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Die Vādanyāyaṭīkā, verfasst vom bedeutenden buddhistischen Gelehrten Śāntarakṣita (ca. 725–788 AD), ist ein Kommentar zu Dharmakīrtis (ca. 6./7. Jh.) letztem Werk, dem Vādanyāya („Regeln der Debatte“), in dem er Begriffe der gelehrten und öffentlichen Debatte definiert, im besonderen die Anlässe einer Niederlage. Ziel des Projektes ist die Vorbereitung einer diplomatischen und einer kritischen Edition der Vādanyāyaṭīkā.
Die von Rāhula Sāṅkṛtyāyana 1935–1936 erstmals herausgegebene Edition beruht auf einem einzigen Manuskript, das er im Kundeling Kloster in Lhasa entdeckte. Neuere Untersuchungen des Manuskriptes unter wesentlich verbesserten wissenschaftlichen Voraussetzungen haben ergeben, dass sowohl diese Edition als auch die auf dieser beruhenden Edition von Dwarikadas Shastri aus dem Jahr 1972 an vielen Stellen korrigiert und verbessert werden muss und daher eine kritische Edition auf der Grundlage philologisch-historischer Methoden der Textinterpretation dringend erforderlich ist.
Der Zugang zu der bei weitem besten Kopie des Manuskriptes aus Tibet wird durch ein Kooperationsabkommen zwischen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und dem China Tibetology Research Center in Beijing ermöglicht. Die editorische Bearbeitung wird nach den neuesten Methoden der digitalen Textforschung, den international standarisierten Richtlinien von TEI/XML entsprechend, durchgeführt werden. Dieses maschinenlesbare Datenformat ermöglicht eine flexible Datenverarbeitung für Publikation und Dokumentation, langzeitige Archivierung sowie einfachen Datenexport.
Śāntarakṣitas Textauslegung ist nicht nur für die Interpretation des Vādanyāya von Bedeutung, sondern auch für das historische Verständnis der buddhistischen Polemik in einer Zeit diversifizierender Entwicklungen in der frühmittelalterlichen Periode (500–1200 AD). Vermutlich aufgrund der unzureichenden Edition des Textes gibt es bisher nur sehr wenige Studien zu ausgewählten Abschnitten der Vādanyāyaṭīkā. Die geplante kritische Edition wird eine systematische Untersuchung von Śāntarakṣitas zahlreichen Bezugnahmen sowohl auf innerbuddhistische als auch brahmanische Schulen wie Nyāya, Vaiśeṣika, Sāṅkhya, Mīmāṃsā, Vaiyākaraṇa und auch auf Textfragmente verlorener philosophischer Werke ermöglichen. Unter anderem wird im Rahmen des Projektes auch eine umfangreiche und eingehende Studie zu den Textfragmenten verlorener Werke erstellt werden, um Śāntarakṣitas Quellen zu untersuchen und einen Beitrag zur Rekonstruktion der Frühgeschichte der philosophischen Traditionen zu leisten.
Die historisch-kritische Edition der Vādanyāyaṭīkā soll eine verlässliche Grundlage zur Erweiterung des Verständnisses von Śāntarakṣitas Philosophie bilden. Die Verwendung der international anerkannten Methoden und Standards der digitalen Philologie wird sicherstellen, dass die Forschungsergebnisse zuverlässig, allgemein zugänglich und somit Grundlage für zukünftige digitale Forschungen und Kollaborationen sein werden.