Vor 120 Jahren geboren als Tochter eines Wiener Gärtners, tanzte sich Franziska Janko in das Herz des albanischen Machthabers und späteren Königs Ahmed Zogu, wodurch ihr ein kometenhafter sozialer Aufstieg gelang. Doch ihre Unfruchtbarkeit verhinderte letztendlich den Wandel von der Mätresse zur Königin. Sie starb vergessen in einem Wiener Sanatorium.
Franziska Janko kam am 14. Jänner 1905 in Wien als fünfte Tochter des böhmischen Gärtnergehilfen Johann Janko (geb. 1860), der zeitweise im Park von Schloss Schönbrunn beschäftigt war, und der Barbara Janko, geb. Drescher (geb. 1860), zur Welt. Zwei Geschwister starben früh, während die Schwestern Maria (geb. 1889) und Katharina (geb. 1897) ebenso wie Franziska die Phase der Kinderkrankheiten überstanden. Franziska besuchte die Volksschule und verließ diese im Alter von 15 Jahren. Anstatt sich wie ihre Schwestern zügig nach einem Ehemann oder einer Ausbildung umzusehen, arbeitete sie zunächst in einer Gastwirtschaft als Kellnerin und wechselte dann in die Unterhaltungsbranche, da der sogenannte „rhythmische Tanz“ in freizügiger Kleidung nach 1900 in Mitteleuropa einen gewaltigen Aufschwung nahm. Offiziell als unterhaltende Gymnastik getarnt, ging es mehr oder weniger um erotisches Entertainment. Um zumindest den Schein des Anstands zu wahren, durften die Tänzerinnen nie völlig unbekleidet auftreten. Zeitgenössische Spötter – wie der Berliner Journalist Felix Langer – notierten: „Ganz nackt tanzen die Damen natürlich nicht. Es ist immerhin etwas an ihnen wahrzunehmen, was man zur Not Kostüm nennen kann. Eva, sechs Wochen nach der Vertreibung aus dem Paradies.“ Janko besaß kein festes Engagement, sondern gehörte einem durch die gesamte Habsburgermonarchie bzw. ihre Nachfolgestaaten reisenden Ensemble an, das in mehr oder minder wohl beleumundeten Lokalitäten auftrat. Das Interesse des Publikums korrelierte mit der Verarmung breiter Bevölkerungsschichten, wodurch den Theaterbesitzern ein unerschöpfliches Reservoir an jungen Darstellerinnen zur Verfügung stand. So kam es in einem Varieté unweit des Bahnhofs von Novi Sad in der Vojvodina im Sommer 1924 zum Aufeinandertreffen der jungen Franziska mit einem albanischen Exilanten namens Ahmet Muhtar Bej Zogolli, der sich selbst Ahmed Zogu nannte.
Während Janko ärmlichen proletarischen Verhältnissen der Millionenmetropole Wien entstammte, war die Situation im Hause Zogus eine völlig andere. Der 1895 geborene Ahmed Zogu war ein im Norden Albaniens ansässiger und begüterter Lokalherr, der sich im Jänner 1916 mit der einmarschierenden österreichisch-ungarischen Armee verbündete und in ihrem Auftrag die Hafenstadt Durrës eroberte. Er wurde mit dem Rang eines Obersts der k. u. k. Armee belohnt und zur Krönung von Karl I. im Dezember 1916 nach Wien eingeladen. Darüber hinaus wurde er weiter ausgebildet, um im Falle eines siegreichen Kriegsendes im österreichischen Auftrag Albanien zu verwalten. Nach der Niederlage Österreich-Ungarns im Ersten Weltkrieg kehrte Zogu stattdessen in ein völlig zerrüttetes Land zurück, das bis 1920 teilweise von italienischen Truppen besetzt war. Im Frühjahr 1924 –, Zogu war gerade Innenminister geworden –, wurde auf ihn ein Attentat verübt, sein direkter politischer Konkurrent wenig später erschossen und Zogu anschließend ins Exil gedrängt. Dieses