Dieses Projekt fokussiert die historische Entwicklung der philosophischen Debatten über Natur und Zweck des Erkennens in drei philosophischen Schulen der frühen Neuzeit (ca. 1500–1800) in Indien.

Diese Debatten über das Erkennen entwickelten sich aus der Diskussion über die Natur Gottes sowie aus dem Status der autoritativen Quellen. Sie hatten weitreichende Auswirkungen sowohl auf die Verteidigung der Autorität des Veda, als auch auf die Beantwortung grundlegender metaphysischer Fragen, die die indischen Philosophen in dieser Zeit beschäftigten.

Ein zentrales Thema des Projekts wird das erkenntnistheoretische Werk des Philosophen Vyāsatīrtha (1460–1539) sein. Ein solcher Schwerpunkt auf Vyāsatīrtha spiegelt das in letzter Zeit stark gestiegene Interesse an seinem Werk wider. Vyāsatīrtha war ein führender Staatsbeamter im Vijayanagara-Reich und gilt als herausragende Persönlichkeit der indischen Geistesgeschichte. Sein Werk beeinflusste Vedānta-Philosophen aus ganz Indien und regte sie zu einem neuen kritischen Ansatz in der Philosophie an, der die neuen Ideen des nordindischen Erkenntnistheoretikers Gaṅgeśa Upādhyāya (14. Jh.) einbezog. In seinen philosophischen Anschauungen war Vyāsatīrtha ein „Intrinsizist“, denn in Bezug auf das Wissen vertrat er die Ansicht, dass es in der Natur unserer kognitiven Fähigkeiten liegt, wahre Urteile über die Welt hervorzubringen.

Im Rahmen des Projekts werden Originalstudien einschlägiger, in Sanskrit verfasster Manuskripte der Werke Vyāsatīrthas durchgeführt. Es wird eine kritische Ausgabe und Übersetzung eines zentralen Werkes von Vyāsatīrtha erstellt, das als „Todestanz der Logik“ (Tarkatāṇḍava) bekannt ist und in dem Vyāsatīrtha die Erkenntnistheorie seiner Tradition weiter entwickelt und verteidigt. Eine monografische Studie wird eine neue Ausgabe und Übersetzung von Vyāsatīrthas Text sowie einzelne Abschnitte enthalten, die seine Lehre in den Kontext anderer relevanter Werke des Vedānta seiner Zeit stellen. Dazu gehörten insbesondere die Tradition des Advaita und Viśiṣṭādvaita Vedānta. Die Advaitins verwendeten eine ähnliche Interpretation des Erkennens wie Vyāsatīrtha, um gegen die Mādhvas für die Unwirklichkeit der empirischen Welt zu argumentieren. Vyāsatīrthas eigene Erkenntnistheorie bildete die Grundlage für seine Verteidigung der Realität der objektiv-sinnlichen Welt. Das Projekt soll ein neues Licht auf die komplexen intellektuellen Interaktionen zwischen diesen Traditionen während des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts werfen.

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