Neugebäudestraße 80 / Simmeringer Hauptstraße 337 , Karte
Text: Simon Hadler, Martina Bogensberger
Kaiser Maximilian II. ließ das Neugebäude ab 1568 als repräsentatives Lustschloss inklusive großer Gartenanlage bauen. Es beherbergte im Laufe der Jahrhunderte exotische Tiere ebenso wie Schießpulver. Vermutlich im 17. Jahrhundert entstand die Legende, der Bau wäre an jenem Ort errichtet, an dem Sultan Süleyman I. während der ersten Wiener Türkenbelagerung sein Zelt aufgeschlagen habe.
Eine wechselvolle Geschichte
Das Neugebäude wurde ab 1568 unter Kaiser Maximilian II. als Lustschloss errichtet. Als der Kaiser im Jahr 1576 verstarb, führte sein Nachfolger Rudolf II. die Bauarbeiten weiter. 1587 vollendete der aus Norditalien stammende Baumeister Pietro Ferrabosco die „villa suburbana“, die als eine der bedeutendsten Renaissancebauten Wiens gilt. 1607 wurde eine Menagerie mit Tieren eingerichtet. Hatte die Anlage die zweite Belagerung Wiens durch die Osmanen gut überstanden, wurde sie wenig später, im Jahr 1704, durch die Kuruzzeneinfälle schwer beschädigt. Daraufhin verfiel das Schloss im Laufe des 18. Jahrhunderts immer mehr, worauf es 1775 samt den Türmen zum Pulvermagazin umfunktioniert wurde. Maria Theresia ließ Teile des Neugebäudes nach Schönbrunn bringen und dort weiter verwenden. (Czeike 1995: 378f.)
1909 kaufte schließlich die Stadt Wien die Schlossanlage und errichtete 1922/23 unter Clemens Holzmeister das Krematorium, jenem Architekten, der seine bedeutendsten Spuren in Ankara, etwa im Gebäude des türkischen Parlaments, hinterlassen hat. (Tomenendal 2000: 230)
Während des Zweiten Weltkriegs wurden in der Anlage Zwangsarbeiter zur Herstellung von Fahrzeugen eingesetzt. Im Denkmalschutzjahr 1975 wurden Überlegungen zur Revitalisierung angestellt und im Jahr 2000 wurde der Verein „Schloss Neugebäude“ gegründet, der sich für die Erhaltung und Nutzung des Gebäudes einsetzt. (vgl. Wehdorn 2004)
Ein getreues Abbild von Süleymans Zeltlager
Die bekannteste Verbindung zwischen dem Schloss Neugebäude und den Osmanen beruht auf der Legende, welche besagt, dass sich an der Stelle des Schlosses während der ersten Belagerung Wiens im Jahr 1529 die Zeltburg Sultan Süleymans I. befunden habe. Als Zeichen des Triumphes sei das Bauwerk in Form einer Zeltstadt errichtet worden. Diese Geschichte findet sich bereits in den fantasievollen Berichten des Weltreisenden Evliyâ Çelebi, der im Jahr 1665 als Teilnehmer der Großbotschaft des Kara Mehmed Pascha Wien besucht hatte:
Sultan Süleymans Zeltburg aber wurde von den Giauren abgebrochen und als Siegestrophäe in ihre Schatzkammer gebracht. An der Stelle jedoch, wo die Zeltburg gestanden hatte, errichteten sie dieses schmucke und stattliche Schloß in gigantischer Steinbauweise, das in seiner kunstvollen Anlage und mit seinen entzückenden Formen ein getreues Abbild dieser Zeltburg darstellt. Es soll aber nicht zur Abwehr eines Angriffs in Kriegszeiten dienen, sondern ist als ein großartiges Triumphmal erbaut worden, zur glorreichen Erinnerung daran, daß sie Sultan Süleyman gezwungen hatten, hier vor der Festung sein Prunkzelt zurückzulassen. (Teply 1980: 96)
Es ist einigermaßen bemerkenswert, dass sich die türkische und die Wiener Sage derartig ähneln – vor allem angesichts der Tatsache, dass sich Süleymans Lager nicht an dieser Stelle befunden hatte. Wesentliche Versatzstücke der Erzählung dürften Karl Teply zufolge ursprünglich aus dem osmanischen Raum stammen und dort auch verbreitet gewesen sein. (ebd.: 100) Nicht umsonst sollen zumindest zwei Mal – 1719 und 1748 – osmanische Gesandte zu Besuch im Schloss gewesen sein. (Wehdorn 2004: 37) Spätestens die zweite Belagerung Wiens sorgte dafür, dass die Legende auch außerhalb des Osmanischen Reichs rasche Verbreitung fand. So schreibt beispielsweise Johann Peter von Vaelkeren schon 1683, dass die Türken das Schloss verschont hätten, weil dort Süleymans Zelt gestanden habe. Bei Johann Georg Keyssler (1776), Anton Ferdinand Geusau (1792) und Gottfried Uhlich (1784) finden sich Ausführungen darüber, dass das Zeltlager des Sultans beim Bau des Gebäudes Modell gestanden habe.
Literatur
Literatur
Czeike, Felix (1995): Historisches Lexikon Wien. Band 4. Wien.
Geusau, Anton (1792): Geschichte der Haupt- und Residenzstadt Wien in Österreich. Wien.
Keyssler, Johann Georg (1776): Reisen durch Deutschland. Hannover.
Pfarre St. Johann Kapistran, St. Pölten
Teply, Karl (1980): Türkische Sagen und Legenden um die Kaiserstadt Wien. Graz.
Tomenendal, Kerstin (2000): Das türkische Gesicht Wiens. Wien.
Uhlich, Gottfried (1784): Geschichte der ersten türkischen Belagerung Wiens im Jahre 1529 aus gleichzeitigen Schriftstellern und Tagebüchern. Wien.
Vælckeren, Johann Peter von (1683): Vienna à Turcis Obsessa à Christianis Eliberata: Sive Diarium Obsidionis Viennensis, Inde à sexta Maii ad decimam quintam usque Septembris deductum. Wien.
Wehdorn, Manfred (2004): Das Neugebäude. Ein Renaissance-Schloss in Wien. Sondernummer Perspektiven. Wien.