Dieses Projekt untersucht die Schriften von Eduard Hanslick (1825–1904), dessen Traktat Vom Musikalisch-Schönen (1854) wohl eine der – wenn nicht gar die – wichtigste ästhetische Abhandlung des neunzehnten Jahrhunderts repräsentiert. Auf Basis dieser Schrift wurde Hanslick zudem zum Dozenten für Geschichte und Ästhetik der Tonkunst – der späteren Disziplin „Musikwissenschaft“ – ernannt (1856), was nicht nur in Wien sondern vielmehr im gesamten deutschen Sprachraum die früheste derartige Position darstellt. Im Gedächtnis blieb Hanslick jedoch primär als vermutlich wichtigster Musikkritiker seiner Epoche, dessen Essays, Berichte und Kritiken selbst in Amerika gelesen wurden und die, von ihm selbst ediert, in mehreren Bänden teilweise neuerlich erschienen (12 Bände, 1870–1900).

Während die Literatur bisher vor allem Hanslicks Ästhetik analysiert, ausgelegt und im Kontext seines Zeitalters verortet hat, erforscht das aktuelle Projekt die Relation zwischen den unterschiedlichen Schriftgattungen, die bis heute unklar bleibt. Denn wenn in Vom Musikalisch-Schönen z.B. der Bezug von Musik und Gefühl aus ästhetischer Perspektive prinzipiell hinterfragt wird, sind Hanslicks kritische Arbeiten von expressiven Metaphern durchsetzt, die auf den ersten Blick mit den Maximen seines Traktats in Konflikt stehen. Andere vermeintliche Diskrepanzen können daraus erklärt werden, dass Hanslicks Tätigkeit als Kritiker ca. sechzig Jahre umfasst (1844–1904) und sich über die Dekaden dynamisch entwickelte, während seine Ästhetik – die von ihm in späteren Auflagen meistens nur geringfügig überarbeitet wurde – relativ statisch blieb.

Das Projekt lotet somit die Dynamik dieser Prozesse aus und analysiert, inwiefern Hanslicks kritische Arbeiten mit Vom Musikalisch-Schönen vereinbar sind, ob sich hier Widersprüche ergeben oder spätere Texte nicht sogar als Verfeinerung seiner Ästhetik gelesen werden können, die wesentliche Thematiken wie die Performativität von Musik nicht ausreichend theoretisiert. In diesem Kontext werden ebenso Hanslicks Kriterien für die Auswahl und Edition seiner Artikel für die (teils stark geänderten) Fassungen in seinen vielen Anthologien rekonstruiert und danach gefragt, was uns dies über Verschiebungen in Hanslicks Ansichten verrät. Da er diese Bände als lebendige Geschichte der (Wiener) Musik-Szene auffasste, werden diese zudem mit Hanslicks Konzeption von Wissenschaft quergelesen.

Dieser Ansatz wird dann auch auf die von Hanslick genutzte konkrete Sprache (Ausdruck, Vergleiche, Metaphern, etc.) ausgeweitet, der das Projekt für die Analyse der kulturellen, politischen und allgemeinen historischen Kontexte öffnet, welche in einem Folgeprojekt ins Zentrum der Arbeiten rücken sollen. Die textliche Analyse basiert hierbei auf einer digitalen Edition von Vom Musikalisch-Schönen (2023) und der Transkription und TEI-Annotation von Hanslicks Schriften für die Neue Freie Presse (1864–1904) sowie seiner 12 Anthologien, welche ab 2023 in einem laufenden Verfahren online gestellt werden.

Publikationen und Vorträge zum Projekt