Dieses Projekt unternimmt die erstmalige umfassende Untersuchung zweier Sutrenkommentare des Kamalaśīla (c. 740–795), eines historisch einflussreichen Gelehrten, Philosophen und klösterlichen Würdenträgers des Buddhismus in Südasien: die Avikalpapraveśadhāraṇīṭīkā und die Vajracchedikāṭīkā. Ebenso wie eines von Kamalaśīlas besser bekannten Werken, der 3. Bhāvanākrama, tragen diese Kommentare zur Begründung von Kamalaśīlas charakteristischer Position bei, dass für das Erlangen der höchsten religiösen Ziele des Mahāyāna-Buddhismus nicht nur Meditationspraxis, sondern insbesondere auch die rationale philosophische Untersuchung der Wirklichkeit erforderlich sind.
Die genannten Werke sind inhaltlich und wohl auch historisch mit einer besonderen polemischen Konstellation verbunden, die in der nachfolgenden Geschichtsschreibung des tibetischen Buddhismus starken Niederschlag gefunden hat: Kamalaśīlas Begegnung mit Vertretern des chinesischen Chan-Buddhismus im imperialen Tibet. Am Wege philologischer Erschließung und historischer Einordnung trägt das Projekt zu einem tieferen und nuancierteren Verständnis der Ideengeschichte des indischen Buddhismus in seiner spätmittelalterlichen Phase bei, sowie zu jener des tibetischen Buddhismus in seiner Frühzeit, indem es sich auf einen Denker bezieht, dessen Aktivitäten in beiden Regionalkontexten nachhaltige Wirkung zeigten. Darüber hinaus strebt das Projekt an, zur aktuell in der Buddhismusforschung intensiv diskutierten Rolle von Philosophie als spiritueller Praxis beizutragen, den Horizont der Philosophie des Geistes auf asiatische Philosophietraditionen zu erweitern, sowie die Rolle von Exegese und Kommentar als philosophische Methoden in scholastischen Gelehrtenkulturen stärker ins Bewusstsein zu rücken.
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