Sankt Stephan, 1147 geweiht, entwickelte sich bereits unter den Babenbergern zum geistigen Zentrum Wiens. Eine „cappella“ scheint es fast von Anbeginn gegeben zu haben, und auch im Stiftungsbrief Rudolfs IV. für das Domkapitel 1365 ist ein Kantor genannt. Die nötigen Kapellknaben rekrutierte man aus der ab 1237 unter dem Patronat des Landesfürsten, ab 1296 dem der Stadt stehenden Bürgerschule (collegium civium) – und die Kapellknabentradition hielt sich bis in das 20. Jahrhundert. Mit der Errichtung des Bistums Wien 1469 sowie dem Anwachsen der habsburgischen Macht erhielt St. Stephan als größte Kirche der Stadt zusätzlich Bedeutung (man denke an die Wiener Doppelhochzeit 1515, in der die Kirche zum Hauptaktionsraum sowohl habsburgischer wie jagiellonischer Repräsentation wurde).

Die musikalische Ausgestaltung der Liturgie wie aller paraliturgisch-repräsentativer Zeremonien um den Dom herum, aber auch neue musikalisch-stilistische Entwicklungen erforderte eine sukzessive Ausweitung der Kapelle, deren Aufgaben von den Chorknaben wie Geistlichen (wie auch – zumindest auf dem Papier – Studenten der Universität) keineswegs mehr alleine erfüllt werden konnten, sondern spätestens mit dem Beginn der Frühneuzeit zusätzlich die Anstellung von professionellen Sängern und Instrumentalisten erforderte. Die Aufgaben waren vielfältig, wurde St. Stephan nicht nur durch das Domkapitel und die Stadt als liturgisch-spiritueller wie Repräsentationsraum genützt, sondern war auch Kirche des Bischofs und Eigenkirche des Landesfürsten (bis 1918) – die Finanzgebarung jedoch lag bis weit in das 18. Jhdt. (und offiziell bis zum 30. 4. 1868) in den Händen der Stadt Wien; seither liegt die Verwaltung der Domkirche im Auftrag des Domkapitels in den Händen des Kirchenmeisters.

Es zählt zu den Paradoxa der Wiener Musikgeschichtsschreibung, dass die Geschichte und musikalische Praxis einer der Hauptkirchen der Stadt, der Metropolitan- und Domkirche Sank Stephan nur in Ansätzen beforscht vorliegt. Grundlegende Quelleneditionen stammen weitgehend aus dem späten 19. und frühen 20. Jhdt. Zur mittelalterlichen Musikgeschichte wurden in mehreren Forschungsprojekten in den letzten Jahren Forschungslücken geschlossen, doch für die Neuzeit (v.a. ab dem 17. Jhdt.) ist der Wissensstand nach wie vor gering. Nach einem Wasserschaden wurden ab Herbst 2018 die Reste des historischen Musikarchivs gesichtet, katalogisiert und einer fachgerechten Archivierung im Domarchiv zugeführt. Die nun folgende wissenschaftliche Aufarbeitung des Repertoires wie dessen Verwendung zeigt deutlich den mangelhaften Wissensstand zur Musikgeschichte des Stephansdomes. In mehreren Projektschritten sollen nun Lücken geschlossen werden, um ein Gesamtbild der Musik an der Metropolitan- und Domkirche Sankt Stephan erstellen zu können.
 

Publikationen und Vorträge zum Projekt

 

 

Projektleitung

Dr. Elisabeth Hilscher


Laufzeit

2019–2030


Finanzierung


Kooperationspartner