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Die Entwicklung einer rationalen Theologie, die ein höchstes Wesen mithilfe menschlicher Vernunft beweisen will, wurde in Indien wesentlich durch das Werk des Nyāya-Philosophen Udayana (984 n. Chr.) beeinflusst. Udayana reagiert nicht nur auf Argumente der Buddhisten, der Vertreter der Mīmāṃsā, der Jainas und der materialistischen Philosophen, sondern entkräftet auch Einwände aus Hindu-Traditionen, in denen bezweifelt wurde, dass die Kraft der menschlichen Vernunft ausreiche, um die Existenz eines Gottes zu beweisen. Seine Diskussion um die Existenz Gottes behandelt grundlegende philosophische Fragen, wie Kausalität, die Verkörperung bzw. Körperlosigkeit Gottes, die Grenzen menschlicher Vernunft, aber auch Probleme der Atomtheorie und die Natur mathematischer Entitäten.

Doch in gleicher Weise bezeugt das 13. Jahrhundert Lehren in Südindien, die von der rationalen Theologie abweichen und den Veda als einziges Beweismittel für die metaphysische Wahrheit ver­­traten. Phi­losophen und Theologen aus der Schule Madhvas (Dvaita) und des Viśiṣṭādvaita-Ve­dānta ord­ne­ten die Vernunft der Autorität des Veda unter: Eine auf Vernunft basierende Schlussfolgerung kann nur helfen, metaphysische Wahrheit zu beweisen, wenn sie der Inter­pre­ta­tion der einzig wahren Offenbarungsquelle, d.h. der Auslegung des Veda, dient.

Gemäß diesen beiden Schulen des theistischen Vedānta reicht die menschliche Vernunft nicht aus, um die Existenz Gottes zu beweisen. Ausschließlich der Veda ist für sie das Beweismittel.

Ziel des Projektes ist eine Monografie, die die skizzierte Debatte und ihre Ar­gu­mente basierend auf Übersetzungen von Sanskrit-Texten aus der Schule des Nyāya, der Mādhvas und des Viśiṣṭādvaita-Vedānta philosophisch rekonstruiert. Im Mittelpunkt steht ein für diese De­batte relevanter Abschnitt aus Vyāsatīrthas (1460-1539) Werk „Der Totentanz der rationalen Argumente“ (Tarkatāṇḍava), der ins Englische übersetzt werden soll.

Keines von Vyāsatīrthas größeren Werken wurde bislang übersetzt, aber Wissenschafter/innen wie Lawrence McCrea, Valerie Stoker und der in diesem Projekt tätige Michael Williams haben vor kurzem begonnen, Vyāsatīrthas Rolle als eine intellektuelle und politische Figur im Reiche Vijayanagara zu erforschen.

Das Projekt möchte Vyāsatīrthas philosophische Argumente einer breiteren Öffentlichkeit interessierter Nicht-Spezialisten zugänglich machen. Wenn möglich, werden dafür auch Manuskripte unveröffentlichter Kommentare zum Tarkatāṇḍava berücksichtigt werden. Darüber hinaus sollen zentrale Argumente der Lehre Vyāsatīrthas mit den Argumenten Vedāntadeśikas, einer der großen Viśiṣṭādvaita-Philosophen, in den einschlägigen Werken ver­gli­chen werden.

Ferner ist eine Konferenz geplant, die Wissenschafter/innen, die zu komparativen Themen anderer religiöser Traditionen (Judentum, Christentum, Islam) arbeiten, mit Wissenschafter/innen, die zur indischen Philosophie arbeiten, zusammenbringen wird.

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