Eduard Engelmann der Jüngere, ein österreichischer Ingenieur, erfolgreicher Eiskunstläufer sowie Pionier und Wegbereiter bei der Errichtung der ersten Freiluft-Kunsteisbahn der Welt, die am 10. November 1909 in Wien-Hernals eröffnet wurde, gewann 1892 und 1894 die Europameisterschaften im Eiskunstlauf. Mit diesen Siegen kann er als Begründer der erfolgreichen renommierten Wiener Eiskunstlaufschule bezeichnet werden. Aus der Familie Engelmann gingen Olympiasieger, Weltmeister, Europameister und österreichische Meister hervor. Christine Engelmann-Szabo mit Carl Euler, Helene Engelmann mit Karl Mejstrik und Alfred Berger, Herma von Szabo mit Ludwig Wrede sowie der legendäre Karl Schäfer prägten von 1892 bis 1936 als Familienmitglieder das Stammhaus Engelmann.
Eduard Engelmann jr. kam am 14. Juli 1864 in Wien als Sohn des Wachstuch- und Kunsttapetenfabrikanten Eduard Engelmann (geb. Wien, 21. Jänner 1833; gest. Wien, 6. November 1897) und dessen Frau Barbara Josepha (Betty), geb. Ponfickl, zur Welt und wurde im römisch-katholischen Glauben erzogen. Seine Schwester Christine (geb. 23. April 1874; gest. 14. März 1959) heiratete später Alexander (von) Szabo. Als Paar dominierten sie von 1894 bis 1904 alle Konkurrenzen im Eiskunstlauf.
Engelmann jr. besuchte zunächst die Volksschule in Hernals, danach das Realgymnasium und zuletzt die Oberrealschule in der Heßgasse in Wien-Innere Stadt. Nach der bestandenen Matura als 17-Jähriger studierte er 1882–1887 an der Ingenieurschule der Technischen Hochschule in Wien, an der er 1884 die Erste und 1888 die Zweite Staatsprüfung ablegte. Danach war er als Techniker beim Bau der Kamptalbahn Hadersdorf–Sigmundsherberg, bei dem er bald bis zum Chef des Konstruktionsbüros vorrückte, beschäftigt. Im niederösterreichischen Landesdienst betätigte er sich auf den Gebieten des Straßen-, Wasser-, Fluss- und Hochbaus und rückte zum Vorstandsstellvertreter im Hochbaudepartement auf.
Nachdem der Erbauer der Mariazellerbahn, Ing. Josef Fogowitz, aufgrund zahlreicher Querelen und Intrigen in den Ruhestand getreten war, übernahm Engelmann die Leitung der Baudirektion und trat sogleich für die Elektrifizierung der Mariazellerbahn ein. Erste Pläne folgten, da der Dampfbetrieb keine weiteren Steigerungen im täglichen Verkehr mehr zuließ. Im Oktober 1911 hatte Engelmann sein Lebenswerk vollendet, der elektrische Betrieb zwischen St. Pölten und Gusswerk wurde aufgenommen, die Grundlage war geschaffen, damit Mariazell erst so richtig als Fremdenverkehrsort erschlossen werden konnte. Des Weiteren schuf Engelmann das E-Werk Wienerbruck und arbeitete am Bau der Landes-Siechenanstalt in Oberhollabrunn mit. Ferner entstanden nach seinen Entwürfen das Zentralgebäude der „Landes-Irrenanstalt“ Gugging und die „Irrenanstalt“ in Mauer-Öhling.
Engelmann war ab 26. Mai 1894 mit Anastasia (geb. 12. März 1871), der Tochter des griechischen Großhändlers Stefan Simotta, verheiratet. Dieser Ehe entstammten drei Kinder, Eduard (Edi, gest. 1969), Helene (geb. Wien, 9. Februar 1898; gest. Purkersdorf, NÖ, 1. August 1985) und Christine (Christa, geb. 1903). Alle drei erzielten große sportliche Erfolge. Eduard betätigte sich als Leichtathlet, Kunstläufer und Eishockeyspieler. 1925 übernahm er als Direktor die technische Leitung des Sportplatzes Engelmann. Mit seiner Frau Annemarie begeisterte er sich für den Autosport, welcher dem Ehepaar am 20. Juli 1930 zum Verhängnis wurde, als seine Gattin bei einem gemeinsamen Ausflug in einem zweisitzigen Rennsportwagen auf der Triester Straße bei einem Zusammenstoß mit der Badner Bahn tödlich verunglückte. Christine, eine begeisterte Eiskunstläuferin, zeigte als erste Dame bei einer Konkurrenz eine Sitzpirouette. Sie war ab 1937 mit Karl Schäfer verheiratet. Die größten Erfolge feierte Helene, verheiratet mit Johann Jaroschka, als Paarläuferin. Als 15-Jährige wurde sie 1913 mit ihrem Partner Karl Mejstrik und danach 1922 sowie 1924 mit Alfred Berger Weltmeister. 1924 erreichte sie gemeinsam mit Berger mit dem Olympiasieg in Chamonix den Höhepunkt ihrer Karriere.
