Flora et Germana: Musik- und Kulturdiplomatie in Wien für Franz II. von Lothringen, Großherzog von Toskana

Nur ein Jahr nach seiner Heirat mit Maria Theresia von Österreich (1736) fand ein weiteres, für den späteren politischen Aufstieg Franz Stephans von Lothringen (1708–1765) zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches (1745) entscheidendes Ereignis statt: seine Krönung zum Großherzog der Toskana im Jahr 1737.

Um dieses Ereignis in Wien zu feiern, komponierte Carlo Arrigoni (1697–1744), einer der wichtigsten Musiker der florentinischen Musikkapelle, die Festa da camera Cinto il crin di sacro alloro, aufgeführt bei Hofe zwischen Ende 1737 und 1738 als ein Akt der Kulturdiplomatie im Vorfeld der ersten und einzigen Reise des Kaiserpaares in den neuen Staat (Januar bis April 1739). Diese in zwei Handschriften aus der Wiener Hofbibliothek erhaltene, der musikhistorischen Forschung noch völlig unbekannte musikalische Produktion stellt bis heute eine Quelle von außerordentlichem Interesse für die Wiener Geschichte und damit auch für das Verständnis der österreichischen Diplomatie in Europa in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts dar. Franz Stephan war der erste ausländische Monarch in der Geschichte der Toskana nach Jahrhunderten der Medici-Herrschaft. Im Oktober 1737 reiste eine Delegation von toskanischen Ministern nach Wien, um den neuen Großherzog zu besuchen. In diese Zeit fällt die Anwesenheit Arrigonis am Wiener Hof. In Wien, wo er bis 1738 residierte, wurde er Maestro di camera von Franz Stephan– ein Titel, den er auch nach seiner Rückkehr nach Florenz behielt.

Arrigonis Festa da camera ist ein groß angelegtes musikalisches Werk für drei Stimmen, Chor und Orchester. Als ein kulturpolitisches Programm spiegelt der Text Franz Stephans Interessen, insbesondere für Kunst und Wissenschaft, wider. Die Personifikationen der Malerei, Bildhauerei und Architektur führen ein Gespräch über die Rekonstruktion eines ephemeren „Tempels“, der wahrscheinlich als Allegorie des neuen österreichischen Kaiserreichs zu verstehen ist. Dies bietet eine Gelegenheit, den Übergang des Schutzes der Künste vom toskanischen Staat, der mit der Figur der „Flora“ – Florenz – identifiziert wird, zu dem der „Germana“, d. h. der neu eingesetzten habsburgisch-lothringischen Linie, zu schildern. Außerdem fehlt nicht der Hinweis auf die ruhmreiche wissenschaftliche Tradition der Toskana mit dem Astronomen und Vater der modernen Wissenschaft, Galileo Galilei (1564–1642). Und schließlich ist die Idee, die Statuen von sechs toskanischen Päpsten in die architektonische Struktur zu integrieren, als eine ausdrückliche Hommage an die Kirche und den damaligen Papst Clemens XII., geborenen Lorenzo Corsini (1652–1740) zu verstehen.

Das von der Stadt Wien geförderte Projekt sieht eine kritische Ausgabe der Festa da camera vor. Auch wird die Dynamik der Kulturdiplomatie untersucht, die der künftige österreichische Kaiser gegenüber seinen politischen Gesprächspartnern – dem Wiener Hof, dem Papsttum und dem toskanischen Großherzogtum – an den Tag legte. Die Ausgabe wird in drei Sprachen – Deutsch, Englisch und Italienisch – erscheinen, um eine größere wissenschaftliche Verbreitung der Publikation zu ermöglichen, die nicht nur für die musikwissenschaftliche Community, sondern auch die Geschichtswissenschaft sowie Forschungen zu Franz Stephan von Lothringen und Maria Theresia von großem Interesse sein wird.

 

 

Projektleitung und Kontakt

Dr. Elena Abbado


Mitarbeiter

Adriano Morea


Laufzeit

10/2023–09/2024


Finanzierung