Gerhard Oberhammer
Direktion 1991–1997
Gerhard Oberhammer (geb. 1929) studierte Theologie und Philosophie in Innsbruck, bevor er sich der Indologie zuwandte. 1964 folgte er Erich Frauwallner (1898–1974) als Vorstand des Instituts für Indologie der Universität Wien nach und bekleidete diese Professur bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1997. Zur ersten Zusammenarbeit mit der ÖAW kam es 1970, als Oberhammer mit Unterstützung Kardinal Franz Königs und der Akademie die Bibliothek Sammlung De Nobili ins Leben rief, die sich heute — als permanente Leihgabe der ÖAW — am ISTB der Universität Wien befindet. Ab 1983 leitete Oberhammer die von Frauwallner gegründete „Kommission für die Sprachen und Kulturen Südasiens“, sowie ab 1986 die neu geschaffene „Forschungsstelle für Kultur- und Geistesgeschichte Asiens“. Beide Einheiten wurden 1991 in ein Institut (das IKGA) umgewandelt, als dessen erster Direktor Oberhammer bis zu seiner Emeritierung 1997 fungierte.
Zu den wichtigsten Projekten, die unter der Leitung Oberhammers am Institut durchgeführt wurden, zählen:
- Wörterbuch zur indischen Erkenntnistheorie und Logik (1983–2006), unter Mitarbeit von Ernst Prets und Joachim Prandstätter.
- Wörterbuch zur Terminologie hinduistischer Tantren (seit 1993), unter Mitarbeit von Marion Rastelli.
- Zur Geschichte der Rāmānuja-Schule (1994–2010), unter Mitarbeit von Marcus Schmücker und Marion Rastelli. Dieses Projekt führte zur Beschäftigung mit dem viṣṇuitischen Philosophen Veṅkaṭanātha (traditionell datiert auf 1270–1369), die ein zentrales Thema des IKGA blieb.
- Religionshermeneutik, ein interdisziplinäres Forschungsthema, in dem vor allem die Begegnung und der Dialog westlicher und östlicher Religionen im Vordergrund steht.
Ausgewählte Publikationen
Gerhard Oberhammer, Marcus Schmücker (eds.), 2011
Die Relationalität des Subjektes im Kontext der Religionshermeneutik. (BKGA 70.) Wien: VÖAW, 2011 (order online).
Gerhard Oberhammer, Marion Rastelli (eds.), 2007
Studies in Hinduism IV: On the Mutual Influences and Relationship of Viśiṣṭādvaita Vedānta and Pāñcarātra. (BKGA 54.) Wien: VÖAW, 2007 (download [open access] or order online).
Gerhard Oberhammer, Ernst Prets, Joachim Prandstetter, 2006
Terminologie der frühen philosophischen Scholastik in Indien. Band III: Pra–H: Ein Begriffswörterbuch zur altindischen Dialektik, Erkenntnistheorie und Methodologie. (BKGA 49.) Wien: VÖAW, 2006 (order online).
Ernst Steinkellner
Direktion 1998–2006
Ernst Steinkellner (geb. 1937) studierte indische Philosophie an der Universität Wien unter Erich Frauwallner. Nach einem Gastaufenthalt an der University of Pennsylvania (1971–1973) gründete er das Institut für Tibetologie und Buddhismuskunde an der Universität Wien und leitete dieses Institut bis zum Jahr 2000. Seit 1986 ist er in die Projekte des IKGA und seiner Vorgängerinstitutionen eingebunden. Mit Jahresbeginn 1998 übernahm er die Leitung des IKGA von Gerhard Obehammer und hatte sie bis 2006 inne. 2008 erhielt Ernst Steinkellner den Ludwig-Wittgenstein-Preis der ÖFG.