Schon früh versuchte sich Engelmann jr. auf der winzigen Natureislaufbahn seines Vaters auf Schlittschuhen. Ein Auftritt des damals berühmten Jackson Haines am 16. Jänner 1868 im Wiener Eislaufverein, dem auch Kaiser Franz Joseph I. beiwohnte, entfachte bei seinem Vater und ihm die lebenslange Leidenschaft für den Eiskunstlaufsport. Dieses große Interesse führte 1882 zu seinem ersten Wettkampf, bei dem ihm für die beste Schule (Pflichtlaufen) die Goldene Medaille zuerkannt wurde. Die Krönung seiner sportlichen Laufbahn war der Gewinn der Europameisterschaften 1892 und 1894 vor heimischem Publikum. Die Europameisterschaft 1893 fand in Berlin statt und ging als erster großer Preisrichterskandal in die Geschichte ein. Nach damaligen Regeln und dem Höchstpunktestand war Engelmann auch 1893 Europameister geworden. Offizielle Proteste veranlassten die Internationale Eislaufvereinigung allerdings, die Konkurrenz 1895 zu annullieren. Seinem Sport blieb Engelmann stets mit Fanatismus treu, wie er auch zeitlebens um den eisläuferischen Nachwuchs besorgt war. Seine größte Entdeckung war sein Schwiegersohn, das Jahrhundert-Talent Karl Schäfer, der spätere Schöpfer der Wiener Eisrevue.
Engelmann war nicht nur ein ausgezeichneter Eiskunstläufer, sondern konnte auch im Kunstfahren auf dem Rad Erfolge vorweisen. Mit neun Jahren begann er auf dem französischen Vélocipède, ging 1882 auf das englische Hochrad über und errang 1885–1887 die Meisterschaften des Deutschen Radfahrbunds im Kunstfahren. Weiters gewann er 1885 die Hochrad-Meisterschaft von Wien sowie 1885 und 1886 die Tricycle-Meisterschaft von Österreich. Er hatte 1883 den Wiener Cyclisten-Club mitgegründet, trat jedoch 1889 wegen Meinungsverschiedenheiten aus und war Mitbegründer des Clubs der Cyclisten von 1889. Er trat in der Folge auch als Obmann und Ehrenpräsident des Gauverbands 34 Niederösterreich des Deutschen Radfahrer-Bunds sowie als Unterstützer des Comités zur Beschickung der Olympischen Spiele 1900 in Paris in Erscheinung.
Vater Eduard Engelmann absolvierte das Polytechnikum in Wien und war später im Bankhaus Stametz-Mayer in Wien tätig. Von seinem Onkel Johann Syring bzw. von dessen Tochter übernahm er die Wachstuchfabrik in der Alsgasse in Hernals, ein Betrieb, der in der Folge eng mit dem Namen Engelmann verbunden war. Als das Geschäft allerding rückläufig war, suchte Engelmann einen neuen Weg, seine Anlagen und seinen Besitz zu verwerten. 1868 legte er in seinem Garten rund um einen großen Nussbaum einen Spritzeislaufplatz an und erhielt 1871 von der Bezirkshauptmannschaft Hernals den Gewerbeschein für „den Antritt der freien Beschäftigung: des Benützens einer Eisbahn in seinem Hausgarten“ ausgestellt. So konnte im Dezember desselben Jahres der regelmäßige Eislaufbetrieb aufgenommen werden. Anlässlich des diamantenen Jubiläums der ersten Kunsteisbahn hieß es in der Illustrierten Kronen-Zeitung vom 16. Dezember 1931: „Das kleine Eisgartl um den alten Nußbaum wuchs und wuchs, dem ersten Bassin wurde ein zweites hinzugesellt und beide durch einen kleinen Eisstreifen verbunden, den man in Hernals nur den ‚Suezkanal‘ nannte.“ Diese Hernalser Eisbahn wurde nun die Geburtsstätte dessen, was man später die Wiener Schule im Eiskunstlauf nannte.
