Text: Silvia Dallinger
Der polnische König Jan III. Sobieski, der den Oberbefehl über das vereinte Entsatzheer inne hatte, das Wien am 12. September 1683 in der Schlacht am Kahlenberg befreite und die Osmanen in die Flucht schlug, wird seither vor allem in Polen als „Retter Wiens“ erinnert. Abgesehen von diesem militärischen Erfolg scheiterten jedoch die meisten seiner außenpolitischen und dynastischen Vorhaben.
Kindheit und Beginn der politisch-militärischen Laufbahn
Kindheit und Beginn der politisch-militärischen Laufbahn
Jan (Johann) III. aus dem polnischen Hochadelsgeschlecht der Sobieskis wurde am 17. August 1629 in Olesko (heutige Ukraine) geboren. Bereits seine Vorfahren hatten als hochrangige Feldherren unter der polnischen Krone gegen die Osmanen gekämpft – die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Polen und dem Osmanischen Reich reichen in das Jahr 1444 zurück.
Schon in seiner Kindheit wurde Sobieski in der Kriegskunst unterrichtet, von 1640 bis 1647 studierte er an der Krakauer Akademie. Auch am Hof des damaligen polnischen Königs und Großfürsten von Litauen Johann II. Kasimir wurde er unterrichtet.
Mit dem anti-polnischen Aufstand in der ‚Ukraine‘ 1648–1657 kam es in Polen-Litauen zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit Kosaken, Krimtartaren, Schweden, Russen und Türken. Sobieski war daran beteiligt. 1654 reiste er in geheimer Mission in das Osmanische Reich, wo er sich mit Sprache und Kultur vertraut machte.
Im Jahr 1665 wurde Sobieski zum ‚Feldhetman‘ der Polnischen Krone, also zum zweithöchsten Feldherrn nach dem König ernannt. Nach dem Sieg über die vereinten kosakisch-tartarischen Truppen bei Podhajce (heutige Ukraine) 1667 wurde er im Jahr darauf zum ‚Großhetman‘, dem Oberbefehlshaber der polnisch-litauischen Unionstruppen, befördert.
Gestärkt durch seine neue politische Position begab er sich in Opposition zu König Michael Korybut Wisniowiecki (1669–1673). Sobieski verfolgte u.a. das Ziel, das politische System Polens zu reformieren und die königliche Macht gegenüber dem polnischen Reichstag (Sejm) zu stärken. Dieser setzte sich aus Adeligen zusammen und bildete ein paralleles Machtzentrum zum König.
Osmanisch-Polnischer Krieg 1672–1676
Osmanisch-Polnischer Krieg 1672–1676
1672 überfielen die Osmanen das von früheren Kriegen bereits geschwächte Königreich Polen-Litauen. Im Vorfrieden von Buczacz verpflichtete sich Polen-Litauen im selben Jahr dazu, Podolien mit der Hauptstadt und Grenzfestung Kamieniec Podolski sowie weitere Teile der südlichen Ukraine an das Osmanische Reich abzutreten. Darüber hinaus sollte alljährlich ein Tribut an die ,Hohe Pforte‘, also die Regierung des Sultans in Istanbul, gezahlt werden. Der polnische Reichstag (Sejm) weigerte sich jedoch, den als ‚schändlich‘ erachteten Vertrag zu ratifizieren, was zu einem neuerlichen Ausbruch kriegerischer Auseinandersetzungen unter der Leitung Sobieskis führte. Bereits 1673 gelang es Sobieski, die osmanischen Truppen bei Chotyn in der Ukraine vernichtend zu schlagen, was seine Popularität enorm steigerte.
Als 1673 der bis dahin herrschende König Michael Thomas Koributh Wiesniowietzki verstarb, wurde Sobieski am 21. Mai 1674 zum König von Polen und Großfürsten von Litauen gewählt (Polen war zu dieser Zeit eine Wahlmonarchie, die Königswürde somit nicht vererbbar). Neben seinen militärischen Leistungen sollen ihm seine pro-französische Haltung und die Beziehungen seiner Frau Marie Casimire Louise de la Grange d’Arquien zum französischen Hof zum Thron verholfen haben.
Die Auseinandersetzungen zwischen Polen und den Osmanen dauerten jedoch mit wechselnden Erfolgen fort, bis der Krieg schließlich im Vertrag von Zurawno 1676 (vorläufig) beendet wurde.
