Dieses Projekt stellt die erste umfassende Studie spätantiker Kästchen dar. Dabei wird eine systematische Neubetrachtung dieser Artefakte vorgeschlagen, die religiöse und soziale Interaktionen und visuellen Austausch einbezieht und es ermöglicht, neue Einblicke in die historischen, soziologischen und rituellen Kontexte der Produktion, Nutzung und Verwendung dieser Objektkategorie zu gewinnen.

In der materiellen Kultur der Spätantike bilden Kästchen eine privilegierte Artefaktkategorie, deren Herstellungstechniken und komplexe Dekorationen mit heidnischer und biblischer Ikonografie, aber auch soziale und rituelle Aspekte in diesem Projekt untersucht werden. Die Studie setzt die von Helmut Buschhausen und Dorottya Gáspár an der Österreichischen bzw. Ungarischen Akademie der Wissenschaften begonnenen Forschungen fort und setzt sich zum Ziel, die Kontextualisierung der spätrömischen Kästchen in ihrer ikonografischen und formalen Entwicklung zu vervollständigen.

Fragestellungen

Das Forschungsziel des Projekts besteht darin, eine gründliche Neubewertung der spätantiken Kästchen bzw. Kästchenbeschläge sowie ihrer Kategorisierung, Funktionen und Fundkontexte in den oberen römischen Donauprovinzen (Noricum ripense, Pannonia prima, Pannonia secunda und Pannonia Valeria) und in ausgewählten Fällen in Oberitalien und Kroatien zu liefern. Eine wichtige Kooperationsvereinbarung mit dem Ungarischen Nationalmuseum wird es ermöglichen, die Forschung um die Einbeziehung von Funden aus dieser bedeutenden Sammlung zu erweitern. Besonderes Augenmerk wird auf die synkretistischen Bildprogramme und die religiöse und private Bedeutung dieser Objekte in der spätrömischen Gesellschaft gelegt. Archäometallurgische Untersuchungen, die an einer Gruppe von Kästchen und Beschlägen durchgeführt werden, sollen Aufschluss über Herstellungstechniken geben und Hinweise auf fortgesetzte Verwendungen und mögliche Wiederverwendungen in verschiedenen Kontexten liefern.

Methodik

Die Methodik dieses Projekts basiert auf einem interdisziplinären Ansatz, der typochronologische Studien, ikonografische Analysen, Fertigungstechnologie, Archäometrie und Materialanalyse, historische Geografie sowie Sozial- und Religionsgeschichte miteinander verbindet. Im Rahmen der naturwissenschaftlichen Analysen werden die Metallfunde zuerst wahlweise mittels tragbarem Röntgenfluoreszenzanalysegerät (pXRF) oder Rasterelektronenmikroskop (REM-EDXS) des VIAS (Universität Wien) analysiert. Anschließend werden kleine, nicht anhaftende, Proben entnommen und am CEZA Mannheim (Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie) deren chemischen Zusammensetzung sowie die Bleiisotopenverhältnisse gemessen. Dies dient der Herkunftsbestimmung des verwendeten Metalls.

Zielsetzungen

Basierend auf neuesten Forschungsergebnissen sind Erkenntnisse für die ikonografische Analyse visueller Muster, die religionshistorische Forschung und zu Produktionstechniken der Spätantike zu erwarten. Die Studie zu den spätrömischen Kästchen der Donauprovinzen, von denen sich der Großteil heute in Österreich und Ungarn befindet, lässt vielfältige Ergebnisse erwarten, die mit der Fülle der religiösen Vorstellungen, der Wahrnehmung des Heiligen und den rituellen und sozialen Bräuchen der Menschen in spätrömischer Zeit zusammenhängen.