Projektdaten


Projekt-beschreibung

Mit dem Machtantritt des japanischen Tokugawa-Shogunats im 17. Jahrhundert gingen auch eine Reihe wichtiger religionspolitischer Veränderungen einher. Als ein Kernstück dieser Politik wurde ein offizieller Shintō-Kult zur Verehrung des Shogunatsgründers, Tokugawa Ieyasu, in einem heute noch bekannten Schrein in Nikkō namens Tōshōgū unter buddhistischer Leitung etabliert. Gleichzeitig führten auch mehrere japanische Lokalfürsten (Daimyō) religiöse Reformen mit einem Fokus auf Shintō in ihren Fürstentümern (Daimyaten) durch. Als teilautonome Herrscher wichen sie oft deutlich von den Mustern des offiziellen Kultes des Shogunats zur Verehrung Ieyasus ab. Der Einfluss dieser lokalen Entwicklungen auf die generelle Entwicklung des Shintō ist das generelle Thema dieses Projekts.

Die tiefgreifendsten Reformen fanden in den Daimyaten Mito und Okayama statt. In unserem vorhergehenden Projekt zur religiösen Kontrolle mittels Shintō-Schreinen (shintō-uke) gingen wir davon aus, dass sich in beiden Regionen shintō-uke als eine Variante der sonst üblichen Überprüfung der Religionszugehörigkeit der Bevölkerung durch buddhistische Tempel (tera-uke) durchsetzte. Im Laufe unserer Untersuchungen wurde jedoch klar, dass eine allumfassende Durchsetzung von shintō-uke nur in Okayama stattfand, während dies in Mito nur für Mitglieder von Shintō-Schreinen der Fall war. Andere Maßnahmen, die in beiden Daimyaten zu finden sind, änderten den Charakter der lokalen religiösen Landschaft drastisch. In beiden Fällen wurde die Zahl der buddhistischen Tempel um mehr als die Hälfte reduziert. Shintō-Schreine, von denen viele unter der Verwaltung buddhistischer Mönche standen, wurden – zumindest auf dem Papier – von buddhistischen Institutionen getrennt.

Als Ergebnis dieser Untersuchungen schlagen wir nun den Begriff hanryō shintō, wörtlich „Daimyatsshintō“, vor um die verschiedenen lokalen Reformen mit Shintō-Fokus zu beschreiben. Das Konzept hanryō shintō wurde zur Klassifikation einer Reihe spezifischer Phänomene im siebzehnten Jahrhundert entwickelt, die typisch für Okayama, Mito und weitere Daimyate wie Aizu, Izumo und Wakayama waren. Es weist folgende Charakteristika auf:

  • eine Shintō-freundliche, auf Schreine fokussierte top-down Politik, die von den jeweiligen Daimyō selbst konzipiert und/oder umgesetzt wurde.
  • eine deutliche ideologische Trennung zwischen Buddhismus und Shintō (shinbutsu bunri) und die Einführung neuer Shintō-Institutionen,
  • die Unterdrückung einiger buddhistischer Gruppen, die von offiziell etablierten Normen für religiöse Institutionen abwichen (Qualität und Umfang anti-buddhistischer Maßnahmen variierte zwischen den einzelnen Daimyaten),
  • eine neue Betonung von Schreinrängen und -hierarchien, die häufig auf traditionellen Rangordnungen basierten, welche bis ins zehnte Jahrhundert zurück reichten und als Vorwand für die Beseitigung rangloser, synkretistischer oder nicht-genehmigter Schreine dienten,
  • der Wunsch, buddhistische Bestattungsriten, besonders jene der lokalen Elite, durch konfuzianische oder Shintō-Praktiken zu ersetzen,
  • Versuche, den Bildungsstandard der Bevölkerung zu heben, durch die Verbreitung neuer, nicht-buddhistischer moralischer Lehren, die großteils auf einer Kombination von Shintō und Konfuzianismus basierten.

In westlichsprachigen Studien wurden die untersuchten Reformen bisher nur am Rande erwähnt. Auch die japanische Forschung wird der Relevanz dieser Phänomene für die langfristige Entwicklung des Shintō aus unserer Sicht nicht immer gerecht. Das hanryō shintō-Projekt soll diese Forschungslücke schließen. Es kombiniert lokale Fallstudien mit der Untersuchung von weitreichenden Änderungen in der Religionspolitik einzelner Daimyate und interpretiert diese im nationalen Kontext. Dieser Ansatz ist nach unserer Auffassung von größter Relevanz, weil hanryō shintō bereits die Anfänge einer Politik zeigt, die am Beginn der Meiji-Periode landesweit auftritt.


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