Erste Regierungsjahre und Allianzen
Erste Regierungsjahre und Allianzen
Schon 1672 soll Sobieski geplant haben, mit benachbarten Ländern Bündnisse gegen die Türken einzugehen, um damit für zukünftige Bedrohungen gerüstet zu sein. 1675 schloss er eine Allianz mit Frankreich, durch dessen Vermittlung der Osmanisch-Polnische Krieg (1672–1676) beendet werden konnte. Diese Allianz sowie ein militärisch-politisches Bündnis mit Schweden (1677) sollten dabei helfen, das 1660 verlorene Herzogtum Brandenburg-Preußen zurückzugewinnen. Darüber hinaus war die Festigung der polnisch-litauischen Macht am Baltikum erklärtes Ziel von Sobieskis Politik. Seine diplomatischen Annäherungen zum Osmanischen Reich (1677–78) wurden von der ‚Hohen Pforte‘ allerdings zurückgewiesen.
Misserfolge schwächten seine Allianzpolitik besonders mit Frankreich. Die Forderung des polnischen Reichstags, die verlorenen ukrainischen Gebiete (vor allem Podolien) zurückzuerobern, und die erneute ‚Türkengefahr‘ gaben Anlass, die kurzzeitig pro-türkische Politik aufzugeben. Somit kehrte Sobieski zur traditionellen Bündnispolitik mit den Habsburgern zurück, um gegen den gemeinsamen Feind zu kämpfen. Der Abschluss einer anti-türkischen Koalition erwies sich jedoch als äußerst schwierig und sollte bis März 1683 dauern.
Allianz mit Kaiser Leopold I.
Allianz mit Kaiser Leopold I.
Ab Dezember 1682 begannen die Verhandlungen über ein Defensivbündnis gegen das Osmanische Reich. Kaiser Leopold I. war vorerst skeptisch, ein Bündnis mit König Sobieski einzugehen, da dieser bis vor kurzem noch ein Verbündeter Frankreichs gewesen war.
Zudem war Anfang 1683 noch immer nicht klar, gegen welches der beiden Länder die osmanischen Truppen ziehen würden – Polen oder Österreich. Ein Zusammenschluss der beiden Länder erschien allerdings ratsam, um sich vereint gegen das osmanische Heer verteidigen zu können. Aufgrund der steigenden Gefahr eines türkischen Angriffs – die osmanischen Truppen führten bereits einen Feldzug gegen den habsburgischen Teil Ungarns – sah sich Kaiser Leopold I. umso mehr zu einem Bündnis gezwungen. Auch Sobieski war zu einer Allianz bereit, obwohl er politisch den aufständischen ungarischen Habsburggegnern unter Emmerich Thököly freundlich gesinnt war.
Der polnische Reichstag wiederum befürchtete, dass Kaiser Leopold I. Polen in einen Krieg verwickeln wolle, der nicht Krakau, sondern Wien betraf. Aus diesem Grund sollten beide Regenten vor dem Papst auf den Bündnisvertrag schwören. Papst Innocenz XI. erwirkte am 31. März 1683 dessen Unterzeichnung und sicherte eine finanzielle Hilfe in der Höhe von 1,5 Millionen Gulden zu.
Der Vertrag besagte, dass Kaiser und König sich bei einem Angriff der Osmanen gegenseitig unterstützen sollten. Die jeweilige Truppengröße war vertraglich festgelegt: der Kaiser sicherte 60 000, Sobieski 40 000 Mann zu. Bereits in diesem Vertrag war geregelt, dass Sobieski, bei Teilnahme am Krieg, den Oberbefehl über die Armee übernehmen sollte. Im Fall einer Belagerung Wiens oder Krakaus sollten sich die Verbündeten mit allen zur Verfügung stehenden Truppen gegenseitig beistehen. Darüber hinaus zahlte der Kaiser 200 000 Reichstaler an die polnische Krone. Alle Steuern der venetianischen Kirchen in der Lombardei, in der Höhe von 300 000 Reichstalern, sollten den polnischen Soldaten als Sold zur Verfügung stehen. Außerdem war die Übernahme bzw. der Erlass polnischer Schulden durch den Kaiser vorgesehen.
