(FWF Projekt T 1192-G Firnberg-Programm, 01.12.2020-31.01.2025)

Dieses Projekt steht in enger Zusammenarbeit mit dem Schwerpunkt "Buchkultur, Paläographie und Palimpseste" der Arbeitsgruppe "Sprache, Text und Schrift".

Byzantinische Gebetbücher in griechischer Sprache (sg.: euchologion; pl.: euchologia) sind in Handschriften ab dem späten 8. Jahrhundert erhalten. Sie wurden von Priestern während der Liturgie oder bei einer sakramentalen Feier in der Kirche verwendet, aber auch um verschiedene „Gelegenheitsgebete“ zu sprechen. Es handelt sich dabei um Gebete für Anlässe des täglichen Lebens, die auch außerhalb der Kirchenmauern stattfanden, wie zum Beispiel das Segnen von Fischernetzen oder der erste Schultags eines Kindes. Euchologia im Privatbesitz von Priestern wurden oft von ihnen selbst kopiert, verwendet und studiert, manchmal stark kommentiert und auch von ihren Besitzern auf Reisen mitgeführt. Sie sind daher die ideale Quelle für ansonsten unbekannte Geschichten byzantinischer Priester und um mehr über ihre kulturelle und soziale Rolle in der Gesellschaft zu erfahren.

Die größte Sammlung griechischer Gebetbücher befindet sich in der Bibliothek des Katharinenklosters auf der Sinai-Halbinsel. Dieses Kloster wurde im 6. Jahrhundert gegründet und beherbergt die älteste christliche Klosterbibliothek mit einer ununterbrochenen Geschichte. Die 80 euchologia, die mit dieser Sammlung verbundenen sind, wurden zwischen dem 8. und 18. Jahrhundert kopiert und haben sehr unterschiedliche Herkunftsorte, darunter Süditalien, Ägypten, Syrien, Palästina, Kreta und Zypern. Die euchologia, die noch im Katharinenkloster aufbewahrt werden, und jene, die im 19. Jahrhundert entwendet wurden und heute Eigentum europäischer und amerikanischer Sammlungen sind (ganze Handschriften oder - häufiger - einige Folien), bilden das Forschungsmaterial für dieses Projekt.

Das Ziel dieses Projekts ist die systematische Analyse dieses umfangreichen Corpus, das bisher - außer in Einzelfällen - der Aufmerksamkeit der Wissenschaftler entgangen ist. Die euchologia werden nicht nur im Hinblick auf ihren liturgischen Inhalt untersucht, sondern auch auf ihre Materialität als physische Objekte. Die Untersuchung ihrer kodikologischen und paläographischen Merkmale in Verbindung mit der Analyse ihres Inhalts wird nicht nur neue Informationen über ihre Herkunft liefern, sondern auch vor allem über das soziale und kulturelle Leben ihrer häufigsten Produzenten und späteren Eigentümer, nämlich der byzantinischen Priester. Durch das Studium der in mehreren Sprachen verfassten Randnotizen wird es möglich sein, tiefere Einblicke zu gewinnen, wie und wann die Codices in die Sammlung des Klosters aufgenommen wurden und welche sprachlichen und liturgischen Traditionen zu welcher Zeit im Kloster in Beziehung traten. Das Studium der Sinai-Gebetbücher wird somit auch zu einem besseren Verständnis der Geschichte der gesamten griechischen Handschriftensammlung im Katharinenkloster beitragen.

Im Rahmen des Projektes wurde die neue Reihe Sinai Studies in Cultural Heritage beim Verlag Vandenhoeck & Rupprecht gegründet

Die Projektarbeit steht in engem Zusammenhang mit dem Euchologia-Projekt.

 

Kooperationspartner

  • Dr. Daniel Galadza, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, “Beyond Canon” Centre for Advanced Studies, Universität Regensburg/Sheptytsky-Institut, Universität Toronto

 

Veranstaltungen

International Conference

PRIESTS AND THEIR MANUSCRIPTS IN THE HOLY LAND AND SINAI
Vienna,  November 8 – 10, 2023

(Die Akten der Konferenz werden in der Reihe "Sinai Studies in Cultural heritage" publiziert werden)

 

Publikationen

Monographien

Greek Palimpsests at Saint Catherine’s Monastery (Sinai): Three Euchologia as Case Studies, Veröffentlichungen zur Byzanzforschung, 44, Vienna 2023. [https://doi.org/10.1553/978OEAW89107]

Herausgeberschaft

Priests and their Manuscripts in the Holy Land and Sinai, Sinai Studies in Cultural Heritage, vol. 1, Vienna [Forthcoming 2025].

Artikel (peer-reviewed)

  • Building the Euchologion: Evidence from the Earliest Manuscripts. Studia Patristica 108 (2021), 65–75. [https:/doi.org/10.2307/j.ctv27vt59r.8]
  • with A. Treiger, Sinai gr. NF Σ3: A Dated Palestinian Manuscript of the Liturgy of Saint James (Ascalon, 1097/8). Byzantion 93 (2023), 97–122. [DOI: 10.2143/BYZ.93.0.3292486]
  • The Library of St. Sabas Lavra: Manuscript Production, Palimpsests, Network of Contacts, in: The Lavra of St. Sabas: Liturgy and Literature in Communities and Contexts. Proceedings of the International Conference (Leuven, 15–17 May 2019), ed. D. Galadza – J. Verheyden. Bibliothèque de Byzantion,Leuven, 91–113 [Forthcoming 2024].
  • Books and Scribes on the Move: Italo-Greek Hands in the Library of Saint Catherine’s Monastery (Sinai), in: Die griechische Gelehrsamkeit in Süditalien: Manuskripte, Texte und Wissenstransfer im 10.-13. Jahrhundert, ed. C. Brockmann – A. Musino – S. Valente – E. Wöckener-Gade, Etymologika. Studien, 1, Göttingen. [Forthcoming 2024].
  • JAS in the Sinai: Codicological Observations on the Greek Manuscripts, in: The Liturgy of St James, ed. S. Alexopoulos – D. Galadza – H. Buchinger, Studies in Eastern Christian Liturgies, Münster [Forthcoming 2025].
  • Scribes, Owners and their Multilingual Annotations in the Byzantine Euchologia of Saint Catherine’s Monastery, in: Monastic Literature in the Multilingual Context of Early Islamic Palestine and Sinai: Manuscripts, Scribes, Readers, ed. A. Pirtea – C. Rapp, Comparative Oriental Manuscript Studies Bulletin, Hamburg [Forthcoming 2025].
  • Prayers in Times of Drought, Barberini Euchologion, fol. 193, in: Prayer in The Ancient World (PAW), ed. G. Rouwhorst [Forthcoming 2025].