1876 wurde zudem Rollschuhsport im Sommer auf dieser Anlage betrieben, es folgten die Radfahrer. 1880–1883 gab es ein Bassin und man konnte in Ruderkähnen seine Runde drehen. 1894 übergab der Vater seinem Sohn die Führung des Betriebs. Von nun an beschäftigte der 30-jährige Engelmann die Öffentlichkeit mit dem Projekt, seine Anlage in eine Freiluft-Kunsteisbahn umzuwandeln. Schon früh ging er von der Voraussetzung aus, dass Kristalleisflächen, wenn sie einmal praktikabel sind, auch Tauwetterperioden längere Zeit hindurch überdauern, und er versuchte es erfolgreich mit der Erzeugung des sogenannten Packeises. 1895/96 wurden zudem zum ersten Mal elektrische Lampen verwendet. Seine Initiativen fanden größte Anerkennung: Bei der Internationalen Ausstellung für körperliche Erziehung, Gesundheitspflege und Sport 1896 in Innsbruck erhielt der ausstellende Engelmannʾsche Eisklub mit dem Ehrendiplom der Medaille mit der Goldkrone die höchste zu vergebende Auszeichnung. Als im Mai 1907 der Verein Kunsteisbahn auf dem Sportplatz Engelmann gegründet wurde, war ein weiterer Meilenstein geschaffen, denn damit war das ungeheure Interesse der Öffentlichkeit geweckt. Vom Ehrenpräsidenten und Vizebürgermeister Heinrich Hierhammer bekam Engelmann jr. größte politische Unterstützung.
Als im März 1909 die Saison geschlossen wurde, wusste man, dass vom nächsten Winter an der Eisbahnbetrieb bei Engelmann nicht mehr von den Launen des Wetters abhing: So heißt es in der Festschrift „60 Jahre Sportplatz Engelmann“ (1932): „Das Ende der Natureis-Ära war eingetreten; die Maschine der Kunsteisbahn sollte an dieser Stelle der launischen Wettergötter treten, die trotz aufopferndster Arbeit so manches schöne Fest vereitelt hatten. Der menschliche Geist hatte die Natur besiegt und sie gezwungen, ihm zu dienen, bezwungen in dem launischesten und unberechenbarsten ihrer Kinder, der Witterung. Denn, was bis zu diesem Tage Tauwettertemperatur gewesen war, das sollte in Hinkunft dem Stahlschuh kein Hindernis mehr bieten, seine freudespendende, die Lebenslust beflügelnde Wirkung zu üben.“
Der wirklich kolossale Aufschwung des österreichischen Eiskunstlaufsports setzte im November 1909 ein, als Hofrat Engelmann bei sechs Grad plus die erste Freiluft-Kunsteisbahn in Betrieb nahm. Die erste Saison 1909/10 brachte 118 Schleiftage, davon 82 Kunst- und 36 Natureistage. Bei der Internationalen Jagdausstellung 1910 wurde ein Modell einer Kunsteisbahn ausgestellt, das genau Engelmanns Sportplatz nachgebildet und mit einer wirklichen Eisplatte versehen war. Als Kaiser Franz Joseph I. die Ausstellung besuchte, besichtigte er das Modell eingehend und ließ sich die Errichtung der Kunsteisbahn ausführlich erläutern. 1912 errichtete Engelmann am Wiener Heumarkt eine zweite Kunsteislaufbahn, 1922 eine ähnliche Anlage in Budapest.