Die von Steinkellner initiierten und bearbeiteten Projekte des IKGA stehen zumeist mit der erkenntnistheoretisch-logischen Tradition des Buddhismus in Zusammenhang. Die wissenschaftliche Erschließung dieser bis ins 5. Jh. u.Z. zurückreichenden philosophischen Richtung und insbesondere der Werke Dharmakīrtis (6.-7. Jh.) zählt zu Steinkellners größten wissenschaftlichen Leistungen. Dabei entwickelte Steinkellner die historisch-philologischen Methoden der Textkritik, die von Frauwallner ins Leben gerufen worden waren, weiter. Das Interesse an der erkenntnistheoretisch-logischen Tradition führte auch zu Steinkellners Beschäftigung mit Tibet, wo die von ihm untersuchten buddhistischen Denkrichtungen bis heute lebendig sind.
Dank Steinkellner hat das IKGA seit 2004 Zugang zu Photokopien der Handschriften im China Tibetology Research Center (CTRC), Beijing. Dadurch wurde es möglich, die bedeutendsten Sanskrit-Texte aus dieser Sammlung, die bisher nur in ihren tibetischen oder chinesischen Übersetzungen zugänglich waren, durch kritische Editionen erstmals zu erschließen. Die Ergebnisse dieser Zusammenarbeit werden laufend in der dafür ins Leben gerufenen Publikationsreihe STTAR publiziert.
Ein großer Teil aller am Institut bearbeiteten Projekte gehen mittelbar oder unmittelbar auf Ernst Steinkellner zurück. Zu den wichtigsten Projektbündeln zählen:
Ausgewählte Werke
Ernst Steinkellner, 2013
Dharmakīrtis frühe Logik: Annotierte Übersetzung der logischen Teile von Pramāṇavārttika 1 mit der Vṛtti. Tokyo: The International Institute for Buddhist Studies, 2013.
Ernst Steinkellner (ed.), 2007
Dharmakīrti’s Pramāṇaviniścaya: Chapters 1 and 2, Critically edited. (STTAR 2.) Beijing, Vienna: China Tibetology Publishing House and Austrian Academy of Sciences Press, 2007 (order online).
Ernst Steinkellner (ed., transl.), 1988
Nachweis der Wiedergeburt: Prajñasenas ‘Jig rten pha rol sgrub pa. Ein früher tibetischer Traktat aus Dunhuang. Mit seinen Glossen diplomatisch herausgegeben, übersetzt und mit Anmerkungen versehen. (BKGA 1.) Wien: VÖAW, 1988 (order online).
Helmut Krasser
Direktion 2007–2014
Helmut Krasser (1956–2014) studierte Buddhismuskunde, Tibetologie und Philosophie an der Universität Wien unter Ernst Steinkellner. Ab 1988 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am späteren IKGA. Seine Tätigkeit am Institut wurde durch mehrjährige Forschungsaufenthalte in Kyoto, Japan (1992–1994 und 2006) unterbrochen. Wie Steinkellner konzentrierte sich auch Krasser auf die Erschließung der erkenntnistheoretisch-logischen Schule des indischen Buddhismus, wobei sein Hauptinteresse neben den Werken Dharmakīrtis auch Dharmottara (ca. 740–800) und Śaṅkaranandana (ca. 950–1020) galt. Krasser gelangte dabei zu der Hypothese, dass die Mehrzahl der erhaltenen philosophischen Werke aus Mitschriften entstand, die die Schüler der bekannten Meister im Zuge von Vorlesungen anfertigten, und erklärte auf diese Weise diverse in den Texten auftretende Ungereimtheiten. Die Hypothese hat zu einer angeregten Diskussion in der Fachwelt geführt.
Als Direktor setzte Krasser nicht nur die philosophisch-philologische Forschungstradition des Instituts erfolgreich fort, sondern konnte auch zahlreiche neue Projekte und Projektmitarbeiter für das Institut gewinnen. Neben der Arbeit an diesen Projekten war Krasser auch als Herausgeber wissenschaftlicher Zeitschriften (Journal of the International Association of Buddhist Studies) und Publikationsreihen des Instituts (BKGA, STTAR) äußerst aktiv. Seine letzten beiden Lebensjahre waren von einer schweren Krebserkrankung gezeichnet, die ihn jedoch nicht davon abhielt, seinen Tätigkeiten als Direktor und als Wissenschaftler weiter nachzukommen. (Siehe auch Nachruf Helmut Krasser.)
