Landstraßer Hauptstraße 40 , Karte

Text: Marion Gollner

Im Jubiläumsjahr 1983 wurde am Haus an der Landstraßer Hauptstraße 40 ein Marmorrelief mit einer nachgebildeten Türkenkugel an der Fassade angebracht, um an die Zerstörung des Hauses zur Zeit der zweiten Türkenbelagerung Wiens 1683 zu erinnern.

Die Geschichte des Gasthauses

Das Haus an der Landstraßer Hauptstraße 40 im heutigen 3. Wiener Gemeindebezirk blickt auf eine lange und bewegte Vergangenheit zurück. Der nach dem Hauszeichen benannte Gasthof „Zum roten Hahn“ ist eines der ältesten Einkehrgasthäuser der Landstraße. Es war bereits vor der zweiten Türkenbelagerung bekannt. Im Jahr 1683 wurde das Wirtshaus der Inschrift zufolge niedergebrannt – und zwar nicht von den Osmanen, sondern von den Wienern selbst. Sämtliche Vororte der Stadt waren vor dem Anrücken der Türken in Brand gesteckt worden, um ihnen keine Verschanzungsmöglichkeit zu bieten. Daher ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass auch dieses Haus bereits vor der Belagerung zerstört wurde und nicht, wie die Kugel im Relief suggeriert, von türkischen Kanonenkugeln.

Später wurde das Haus wieder aufgebaut und entwickelte sich zu einer beliebten „Einkehr“. So übernachtete auch der junge Adalbert Stifter mit seinen Freunden im „Gasthof zum Rothen Hahn“, als er 1826 für sein Studium nach Wien kam:

Ermüdet bis zum Tode, melancholisch und betrübt durch das fortbrausende Getöse, an allen Gliedern zerschlagen, wie die Knappen Rolands, langten sie endlich, von ihren Kreuzzügen rückkehrend, im Gasthofe zum rothen Hahn an, und verlangten ein Nachtquartier. (Stifter 2005: 50)

Weitere berühmte Gäste beim „Roten Hahn“ waren Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven und bekannte Maler wie Hans Canon, Leander Russ und Jakob Emil Schindler. Auch Banus Jellačić soll 1848 hier übernachtet haben (vgl. Czeike 1994: 25).

Zuletzt war im Haus „Zum Rote Hahn“ ein Hotel untergebracht, das u.a. mit seiner bewegten Vergangenheit auf den Seiten diverser Reiseveranstalter um Gäste warb. Dort waren u.a. Bilder vom Marmorrelief und der imitierten Türkenkugel zu sehen.

Das Marmorrelief mit Türkenkugel

Das Marmorrelief befindet sich unmittelbar neben dem Eingang zum ehemaligen „Tourotel Roter Hahn“. Es setzt sich aus einer in die Wand eingelassenen schwarzen Kugel – die Nachbildung einer türkischen Kanonenkugel – und zwei Inschriften zusammen. Die von der Kugel ausgehenden Risse in der Wand erwecken den Eindruck, als ob die Kanonenkugel direkt in die Hausmauer gekracht wäre und nach wie vor in der Fassade steckt. Die künstlerisch gestaltet ‚Einschussstelle‘ steht somit symbolisch für die Zerstörung des Hauses im Jahr 1683, auf die der Erklärungstext im rechten oberen Eck hinweist:

1683 wurde dieses Haus im Zuge der Türkenbelagerung niedergebrannt und anschliessend als Herberge ‚Zum Roten Hahn‘ wieder aufgebaut.

Im rechten unteren Eck ist die Stiftungsinschrift: „Wien im Jubiläumsjahr 1983“ angebracht.

Optisch hervorgehoben sind die Jahreszahlen „1683“ und „1983“, die im Vergleich zum übrigen Text nicht nur vergrößert, sondern auch grau hinterlegt sind. Damit soll vermutlich das runde Jubiläum und die Bedeutung der beiden Jahreszahlen unterstrichen werden.

Was wurde aus dem Wirt?

Was wurde aus dem Wirt?

Über das Schicksal des Wirts vom Gasthof „Zum roten Hahn“ gibt das “Seriauerkreuz” in Wien Schwechat Aufschluss. Laut der Inschrift am Kreuz wurde er gemeinsam mit dem Büchsenspanner Johann Martin Seriauer im Jahre 1704, also 21 Jahre nach der Belagerung Wiens, von ungarischen Rebellen an der Stelle des Schwechater Kreuzes in der Kellerberggasse hingerichtet und dort auch beigesetzt (vgl. Sühnekreuz.de). Die Inschrift an der Vorderseite des Kreuzes lautet:

WEGKREUZ
AUS DEM JAHRE 1696
IM JAHRE 1704 WURDEN BEI
DIESEM KREUZ DER BÜCHSENSPANNER
JOHANN MARTIN SERIAUER
UND DER WIRT VOM
ROTEN HAHN AUF DER LANDSTRASZE
VON UNGARISCHEN REBELLEN
ERSCHOSSEN UND HIER BEGRABEN

Der Name des Wirtes wird in der Inschrift jedoch nicht genannt. Daher ist unklar, ob es sich bei dem ermordeten Wirt tatsächlich um den Lokalbesitzer von 1683 gehandelt hat oder ob dieser die Gastwirtschaft erst nach der zweiten Türkenbelagerung übernommen hat.

Literatur

Literatur

Czeike, Felix (1994): Historisches Lexikon Wien. Band 3. Wien.

Stifter, Adalbert (2005): Wien und die Wiener in Bildern aus dem Leben (1844). Zwölf Beiträge. Herausgegeben und kommentiert von Elisabeth Buxbaum. Wien/Münster.

Tomenendal, Kerstin (2000): Das türkische Gesicht Wiens. Auf den Spuren der Türken in Wien. Wien/Köln/Weimar

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