Die geschichtliche Entwicklung Europas nach dem Ende des karolingischen Reiches ist in ihrer Gesamtheit bislang nur unzureichend erforscht worden: seine Auflösung wird oft als Tragödie beschrieben – ein finsteres Tal zwischen der Entstehung Europas durch die Familie Karls des Großen und dem Hervortreten des „eigentlichen“ Mittelalters im 11. Jahrhundert.
Moderne Narrative definieren die Zeit zwischen ca. 900–ca. 1050 oft negativ und zwar als eine Periode die Zeuge der Desintegration der politischen Geographie, der Institutionen und der sozialen Strukturen des 9. Jahrhunderts wurde. Diese Praxis wurde von der älteren Historiographie als Zerstörung der Bedeutung des imperialen Zentrums und somit als Säen der Saat der politischen Fragmentierung der späteren europäischen Nationalstaaten identifiziert. Diese Periode war post-karolingisch im Sinne des Verlustes von karolingischer Ordnung.
Aber es waren eben diese regionale Diversität des 10. Jahrhunderts und die Abwesenheit höherer politischer Strukturen, welche diese Krisenzeit mit einem enormen Potential für bleibende und fundamentale Veränderungen in der sozialen Ordnung Europas ausgestattet haben. Politische Autorität nahm neue Formen, zum Beispiel durch den Machtzuwachs die Herzoge in verschiedenen Königtümern und die gesteigerte Autorität der Bischöfe. Die Grenzen veränderten sich wieder und wieder und die alte politische Ordnung wurde auf den Kopf gestellt. Zahlreichere und unterschiedlichere Gruppen beteiligten sich im 10. Jahrhundert am politischen Prozess als zur Zeit der Karolinger.
Diese Entwicklungen machten Veränderungen in den Diskursen über politische und soziale Ordnung notwendig – Veränderungen die Historiker in den erhaltenen Quellen aus dieser aufregenden Periode nachlesen können. Das postimperiale Fehlen von Einigkeit über den Ort und die Art von sozialer und politischer Autorität war ein essentielles Merkmal des 10. Jahrhunderts und dieses wird in den vielen verschiedenen Möglichkeiten der Nutzung der Vergangenheit reflektiert.