verbrachte er im Königreich Jugoslawien in Novi Sad, wo er Janko begegnete. Im Roman „Seine Majestät, der König“, verarbeitete Zogus spätere Hofdame Martha Sills-Fuchs diese Begegnung: „Sie trug ein schwarzes Paillettenkleid, das Schultern, Rücken und Brustansatz frei ließ und in eine lange glänzende Schleppe auslief. Der Rock war bis zu den Hüften vielfach geschlitzt und ließ die nackten Beine und das Paillettenhöschen, das sie unter dem Kleide trug, hervorschimmern. Die Füße staken in schwarzen Paillettensandalen mit hohen Absätzen.“ Zogu sah ebenfalls gut aus. Der italienische Botschafter in Albanien Pietro Quaroni attestierte ihm ein einnehmendes Wesen: „Er hatte hellblondes Haar, das über der Stirne und dem Nacken etwas gelichtet war, eine sehr ausgeprägte Adlernase, ein blondes Schnurrbärtchen, ein leicht fliehendes Kinn, prächtige, klare hellblaue Augen, weiße, regelmäßige Zähne, ein sehr sanftes Lächeln und eine etwas dünne, hohe Stimme mit einem seltsam jugendlichen Akzent.“ Im Dezember 1924 marschierte Zogu mit einer Söldnerarmee in Albanien ein, stürzte seine Konkurrenten und ernannte sich selbst zum Präsidenten des Landes. In seinem Gefolge befand sich schon Franziska Janko, die sich in den folgenden Jahren die Rolle der „First Lady“ des Landes mit der Mutter Zogus Sadije Toptani teilte. Außenpolitisch emanzipierte sich Zogu zügig von Jugoslawien, schloss mit Großbritannien einen Freundschaftsvertrag und näherte sich Italien an. Innenpolitisch wurde zwar eine Reihe von Reformvorhaben begonnen (Bekämpfung der Analphabetenquote, Malariaprophylaxe), letztendlich profitierte jedoch nur eine kleine Kamarilla von den Geldzuwendungen, die alsbald aus dem Ausland strömten, da das faschistische Italien erkannte, dass es über die Subventionierung Albaniens dauerhaft auf dem Balkan Fuß fassen konnte. Dies widersprach den Sicherheitsinteressen Jugoslawiens, dessen Geheimdienst nun die albanische Opposition unterstützte und Attentate gegen Zogu und seine Familie ermöglichte. Diese ständige Bedrohung zehrte an Zogus Nerven. Auch Janko hatte sich das Leben an der Seite eines Präsidenten sicher anders vorgestellt, als ständig vor Attentätern auf der Flucht zu sein. Um sich und seine Position zu festigen, erklärte Zogu im Herbst 1928 die Republik Albanien für erloschen und krönte sich selbst zum König der Albaner, was Jugoslawien zusätzlich verärgerte. Schließlich lebte dort eine große albanische Minderheit. Zogu erhob Janko zur Baronin, um so ihre Beziehung Schritt für Schritt zu legitimieren. Dies war klug gedacht, denn Albanien war konfessionell in einen katholischen und einen muslimischen Teil gespalten. Die katholische Österreicherin Janko und der muslimische Zogu symbolisierten also die Synthese beider Landesteile. Doch die ständige Bedrohung durch Anschläge beeinträchtige auch die Gesundheit Zogus, der sich schließlich 1929/30 von angereisten Wiener Ärzten, darunter der Internist Julius Bauer und der Röntgenologe Guido Holzknecht, untersuchen lassen musste. Ende Januar 1931 sollte eine Weiterbehandlung in Wien erfolgen. Obwohl Albanien, Österreich und Italien die Reise streng geheim halten wollten, veröffentlichten Journalisten des Boulevardblattes „Die Stunde“ am 29. Jänner 1931 die Ankunft Zogus in Wien, worauf die hier aktive albanische Opposition umgehend