Geschlossene und einsame Orte in der früh- und mittelbyzantinischen Hagiographie

(FWF-Projekt: P34478: 01.03.2022–28.02.2026)

Heiligenviten, also Geschichten über Lebensweise und Wirken heiliger Männer und Frauen, stellen eine der verbreitetsten Gattungen der byzantinischen Literatur dar. In diesen Erzählungen bemühen sich die byzantinischen Autoren vor allem darum, durch anschauliche Beschreibungen die Heiligkeit der Protagonisten und Protagonistinnen zu verdeutlichen. Gleichzeitig vermitteln die Autoren ihrem Publikum effektvolle Beispiele zur Nachahmung und unterhalten es mit zahlreichen narrativen Szenen aus dem Alltagsleben. Die Untersuchung literarischer Aspekte von Heiligenviten ist ein Schwerpunkt der modernen Forschung der letzten Jahrzehnte.

Askese und Heiligkeit scheinen mit dem Konzept von Zurückgezogenheit bzw. Eingesperrtsein in einem Raum (ἐγκλεισμός) eng verbunden zu sein, jedoch ist eine gründliche Analyse des Zusammenhangs zwischen Raum und Heiligkeit noch nicht unternommen worden. Deshalb soll das Spaces That Matter-Projekt die erzählerische Darstellung umschlossener und abgelegener Orte anhand eines umfangreichen und repräsentativen Textkorpus früh- und mittelbyzantinischer Heiligenviten (4.–12. Jh.) in deren literarischen-gattungsmäßigen, historischen und soziokulturellen Kontexten untersuchen.

Spaces That Matter hat ein zweifaches Ziel: erstens zu untersuchen, wie umschlossene und einsame Orte in Heiligenviten auf literarisch-narrativer Ebene dargestellt werden; zweitens zu analysieren, wie die Hauptfiguren, überwiegend Asketen/Asketinnen und Mönche/Nonnen, ihren Aufenthalt an solchen Orten erleben und inwieweit diese Erfahrung sowohl die Entwicklung der Erzählung als auch den Charakter der Figuren, insbesondere ihren spirituellen Fortschritt, beeinflusst. Um dieses doppelte Ziel zu erreichen, stützt sich das Projekt auf moderne theoretische Konzepte wie space vs. place und Liminalität. Begrenzte und isolierte Orte, also Räume mit spezifischer Bedeutung und soziokultureller Konnotation, werden als Übergangsphasen im Leben der Protagonisten verstanden, in denen sich körperliche Ausdauer und spirituelle Reife entwickeln, zu voller Entfaltung gelangen und so einen entscheidenden Beitrag zur Herausbildung ihrer Identität als heilige Männer und Frauen leisten. Die Erfahrung des freiwilligen Eingeschlossenseins wird in Verbindung mit dem Geschlecht und den Emotionen jeder Hauptfigur sowie durch Vergleiche mit früheren heiligen Vorbildern, wie etwa den ersten christlichen Märtyrern, eingehend beleuchtet. Auch Vergleiche mit anderen literarischen Gattungen (z.B. Hymnen und Romane) werden gezogen. Somit wird das Projekt ein umfassenderes Verständnis der byzantinischen Heiligenviten erzielen.

Dieses vierjährige Projekt, das an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften angesiedelt ist, wird von Carolina Cupane (Projektleiterin) und Christodoulos Papavarnavas (Postdoc-Forscher) unter Mitwirkung eines internationalen Fachbeirats durchgeführt und wird zu mehreren Publikationen führen.

Konferenz Spaces Make Saints - Experiencing Confinement in Byzantine Hagiography: 15.-17. 11. 2023 (Abstracts)

Kooperationspartner 


• Prof. Stephanos Efthymiadis, Open University of Cyprus
• Prof. Antonia Giannouli, University of Cyprus
• Prof. Martin Hinterberger, University of Cyprus
• Prof. Christian Høgel, Lund University
• Prof. Markéta Kulhánková, Czech Academy of Sciences/Masaryk University
• Prof. Alexei Lidov, Moscow State University/Research Centre for Eastern Christian Culture/Russian Academy of Arts
• Prof. Claudia Rapp, University of Vienna/Austrian Academy of Sciences
• Dr. Elisabeth Schiffer, Austrian Academy of Sciences
• Prof. Myrto Veikou, University of Patras/Uppsala University
• Prof. em. Bryan Ward-Perkins, University of Oxford