Die entscheidende Schlacht am 12. September
Die entscheidende Schlacht am 12. September
Am 14. Juli 1683 überbrachte Graf Philipp von Thurn Sobieski in Warschau die Nachricht von der Belagerung Wiens. Bis Ende Juli wollte der Polenkönig sein Heer sammeln und, gemäß dem unterzeichneten Vertrag, zur Unterstützung des Kaisers nach Wien ziehen. Seine Ankunft in Wien kündigte er mit Ende August an. Sein Abmarsch verzögerte sich jedoch, sodass Sobieski erst am 14. August von Krakau aufbrach und über Schlesien und Mähren nach Wien zog. Am 31. August traf er mit Karl V. Herzog von Lothringen, seinem früheren Rivalen im Kampf um die polnische Krone, in Hollabrunn zusammen.
Am 3. oder am 4. September 1683 hielt Sobieski gemeinsam mit Herzog Karl V. Kriegsrat im Hardegg’schen Schloss Juliusburg in Stetteldorf am Wagram bei Tulln, um den Entsatz zu planen. Das Treffen war von der Frage überschattet, wer von den beiden Feldherren den Oberbefehl über das Heer erhalten sollte. Der Kapuzinerpater Marco d’Aviano vermittelte angeblich zwischen beiden und schaffte es, die Differenzen zugunsten Sobieskis beizulegen.
Am 8. September feierte d‘Aviano anlässlich des Festes Mariä Geburt bei Tulln eine Messe, bei der ihm Sobieski ministriert haben soll. Die Anrufung der Jungfrau Maria sollte dem Entsatzheer in der Schlacht gegen die Türken zum Sieg verhelfen. Sobieskis Aufbruch nach Wien erfolgte am 9. September.
Am 11. September stationierten sich die vereinten Truppen am Kahlengebirge, bevor die Schlacht am Tag darauf bereits um 5 Uhr früh began. Der Legende nach habe Marco d‘Aviano noch vor der Schlacht eine Heilige Messe am Kahlenberg gelesen, bei der Sobieski neuerlich ministrierte und sein Sohn Jakob zum Prinzen geschlagen wurde (siehe „Marco d’Aviano und die Messe am Kahlenberg“). Jüngere Autoren und Autorinnen bezweifeln jedoch sowohl den Ort der Messe als auch Sobieskis Beisein (s. z.B. Tomenendal 2000; Sachslehner 2006).
Die Orientalistin Kerstin Tomenendal geht davon aus, dass das vereinigte Entsatzheer aus ca. 65 000 Mann bestand und einem ca. 75 000-köpfigen osmanischen Heer gegenüberstand. Das Entsatzheer soll sich aus 21–25 000 Männern aus der Adelsrepublik Polen-Litauen zusammengesetzt haben sowie aus je rund 11 000 Bayern und Sachsen, ca. 9000 Franken und Schwaben und rund 11 000 Angehörigen der kaiserlichen Armee (vgl. Tomenendal 2000: 128f). Die exakte Truppenstärke der jeweiligen Einheiten ist im Nachhinein kaum rekonstruierbar, da die Zahlen in den verschiedenen zur Verfügung stehenden Quellen erheblich und je nach Standpunkt variieren.
Der linke Flügel mit der kaiserlichen Infanterie und Kavallerie sowie den sächsischen Truppen stand unter dem Kommando von Karl V. von Lothringen und bildete zunächst den Schwerpunkt des osmanischen Angriffs. Das Zentrum bestand aus der bayerisch-fränkischen Armee und der kaiserlichen Reitereinheit, der rechte Flügel aus den polnisch-litauischen Soldaten unter Sobieski. Diese sollen allerdings erst am Nachmittag in das Kampfgeschehen eingegriffen haben. Vor allem durch die Flankenangriffe der polnischen Husaren vom Norden und Westen des Kahlenberges her konnten die Türken schließlich in die Flucht geschlagen werden.
Nach gewonnener Schlacht soll Sobieski angeblich zwei Drittel der Kriegsbeute aus dem Heerlager Kara Mustapha Paschas nach Polen mitgenommen haben.