mit der Planung eines Attentats begann. Dieses erfolgte am Abend des 20. Februars 1931 vor der Staatsoper. Im Kugelhagel von mehr als 20 Schüssen starb ein albanischer Leibwächter, während Zogu und Janko unverletzt ins Hotel Regina entkamen. Die düpierte Wiener Polizei verhängte eine Nachrichtensperre, woraufhin die Boulevardpresse nicht über das Attentat, sondern stattdessen über die Liebesbeziehung zwischen Zogu und Janko berichtete. Dies setzte Zogu unter erheblichen Zugzwang, die Liaison entweder zu legitimieren oder zu beenden. Zogu entschied sich, Janko auf die Rolle als Königin vorzubereiten, und ernannte die Wiener Lehrerin Martha Sills-Fuchs zur Hofdame, die Janko in die neue Rolle einführen sollte. Doch dem stand Zogus Mutter entgegen, die Janko ablehnte, insbesondere nachdem sich durch medizinische Untersuchungen 1933 erwiesen hatte, dass die auserwählte zukünftige Königin der Albaner unfruchtbar war. Infolgedessen endete der Lebenstraum der Wiener Tänzerin abrupt. Sie wurde mit einer großzügigen Dotation abgefunden und im Frühjahr 1934 nach Wien abgeschoben. Zogu heiratete statt ihrer 1938 die ungarisch-amerikanische Gräfin Geraldine Apponyi de Nagy-Appony, die ihm 1939 den ersehnten Thronerben Leka schenkte.
Janko kehrte enttäuscht, aber mit Juwelen und Geld bedacht, im Herbst 1934 nach Wien zurück und wohnte zunächst im Hotel Regina. Sie musste nun nicht mehr fürchten, beim Verlassen ihres Hauses vom nächstbesten Balkon aus niedergeschossen zu werden, und genoss ihre neue Freiheit in vollen Zügen. Sie reiste an die französische Riviera, erkundete Italien und begab sich schließlich 1936 auf eine Weltreise, die sie über Ägypten nach Indien und China führte. In Shanghai infizierte sie sich mit einer bakteriellen Meningitis und erlitt in der Folgezeit eine retrograde Amnesie. Auf Umwegen gelangte sie nach Wien zurück, wo sich für ihre Angehörigen die Frage der weiteren Behandlung stellte. Schnell spielte die Frage nach der Aufteilung der finanziellen Abfindung Zogus eine Rolle. Die ältere Schwester Maria verfügte über kein eigenes Einkommen, auch Katharina, die mit dem Lokomotivführer Karl Stoll verheiratet war, lebte in höchst bescheidenen Verhältnissen. Offenbar gemeinsam ersannen sie den Plan, ihre handlungsunfähige Schwester mit einem befreundeten verarmten Adeligen zu verheiraten, um auf diese Weise das Vermögen legal kontrollieren zu können. Richard Freiherr von Buttlar erwies sich jedoch nach der 1936 in Salzburg erfolgten Eheschließung als unkooperativ und verbrauchte das Geld seiner Ehefrau lieber selbst. Daraufhin strengten in der historischen Überlieferung ungenannte „Freunde“ Jankos einen Scheidungsprozess und eine Teilentmündigung der ehemaligen Mätresse an. Als Rechtsbeistand fungierte der Mitbesitzer des Hotels Sacher, Hans Gürtler. Ihm gelang es 1938, sowohl Buttlar als auch Katharina Stoll auszubooten (Maria Janko war bereits verstorben), die Ehe annullieren zu lassen und Franziska Janko in ärztliche Behandlung zu übergeben. Noch immer unter Gedächtnisverlust leidend, erhielt sie 1941 mit Irma Frieders eine Gesellschafterin, die wahrscheinlich Gürtler ausgewählt hatte. Sie brachte durch gezielten Unterricht und Gespräche das Leben Jankos wieder in geordnete Bahnen. Die langsame Normalisierung wurde jedoch 1948 schlagartig durch die