Das Editionsprojekt kommt einem lang erwarteten Desiderat einer kritischen Edition eines zentralen Textes der spätantiken und frühbyzantinischen Geschichtsschreibung nach. Die Ausgabe von 1832 unter der Leitung von Ludwig Dindorf hat den Lagenumreihungen und Manipulationen im Hauptcodex Vaticanus gr. 1941 aus dem Ende des 10. Jahrhunderts nicht Rechnung getragen und präsentiert einen sehr problematischen Text; zudem fehlen apparatus fontium und locorum. Diesem Desiderat widmet sich das Projekt mit einer modernsten Ansprüchen entsprechenden Edition in der Reihe Corpus Fontium Historiae Byzantinae, Series Vindobonensis, und mit begleitenden Studien in Fachorganen. Die Quellenanalyse erfolgt u.a. in Kooperation mit der Forschungsstelle der Heidelberger Akademie der Wissenschaften „Historisch-philologischer Kommentar zur Chronik des Johannes Malalas“(Leitung: Mischa Meier). Zudem arbeitet das Team mit weiteren Experten der spätantiken und frühmittelalterlichen/frühbyzantinischen Historiographie zusammen.
Das Projekt konzentriert sich neben der Edition auch auf die Frage der Textrepräsentation und der Intention des Autors, der sich gegen konkurrierende Datierungsmodelle durch einen „Jahreskalender“ mit genauer Fixierung der wichtigsten Ereignisse der Christenheit durchsetzen will. Die ausgewählten Ereignisse zu den einzelnen Jahren variieren sehr stark an Substanz und bieten damit (trotz aller Abhängigkeit von Vorgängern) ein interessantes Forschungsfeld illokutiver Aspekte. Die Analyse der Quellen und der sehr eigenwilligen Auswahl an rezipierten Fakten gibt Einblick einerseits in die Arbeitsweise der selektiven Memorialkultur und konfrontiert andererseits mit der Frage der open text theory. Der Text eröffnet ein breites Spektrum textpragmatischer Spezialuntersuchungen.
Projektfortschritt: Die umfangreichen Probleme, die die Edition des Chronicon stellt (Textstrata, Fehler des Codex unicus, bisherige Fehlinterpretationen), hat dazu veranlasst, begleitend zu der Edition auch eine Monographie erscheinen zu lassen, die vom Projektleiter erarbeitet werden: "Studien zum Chronicon Paschale". Sie soll auch den Kommentarteil der Edition entlasten.
Erste Ergebnisse zu einer völlig neuen Interpretation der "Autorschaft" im Sinne eines open text-Kompilation sind vom Projektleiter in den Malalas-Studien 4 (2021/2022) und dem Brill Companion to Byzantine Chronicles (2022) präsentiert.
Im Rahmen des Projektes und der Computus-spezifischen byzantinischen Literatur konnte der Projektleiter den Originaltext des im Chronicon überlieferten Theophilos von Alexandria-Exzerptes in einer Palimpsesthandschrift entdecken (das Ergebnis erscheint in Jahrbuch der Österreichischen Byzantinistik 71, 2011).
Ergänzend zur griechischen Edition wird separat in der Reihe „Bibliothek der Griechischen Literatur“ des Verlages Hiersemann eine kommentierte deutsche Übersetzung von Christian Gastgeber erscheinen.