Nach der Entsatzschlacht
Nach der Entsatzschlacht
Durch den Sieg bei Wien gewann Sobieski großes internationales Ansehen. Die kriegerischen Auseinandersetzungen gegen das Osmanische Reich setzten sich jedoch weiter fort. Aus diesem Grund wurde am 5. März 1684 die ‚Heilige Liga‘ zwischen dem Heiligen Römischen Reich, Polen-Litauen und Venedig als Allianz gegen die Osmanen gegründet. Zwei Jahre darauf wurde auch Russland Teil des Bündnisses. Erklärtes Ziel der Heiligen Liga war die Befreiung der europäischen Gebiete von der türkischen Besatzung – ihr größter militärischer Erfolg war die Schlacht bei Mohács im Jahre 1687.
In außenpolitischer Hinsicht hatte Sobieski auch außerhalb der Heiligen Liga vielseitige Pläne. Einerseits versuchte er weitere Bündnisse gegen das Osmanische Reich zu schließen, anderseits wollte er sogar einen Separatfrieden mit den Osmanen erreichen. Desweiteren plante er, die Fürstentümer im Donauraum Polen zu unterwerfen. Dies und seine Kontakte zum ungarischen Rebellen Thököly, die er in der Hoffnung anknüpfte, die ungarische Krone für seinen Sohn Jakob zu gewinnen, schwächten die Beziehungen zu den Habsburgern zusehends.
All diese großen Pläne scheiterten jedoch, sodass sich Sobieski schlussendlich doch wieder dem Bündnis mit den Habsburgern zuwandte.
Auch innenpolitisch konnte er seine Reformen wie z.B. die Einführung des Erbthrons nicht gegen den starken Widerstand des Adels durchsetzen. „Sobieski war ein politischer Visionär, ein großer Stratege, aber ein schlechter Taktiker. Er verstand es nicht, das politische Spiel von Tag zu Tag gut zu spielen“ (Wójcik 1982: 184).
Sobieski starb am 17. Juni 1696 in Wilanów in Polen und ist in der Wawel-Kathedrale in Krakau begraben. Erst nach seinem Tod 1699 wurde der Friedensvertrag von Karlowitz geschlossen, durch den Polen all seine verlorenen Gebiete vom Osmanischen Reich zurückerhielt.
Literatur
Literatur
Biedert, Hans/ Kościusko, Tadeusz (1998): Jan III. Sobieski (1629–1696) und die Befreiung Wiens. In: Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (Hg.): Polen in Europa. Deutschland in Europa, Reihe für Politik, Geschichte, Geographie, Deutsch, Kunst. Nr. 37, Dezember 1998. Stuttgart, 13–15.
Eickhoff, Ekkehard (2009): Venedig, Wien und die Osmanen. Stuttgart.
Hagenau, Gerda (1983): Jan Sobieski. Der Retter Wiens. Wien/München.
Leber-Hagenau, Gerda (1983): Die deutschen Reichsfürsten beim Entsatz von Wien. In: Kanitzer, Theodor (Hg.): Festschrift Entsatz Komitee „300 Jahre Entsatz von Wien mit König Jan III. Sobieski“. Festschrift, herausgegeben unter der Redaktion von Theodor Kanitzer zur Erinnerung an das Jubiläumsjahre 1983. Wien, 51–55.
Leitsch, Walter (1983): Die Allianz gegen die Osmanen. In: Kanitzer, Theodor (Hg.): Festschrift Entsatz Komitee „300 Jahre Entsatz von Wien mit König Jan III. Sobieski“. Festschrift, herausgegeben unter der Redaktion von Theodor Kanitzer zur Erinnerung an das Jubiläumsjahre 1983. Wien, 33–38.
Pyzdek, Tadeusz (2003): König Jan III. Sobieski. Ein polnischer Staatsmann von europäischem Format. In: Mikrut, Jan (Hg.): Die Bedeutung des P. Markus von Aviano für Europa. Wien, 235–260.
Tomenendal (2000): Das türkische Gesicht Wiens. Auf den Spuren der Türken in Wien. Wien/Köln/Weimar.
Wikipedia: Jan Sobieski, 08.07.2009.
Wikipedia: Osmanisch-Polnischer Krieg, 08.07.2009.
Wikipedia: Zweite Wiener Türkenbelagerung, 08.07.2009.
Wójcik, Zbigniew (1982): Johann III. Sobieski – ein polnischer Staatsmann. In: Historisches Museum der Stadt Wien (Hg.): Die Türken vor Wien. Europa und die Entscheidung an der Donau 1683. Salzburg/Wien, 179–185.