Publikation eines Romans unterbrochen, in dem Janko unfreiwillig als Hauptperson fungierte. Ihre ehemalige Hofdame Sills-Fuchs hatte das Buch „Seine Majestät, der König“ veröffentlicht, in dem die Geschichte der Romanze zwischen dem König von „Balkanien“ und einer Wiener Tänzerin in leuchtenden Farben geschildert wurde. Gürtler ließ das Buch auf Jankos Wunsch umgehend per Gerichtsbeschluss vom Markt nehmen, doch die Konfrontation mit der verdrängten eigenen Vergangenheit und die noch immer vorhandenen finanziellen Möglichkeiten führten bei Janko zu einer abrupten Änderung ihres Lebenswandels. Sie kehrte in das Wiener Nachtleben zurück und zeigte sich äußerst interessiert an der Bekanntschaft mit jungen Männern. Schließlich wurde ihr Sozialverhalten Ende 1948 aktenkundig und die noch immer teilentmündigte Janko in das Privatspital für Nervenkranke in der Obersteinergasse in Wien-Döbling eingewiesen. Ihre Ärzte beschrieben sie als „psychopathische Persönlichkeit mit hysterieformen Gehaben“ und attestierten ihr zusätzlich „Alkoholmissbrauch und Triebhaftigkeit“. Oder anders formuliert: Sie lebte unabhängig und wollte sich in keiner Weise mehr bevormunden lassen. Janko wurde in die geschlossene Abteilung verlegt und durfte in den folgenden Jahren die Anstalt nur unter Aufsicht verlassen. Ihr Schicksal blieb unbeachtet, bis zwei Journalisten der Regenbogenpresse auf sie aufmerksam wurden und 1953 eine Artikelserie in der Zeitschrift „Revue“ erschien. Es war dem Journalisten Udo Wolter gelungen, in die Wiener Heilanstalt einzudringen und Janko zu interviewen. So erfuhr die Leserschaft u. a., dass sie während ihres Aufenthalts in Albanien eine Affäre mit ihrem Reitlehrer hatte, den Zogu daraufhin erschießen ließ. Zum Zeitpunkt von Jankos Interview befand sich der albanische König selbst längst im Exil. Er war noch 1939 von Italien entmachtet worden und lebte nach einer Odyssee durch Griechenland, die Türkei, Ägypten und Großbritannien mittlerweile in Südfrankreich. Zwischen ihm und der ehemaligen Favoritin gab es keine Kontakte mehr, doch starben sie beide 1961, Zogu am 9. April, Janko am 23. August. Ihr war vermutlich das Neuroleptikum Melleril zum Verhängnis geworden, das ihr die Ärzte verschrieben hatten und das einen plötzlichen Herztod verursacht haben könnte. Ihr Vermögen war bereits weitgehend verbraucht und so wurde sie in einem einfachen Grab auf dem Friedhof Gersthof in Wien-Währing begraben. Hier fanden auch ihre Schwestern und ihr Schwager ihre letzte Ruhestätte. Die Grabstelle wurde mittlerweile aufgelassen.
L.: Das kleine Blatt, Die Stunde, Illustrierte Kronen-Zeitung, 24. 2. 1931; Wiener Allgemeine Zeitung, 25. 2. 1931; M. Sills-Fuchs, Seine Majestät, der König, 1948; P. Quaroni, Diplomatengepäck. Aufzeichnungen eines Botschafters, 1956; H. Habe, Leben für den Journalismus 1, 1976; U. Wolter, König Zogu wurde ihr Schicksal, in: Revue Nr. 40-46, 1953; F. Mildenberger – P. Schwarz, Der Tanz in den Abgrund. Das Leben der Franziska Janko, in: Südost-Forschungen 78, 2019/2020, S. 169ff.; data.matricula-online.eu/de/oesterreich/salzburg/salzburg-dompfarre/TRBXVIII/; data.matricula-online.eu/de/oesterreich/wien/18-gersthof/01-08/; Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes Berlin; Wiener Stadt- und Landesarchiv.
(Florian G. Mildenberger – Peter Schwarz)