Zu den wichtigsten von Krasser initiierten Projekten des Instituts zählen:
Ausgewählte Werke
Vincent Eltschinger, Helmut Krasser, John Taber (eds.), 2012
Can the Veda speak? Dharmakīrti against Mīmāṃsā Exegetics and Vedic Authority. An Annotated Translation of PVSV 164,24–176,16. (BKGA 74.) Wien: VÖAW, 2012 (download [open access] or order online).
Ernst Steinkellner, Helmut Krasser, Horst Lasic (eds.), 2005
Jinendrabuddhi´s Pramāṇasamuccayaṭīkā: Chapter 1, Part 1: Critical Edition. Part 2: Diplomatic Edition. (STTAR 1.) Beijing, Vienna: China Tibetology Publishing House and Austrian Academy of Sciences Press, 2005 (order online).
Helmut Krasser, 2002
Sankaranandanas Isvarapakaranasankasepa mit einem anonymen Kommentar und weiteren Materialien zur buddhistischen Gottespolemik: Teil 1: Texte. Teil 2: Annotierte Übersetzung und Studie zur Auseinandersetzung über die Existenz Gottes. (BKGA 39.) Wien: VÖAW, 2002 (order online).
Vincent Eltschinger
Direktion 2014–2015
Vincent Eltschinger studierte Indologie, Buddhismuskunde und Philosophie an der Universität Lausanne und habilitierte sich 2014 an der Universität Wien. Er war seit 2003 am Institut tätig, wo er u.a. Forschungen zur erkenntnistheoretischen Schule des Buddhismus und über den kaschmirischen Logiker Śaṅkaranandana (950–1020) betrieb. Darüber hinaus interessiert er sich vor allem für die ideologischen und geschichtlichen Aspekte der Auseinandersetzung zwischen Buddhisten und brahmanischer Orthodoxie in der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends u.Z. Schließlich leistete er in Form mehrerer Aufsätze bedeutende Beiträge zum Verständnis der indischen Philosophie außerhalb spezialisierter Fachkreise. Seine äußerst erfolgreiche Schaffenszeit am IKGA, wo er mehrere wichtige Monographien und Sammelwerke veröffentlichte, endete mit seiner Berufung als Professor an der École Pratique des Hautes Études in Paris.
Eltschinger übernahm die Leitung des Instituts nach dem plötzlichen Tod von Helmut Krasser im April 2014. Trotz der schwierigen Situation war es ihm möglich, nicht nur die von Krasser eingeworbenen Projekte weiterzuführen, sondern auch neue Projekte und Mitarbeiter für das IKGA zu gewinnen. Vor allem die Beiträge des IKGA zum interdisziplinären Projekt Visions of Community (VISCOM) konnten unter Eltschinger bedeutend erweitert werden. Ebenso wie Krasser war auch Eltschinger als Herausgeber der Publikationsreihen des Instituts (BKGA, STTAR) aktiv.
Ausgewählte Werke
Vincent Eltschinger, 2014
Buddhist Epistemology as Apologetics: Studies on the History, Self-understanding and Dogmatic Foundations of Late Indian Buddhist Philosophy. (BKGA 81.) Wien: VÖAW, 2014 (order online).
Vincent Eltschinger, Isabelle Ratié, 2013
Self, No-Self, and Salvation: Dharmakīrti′s Critique of the Notions of Self and Person. (BKGA 75.) Wien: VÖAW, 2013 (order online).
Vincent Eltschinger, 2007
Penser l'autorité des Écritures: La polémique de Dharmakirti contre la notion brahmanique orthodoxe d'un Veda sans auteur. (BKGA 52.) Wien: VÖAW, 2007 (order online).