Am Leopoldsberg 1 , Karte
Text: Marion Gollner, Simon Hadler
Die im Zuge der zweiten Wiener Türkenbelagerung im Jahr 1683 arg in Mitleidenschaft gezogene Kirche am Leopoldsberg wurde nach einem Gelübde Kaiser Leopolds I. wieder errichtet und mit einer Kopie des ursprünglich von Lucas Cranach dem Älteren gemalten Gnadenbildes „Maria auxilium Christianorum“ ausgestattet. Unter Joseph II. wurde die Kirche aufgelassen und das Bild kam in die Kapelle des Allgemeinen Krankenhauses. Erst seit dem Jahr 1988 befindet es sich wieder an seinem ursprünglichen Ort.
Kaiser Leopolds Versprechen
Kaiser Leopolds Versprechen
Nachdem die ‚Türkengefahr‘ für Wien und Österreich nach der Entsatzschlacht 1683 und dem Zurückdrängen der Osmanen im Zuge des Großen Türkenkriegs gebannt war, hatte Kaiser Leopold I. am 15. oder 16. August 1693 im Stephansdom ein feierliches Gelübde in lateinischer Sprache abgelegt. Er versprach, „zum immerwährenden Gedächtnis einer so großen Gunsterweisung dem hl. Leopold die Kirche auf dem Kahlenberge, von woher bei der Vertreibung der Feinde zuerst die einzigartige Hilfe seines Schutzes sich offenbarte, wiederherzustellen und in derselben einen Altar der heiligen Jungfrau unter dem Titel ‚Hilfe der Christen‘ weihen zu wollen“ (Übersetzung nach Ludwig 1939: 64).
Spondeo praeterea me ad perpetuam tanti beneficii memoriam templum S. Leopoldo in Monte Caesio, unde primo singulare suae protectionis auxilium in propulsandis hostibus apparuit, restauraturum ac in eodem aram D. Virgini sub titulo Auxilium Christianorum dedicaturum. (zit. nach Ludwig 1939: 63f.)
Damit kam er dem Wunsch des Kapuzinerpaters Marco d’Aviano nach, der in einem Brief, datiert auf den 27. Dezember 1692, den Kaiser darum gebeten hatte, ein Marienbild anfertigen zu lassen. Dieses wurde in einer feierlichen Prozession von der Augustinerkirche zum Stephansdom gebracht, wo es zwischenzeitlich seinen Platz auf einem Altar fand. Bald darauf sollte das Bild in der „Kirche am Callenberg“ (die Umbenennung des Kahlenbergs in Leopoldsberg erfolgte nur wenig später) seinen eigentlichen Bestimmungsort finden. Lediglich der Forderung, die Kirche in „Mariahilfkirche“ umzubenennen, kam der Kaiser nicht nach (vgl. Hamminger 1984: 3). Er begründete seine Entscheidung in einem Brief an Marco d’Aviano vom 17. Jänner 1693 mit folgenden Worten:
Die Kirche oder Kapelle auf dem Callenberg erhebt sich an derselben Stelle, wo der Palast des heiligen Leopold zu seinen Lebzeiten (‚in vivis‘) stand; sie wurde dem glorreichen Heiligen zu Ehren erbaut und ihm geweiht. Deshalb weiß ich auch nicht, ob ich mich dazu entscheiden soll, den Namen zu ändern, wenn auch der Heilige ganz gern den Platz der allerseligsten Jungfrau abtreten würde. Aber, da jener Ort dem Gedächtnis des hl. Leopold geweiht ist, so weiß ich nicht, ob es sich schickt ihn zu ändern. (Übersetzung nach Hamminger 1984: 4)
Marco d’Avianos Brief vom Dezember 1692 mit der darin enthaltenen Passage, dass der Kahlenberg (1693 umbenannt in Leopoldsberg) der erste Ort gewesen sei, von dem der Kaiser die göttliche Hilfe erhalten habe, wird unter anderem von den beiden Rektoren der Kirche am Kahlenberg Vinzenz Oskar Ludwig und Josef Dominicus Hamminger als Beleg dafür angeführt, dass die Messe d‘Avianos am Leopoldsberg und nicht – wie bis heute vielfach angenommen – am Kahlenberg stattgefunden habe.
Der Kaiser leistet Marco d‘Avianos Wunsch Folge
Der Kaiser leistet Marco d‘Avianos Wunsch Folge
Kaiser Leopold I. hielt sein Versprechen und ließ das Gnadenbild „Maria auxilium Christianorum – Maria, Hilfe der Christen“ von einem nicht bekannten Künstler anfertigen. Es handelt sich hierbei um eine Kopie des bekannten Mariahilfbildes von Lucas Cranach dem Älteren, dessen Original sich im Innsbrucker Dom befindet. Als Vorlage diente jedoch nicht das Innsbrucker Gemälde, sondern eine Kopie in der Wallfahrtskirche Mariahilf in Passau. Dorthin war der Kaiser 1683 geflüchtet und soll jeden Tag vor dem Bild für den Sieg über die Osmanen gebetet haben, und dort hatte er auch 1676 seine dritte Ehefrau Eleonore geheiratet.
