Orden vom Goldenen Vlies unter Maximilian I (1477–1486)

Unter den beiden großen Burgunderherzögen Philipp dem Guten und Karl dem Kühnen entwickelte sich der Orden vom Goldenen Vlies zu einem der prachtvollsten Ritterorden des 15. Jahrhunderts. Dessen Feste, Zeremoniell, Rituale und Verfassung fanden in ganz Europa große Beachtung und wurden zum Vorbild für andere elitäre Vereinigungen genommen. 1477 übernahm der spätere römisch-deutsche König und Kaiser Maximilian I. von Österreich durch seine Heirat mit der einzigen Erbtochter Maria nicht nur das durch innere und äußere Angriffen stark geschwächte burgundische Herzogtum sondern auch die Souveränität über den Orden vom Goldenen Vlies. Sein Wirken und sein Verhältnis zum Orden zwischen 1477 und 1486 dokumentieren die Protokollbücher des Ordens, deren Edition und Auswertung Inhalt des hier beantragten Forschungsprojektes ist.

Die Protokollbücher berichten von der Übergabe des Ordens an den neuen Fürsten, von zwei abgehaltenen Festen (1478 in Brügge und 1481 in Hertogenbosch) und von mehreren geplanten, aber aufgrund politisch unsicherer Situationen wieder abgesagten Festen (1479, 1484 und 1486) und zuletzt von dem Ringen um die Vorherrschaft, nachdem die burgundischen Stände anstelle des Prinzgemahls Maximilian dessen unmündigen Sohn Philipp als rechtmäßigen Herzog anerkannt hatten.

Neben den präzise Angaben über Ort der Versammlungen, Teilnehmer, Tagesordnungspunkte, Zeremonien, Neuwahlen und Beschlüsse bieten die nur für den internen Gebrauch erstellten Bücher jenseits des allgemein bewunderten Prunks auch einen Blick auf die kritische Zeit für den burgundischen Staat nach dem Zusammenbruch, denn sie berichten auch von Identität, Sozialkontrolle, Vater-Sohn-Problematik und von Treue und Verrat.

Mit der Veröffentlichung dieser Protokollbücher wird der Forschung nicht nur eine wichtige Quelle zur Ordensgeschichte zugänglich gemacht, sondern auch für die politische Geschichte Burgunds, der alten Niederlande und des Reichs im ausgehenden 15. Jahrhundert. Für Kultur- und Sozialwissenschaftler bergen die Bücher unzählige Details zu Fragen nach Ritual und Zeremoniell, sowie zu Selbstregelung von Gesellschaften und Elitenforschung. Aber auch andere Fachrichtungen, wie z.B. Kunsthistoriker, Heraldiker, Romanisten, Musik­wissenschaftler oder Theologen, werden in den facettenreichen Eintragungen Antworten auf ihre Fragestellungen finden.