Die folgenden Jahrzehnte bis zum Zweiten Weltkrieg waren geprägt von modernster Ausgestaltung: 1911 wurde Engelmanns Anlage von 1.100 auf 1.900 m2, 1924 auf 2.400 m2 und 1932 auf 3.000 m2 erweitert. Nach dem Ersten Weltkrieg konnte der Betrieb zwar erst 1920 wieder in vollem Umfang aufgenommen werden, in den Jahren 1927 bis 1936 erfolgten jedoch wichtige Bauarbeiten, darunter die Errichtung von Tribünen, Garderoben, der Eistrainingshalle sowie des Restaurants, die Installierung einer Zentralheizung und eines Warmwasserbetriebs, die den Sportplatz zu einem wirklichen Schmuckkästchen werden ließen, bis der erste von insgesamt sieben Bombentreffern am 5. November 1944 die Anlage traf. Oberbaurat Engelmann erlebte die Zerstörungen nicht mehr. Er starb am 31. Oktober 1944 und wurde am 4. November zu Grabe getragen.
Das Lebenswerk Engelmanns überlebte. Bereits 1945 wurde auf Initiative von Christa Engelmann-Schäfer und Karl Schäfer mit den Aufräumungsarbeiten begonnen, lediglich eine einzige Saison fiel aus, 1946/1947 konnte zwischen großen Schutthaufen wieder eisgelaufen werden.
Als Eigentümer eines Kunsteiswerks hat sich Engelmann jr. einen festen Platz im Sport- und Wirtschaftslebens Wiens und Österreichs erobert. Der Erfindergeist triumphierte und die täglichen Trainingsmöglichkeiten hatten zur Folge, dass der Eissport in Österreich für Jahrzehnte auf eine sehr hohe Stufe gehoben wurde.
Die vergangene und vielleicht auch noch zukünftige Bedeutung von Hofrat Oberbaurat Ing. Eduard Engelmann unterstreichen folgende Grußworte des damaligen Bundespräsidenten Dr. Adolf Schärf 1959 in der Festschrift „50 Jahre Kunsteisbahn Engelmann“: „Der Konstrukteur der ersten Freiluft-Kunsteisbahn der Welt war überaus volkstümlich im Wien vergangener Tage. Als Techniker, aber nicht minder als Eiskunstläufer, Inhaber der Goldenen Medaille als Europameister und Entdecker junger Eislauf-Talente hat er sich dauernde Verdienste um Österreich und um den österreichischen Sport erworben. Der Dank aller, die auf dem Eise Erholung, Unterhaltung und Freude fanden und finden, ist ihm für alle Zeiten sicher.“
Werke: Das Eislaufen in Wien, 1932 (auch auf Englisch und Französisch erschienen).
Literatur: NDB; ÖBL; Allgemeine Sport-Zeitung, 13. 12. 1896, S. 1381, 6. 1. 1900, S. 16, 16. 3. 1902, S. 268, 15. 11. 1908, S. 1437; Kleine Volks-Zeitung, 21. 7. 1930, S. 1, 13. 11. 1941, S. 8; Wiener Sonn- und Montags-Zeitung, 21. 7. 1930, S. 1; Illustrierte Kronen-Zeitung, 16. 12. 1931, S. 1ff.; Wiener Sport-Tagblatt, 16. 12. 1931, S. 1f.; Völkischer Beobachter, 2. 11. 1944, S. 4; Neues Wiener Tagblatt, 3. 11. 1944, S. 4 (Parte); Hans Koehler, 40 Jahre Sport-Platz Engelmann. 1871/2–1911/2, 1912; 60 Jahre Sportplatz Engelmann: 1871/72–1931/32, ed. Alexander Meisel, 1932; 50 Jahre Kunsteisbahn Engelmann, ed. Ludwig Gasser, 1959; Rudolf von Granichstaedten-Czerva u. a., Altösterreichische Unternehmer: 110 Lebensbilder, 1969; Rail Cargo Austria, 90 Jahre Mariazellerbahn, 1996, S. 13ff.; Philipp Horvath, „Der Einfluss von Sportereignissen auf die Bildung des Österreichbewusstseins von Karl Schäfer bis Karl Schranz“, DA Wien, 2017, S. 70ff.; Wien Geschichte Wiki (online, Zugriff 9. 11. 2024); Die Geschichte der Kunsteisbahn, www.engelmann.co.at/100-jahre-engelmann (Zugriff 9. 11. 2024); data.matricula-online.eu/de/oesterreich/wien/17-hernals/01-020/ (Zugriff 22. 11. 2024); data.matricula-online.eu/de/oesterreich/wien/17-hernals/02-40/ (Zugriff 22. 11. 2024); Archiv der Technischen Universität Wien.
(Michael Wenzel)
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