Teilprojekt "Diplomatik"


Seit der Etablierung der Urkundenlehre als historische Hilfswissenschaft auf breitester europäischer Ebene im frühen 18. Jahrhundert stellt die Beschreibung der äußeren Merkmale einer Urkunde ein Standardelement diplomatischer Editionen und Studien dar. Allerdings lag der Schwerpunkt des Forschungsinteresses auf den für die Feststellung der Echtheit im Sinne der Kanzleigemäßheit der jeweiligen Stücke bedeutenden Beglaubigungszeichen, wodurch andere graphische Symbole und Buchschmuck meist außer Betracht blieben.

Andererseits wurden illuminierte, also mit Buchschmuck versehene Urkundenausfertigungen schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, etwa in den Archives Nationales in Paris, in Sonderausstellungen präsentiert. Moderne Fallstudien zu illuminierten Urkunden befinden sich oft am Schnittpunkt zwischen historischen Hilfswissenschaften und Kunstgeschichte, ohne den fachlichen Ansprüchen beider Disziplinen gänzlich zu genügen. Eine ausführliche und gesamthafte Überblicksdarstellung fehlt bislang völlig.

Im historisch-hilfswissenschaftlichen Teil des Projekts sollen alle Stücke der gemeinsamen Materialbasis ausführlich regestiert, diplomatisch korrekt beschrieben und möglichst eingehend historisch kommentiert werden. Zentrale auswertende Fragen werden u. a. der illuminierten Urkundenproduktion in den Kanzleien einzelner Herrscher, der Formelhaftigkeit spezifischer Massenquellen (wie etwa der Bischofsammelindulgenzen oder der Wappenbriefe) und dem jeweils individuellen Grund für die Ausführung des in aller Regel nicht rechtsnotwendigen bildlichen Dekors gelten.

Das Projekt besteht neben dem diplomatischen Modul aus dem an der Abteilung für Schrift- und Buchwesen der ÖAW angesiedelten Kunsthistorischen Teil und wird in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Informationsmodellierung der Universität Graz, an dem das Digital-Humanities-Modul des Projekts beheimatet ist, durchgeführt.