Das Projekt fokussierte auf die volksprachlichen katechetischen und theologischen Texte, die auf dem Gebiet des heutigen Mittel- und Ostmitteleuropa überliefert sind. Die Mehrheit dieser Texte war zu Beginn des Projekts durch eine niedrige Stufe der philologischen, literaturwissenschaftlichen wie auch historiographischen Bearbeitung charakterisiert. Diese Texte standen nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit der traditionellen, national definierten Philologien und Historiographien, vor allem aufgrund ihres derivativen Charakters, ihrer Orientierung auf den wenig gebildeten Laienleser, Wiederholungshäufigkeit und wegen des daraus resultierenden Eindrucks einer mangelnden Exklusivität.

Die Forschung basierte auf der methodologischen und theoretischen, kulturwissenschaftlichen Orientierung der gegenwärtigen Historiographie und war somit imstande, die gegebenen Texte neu zu bewerten und ihre Wichtigkeit für eine ganze Reihe von Fragen neu zu definieren. Für die Identitätsforschung, eines der Kernforschungsgebiete am IMAFO, bedeuten diese Texte ein ungewöhnlich reiches Material, zu dessen Neubewertung ihre neu entwickelten theoretischen und methodologischen Grundlagen wesentlich beitrugen. Das Projekt setzte sich zum Ziel das Materialkorpus für die internationale Forschung zugänglich zu machen und neue Ansätze für eine Re-Formulierung der historiographischen Master Narrative in den gegebenen Regionen zu bieten.

OVERMODE fokussierte auf die Kontextualisierung der Produktion von vernakularen religiösen Texten, die als wichtige Zeugen einer paneuropäischen religiösen Kommunikation, in der lateinischen intellektuellen Kultur und innerhalb der vernakularen religiösen Produktionen im gesamteuropäischen Rahmen verstanden werden. Diese Kontextualisierung erfolgte mithilfe der Rekonstruktion intertextueller Verknüpfungen, personeller Netzwerke (Autoren, Kommentatoren, Übersetzer, Kopisten) und der Gemeinschaften der Leser. Die einzelnen methodologischen Schwerpunkte des Projektes, die ihren Ausdruck in zwei Dutzend Unterprojekten fanden, waren die Theorie und Praxis der Übersetzung in ihrer Wandlungen vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Kodikologie und Paläographie, Semantik und Semiotik.

In dem Projekt wurden interlinguale Übersetzungen untersucht, die gerade auf dem Gebiet des Königreichs von Böhmen eine besondere Komplexität aufweisen aufgrund des mehrsprachlichen Charakters dieser Region und der zeitweiligen Position des Königreichs als Zentrum des römischen Reiches (mit der ersten transalpinen Universität in Prag), die einen erhöhten textuellen Transfer in alle Richtungen mit sich brachte. Veränderungen in der Interpretation christlicher Lehre wurden untersucht, die Wandlungen der religiösen und somit auch politischen Diskurse mit sich brachten. Die Transformationen der kollektiven und individuellen Identitäten wurden untersucht, indem die individuellen Texte als Modi der individuellen und kollektiven gesellschaftlichen Selbst- und Fremdidentifikation betrachtet wurden. Wandlungen in der politisch-sozialen Semantik wurden für die Periode untersucht, die als eine Zeit der gesellschaftlichen Umwälzungen in Folge der hussitischen Revolution in der zweiten Dekade des 15. Jahrhunderts beschrieben werden kann, die als mittel- und ostmitteleuropäisches Phänomen verstanden wird.