Somit ist es naheliegend, daß der Kaiser das im Laufe der Jahre so ans Herz gewachsene Mariahilfbild von Passau, zu dem er doch so viele persönliche Beziehungen hatte, kopieren ließ und nicht das Original von Innsbruck. (Hamminger 1984: 5f.)
Alljährliche Prozessionen
Alljährliche Prozessionen
Nach dem Sieg über die osmanischen Truppen im September 1683 und der Aufstellung des im Volksmund „Maria Türkenhilfe“ genannten Gnadenbildes 1693 avancierte der Leopoldsberg zum beliebten Wallfahrtsort, wie die Aufzeichnungen des kaiserlichen Benefiziaten Philipp Jakob Obermayer aus dem Jahr 1780 belegen (vgl. Ludwig 1952: 18). Einmal im Jahr wurde eine feierliche Prozession zur Kirche am Leopoldsberg abgehalten. Als „Schutzfrau der Prozession“ nahm die Kaiserwitwe Eleonore einige Male persönlich daran teil. Auch Maria Theresia soll sich unter den Wallfahrenden befunden haben. Ausgangspunkt der Prozession war die Lichtentaler Pfarrkirche zu den Heiligen Vierzehn Nothelfern (bzw. Schubertkirche) im heutigen 9. Wiener Gemeindebezirk. „[D]ie Lichtenthaler“, so heißt es in der mehrbändigen „Geschichte der Stadt Wien“ aus dem Jahr 1914, „ließen sich nicht einmal im Pestjahr 1713 abhalten, zur allerheiligsten Dreifaltigkeit nach Lainz und nach ‚Maria-Kallenleitgeben‘ zu gehen. Dieselben gingen seit 1717 alljährlich am Georgitag zu der Kapelle St. Leopold ,auf dem Kaltenberg‘ (unserem Leopoldsberg).“ (Tomek 1914: 322)
Begleitet wurde die alljährliche Prozession von einem „Te Deum laudamus, mit dreymaliger Abfeuerung deren Pöllern“, wie im Wienerischen Diarium vom 16. September 1733 nachzulesen ist. (zit. nach Hamminger 1986: 147) Die letzte Prozession fand im Jahr 1782 statt.
Joseph II. schließt die Kirche
Joseph II. schließt die Kirche
Bis zur Schließung der Kirche im Jahr 1784 durch Joseph II. befanden sich neben dem Bildnis „Maria, Hilfe der Christen“ zwei weitere Votivbilder im Besitz der Kirche am Leopoldsberg: eine Kopie der „Madonna von Montserrat“ und eine Kopie des Gnadenbildes „Maria Consolatrix afflictorum – Trösterin der Betrübten“ (eine weitere Kopie befindet sich in der Kapuzinerkirche) (vgl. Ludwig 1952: 18). Das Gnadenbild „Maria Türkenhilfe“ war Hamminger zufolge zwar nicht „das kostbarste und wertvollste, wohl aber das bekannteste und am meisten verehrte“. (Hamminger 1984: 7)
Neuaufstellung im Allgemeinen Krankenhaus
Neuaufstellung im Allgemeinen Krankenhaus
Laut Hamminger wurde das Bildnis „Maria, Hilfe der Christen“ auf persönliche Initiative des Kaisers in die Kapelle des 1784 von ihm gegründeten Allgemeinen Krankenhauses („altes“ AKH, heute Uni-Campus) überstellt. Spekulationen, der schon genannte damalige Hofkaplan-Benefiziat Philipp Jakob Obermayer habe das Gnadenbild bei seiner angeblichen Versetzung ins AKH mitgenommen, weist Hamminger als haltlos zurück (vgl. Hamminger 1984: 7). Im Jahr 1784 wurde das Marienbild im Zuge einer Generalsanierung der Spitalskapelle restauriert und am 19. Dezember nach feierlicher Weihe durch Domdechant Assauer am neu gestalteten Altar aufgestellt.
Bei einer nochmaligen Restaurierung des Bildes im Jahr 1884 fand man auf der Rückseite folgende Textpassage:
Diese Madonna ist eine Copie nach Lucas von Cranach. (Original in Innsbruck). Soll früher im Kamaldulenser Kloster am Kahlenberg hochverehrt gewesen sein.
Bei der Belagerung Wiens durch die Türken sollen die fürstlichen Feldherren vor dem Angriff Maria vor diesem Bilde um Fürbitte angerufen haben. Nach Aufhebung des Klosters kam das Bild als Geschenk des Kaiser Josef in das im Jahre 1762 errichtete Krankenhaus. Bei der Aussteuerung der Kapelle, welche am 20. September 1784 in Angriff genommen wurde, wurde dieses Bild vom akademischen Maler, Herrn Wilhelm Schössmann auf Kosten des Herrn Hans Alois Gudtner restauriert; die silbernen Herzen ließ der Gefertigte vergolden. Am 19. Dezember wurde das Bild auf dem renovierten Altar aufgestellt. Die Kapelle wurde am 27. Dezember 1784 von Herrn Domdechant Assauer feierlich eingeweiht.“
(Hamminger 1986: 147f.)
