensteine. In: Wiener Geschichtsblätter, 34. Jahrgang, Nr. 4, 149–170.

Thurn, Rudolph Ritter Payer von (1901): Die Türkensteine im Parke von Hadersdorf. In: Mittheilungen der k.k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale, 27, 196–197.

Tomenendal, Kerstin (2000): Das türkische Gesicht Wiens. Auf den Spuren der Türken in Wien. Wien/Köln/Weimar.

Wikipedia: Ernst Gideon von Laudon, 20.09.2020.

Wikipedia: Hadersdorf-Weidlingau, 20.09.2020.

Wurzbach, Constantin von (1856–1891). Loudon, Gideon Ernst Freiherr, in: Biographisches Lexikon des Kaisertums Österreich, Bd. 16.

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