Der auf der Rückseite des Marienbildes verfasste Text enthält Hamminger zufolge jedoch mehrere falsche Informationen, die wohl teilweise auf die Namensänderung von „Kahlenberg“ in „Leopoldsberg“ im Jahr 1693 zurückzuführen sind. Erstens habe sich das Gnadenbild nie am heutigen Kahlenberg befunden, zweitens sei das Bild erst nach der zweiten Belagerung Wiens auf späteren Wunsch Marco d’Avianos angefertigt worden und drittens fände sich in den Inventarlisten nach Auflösung des Kamaldulenserklosters am 4. Februar 1782 kein einziger Hinweis auf ein Mariahilfbild (vgl. Hamminger 1984: 7ff.). Darüber hinaus wurde das Allgemeine Krankenhaus erst 1784 gegründet.
Gescheiterte und erfolgreiche Rückholversuche
Wie aus Briefen im Nachlass vom Vinzenz Oskar Ludwig hervorgeht, soll dieser sich in seiner Funktion als Rektor der Bergkirche für eine Rückführung des Gnadenbildes „Maria Türkenhilfe“ auf den Leopoldsberg eingesetzt haben (vgl. Hamminger 1986: 148). Der Priester, Lehrer und Bibliothekar Ludwig hatte sich nach dem Zweiten Weltkrieg sehr um den Wiederaufbau der Kirche bemüht und war als Autor zahlreicher Texte und als Präsident der „Gesellschaft zur Erforschung, Förderung und zum Schutze der beiden Wiener Hausberge“ für eine Aufwertung des Leopoldsbergs eingetreten.
Im Jubiläumsjahr 1983 war es einer seiner Nachfolger, Josef Dominicus Hamminger, der einen erneuten Antrag auf „leihweise Überlassung des Bildes für die Kirche Sankt Leopold am Berg“ (Hamminger 1984: 9) stellte. Doch auch dieses Mal ohne Erfolg. Der damalige Direktor des Historischen Museums der Stadt Wien, Hofrat Dr. Robert Waißenberger, erteilte seinem Ansuchen in einem Schreiben vom 2. November 1983 eine Absage:
Bei einer Sitzung am 4. Oktober mit der Verwaltung des Allgemeinen Krankenhauses wurde das Problem über den künftigen Standort des Bildes beraten. Die Krankenhausverwaltung bezeigte dabei ihr Interesse, das Bild in der Kapelle zu belassen. Das Historische Museum der Stadt Wien unterstützt diese Bemühungen, da wir die Ansicht vertreten, der seinerzeitige Entschluß Kaiser Josephs II. das Bild dem Krankenhaus zu übergeben, sollte nicht rückgängig gemacht werden, ist er doch Ausdruck der damaligen Gesinnung. Was für das Bild geschehen wird, ist die Verbesserung seiner Sicherung in der Kapelle. Wir möchten daher Ihrem Wunsche nach Transferierung auf den Leopoldsberg nicht entsprechen, hoffen aber, daß Sie unseren Beweggründen Verständnis entgegenbringen. (Waißenberger zit. nach Hamminger 1986: 149)
Erst im Jahr 1988 gelang es nach Intervention des Wiener Erzbischofs Hans Hermann Groër bei Bürgermeister Helmut Zilk, das Marienbild als Leihgabe wieder in die Kirche am Leopoldsberg zu bringen. (Hamminger 1988: 30)
Literatur
Literatur
Hamminger, Josef Dominicus; Wiener Katholische Akademie (Hg.) (1984): Der Leopoldiberg unter dem Hammer. Dokumentation zur Aufhebung der kaiserlich-königlichen Schlosskapelle auf dem Kallenberg=Leopoldsberg und zur Versteigerung der dazugehörigen Besitzungen unter Kaiser Joseph II. 1782. Wien.
Hamminger, Josef Dominicus; Wiener Katholische Akademie (Hg.) (1986): Leopoldi Capelln am Kallenberg oder St. Josephskirche der PP Kamaldulenser auf dem Josephsberg (Sobieskikapelle in der St. Josephskirche)? Wo hat Pater Marco d’Aviano vor der Entscheidungsschlacht am 12. September 1683 die heilige Messe gefeiert? Wien.
Hamminger, J. D. (1988): Das Gnadenbild Maria Türkenhülfe in der k. k. Leopoldi Schloß Capelln am Kallenberg. In: Beiträge zur Wiener Diözesangeschichte 29, 27-30.
Ludwig, Vinzenz Oskar (1939): Der Leopoldsberg. Landschaft, Geschichte, Legende, Kunst und Literatur. Klosterneuburg.
Ludwig, Vinzenz Oskar (1952): Der Leopoldsberg. Österreichs Weihestätte. Wien.
Tomek, Ernst (1914): Das kirchliche Leben und die christliche Caritas in Wien. In: Alterthumsverein zu Wien (Hg.): Geschichte der Stadt Wien. Redigiert von Anton Mayer. V. Band. Vom Ausgange des Mittelalters bis zum Regierungsantritt der Kaiserin Maria Theresia, 1740 (II. Teil.). Wien, 160–330.