Historische Geographie


Das Projekt mit dem Titel Tabula Imperii Byzantini (TIB), das im Jahre 2015 nach erfolgreicher internationaler Evaluierung in die Union Académique Internationale in Brüssel aufgenommen und gleichzeitig nach erfolgreicher internationaler Evaluierung in das Langzeitprojekt-Programm (2015–2027) der ÖAW inkludiert wurde, erforscht systematisch die historische Geographie des Byzantinischen Reiches, das vom Beginn des 4. Jahrhunderts n. Chr. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts Bestand hatte. Ziel des Projektes ist ein historischer Atlas des byzantinischen Raumes von der Spätantike bis zur frühen Neuzeit, wobei den einzelnen Kartenblättern (Maßstab 1:800.000) jeweils ein Textband zugeordnet ist, der die Ergebnisse der Forschungen zu den betreffenden Gebieten präsentiert. Die Bände enthalten eine ausführliche Einleitung, in der Grenzen, Territorialbezeichnungen, Geographie und Klima, Geschichte (einschließlich Verwaltungsgeschichte), Kirchengeschichte (einschließlich Mönchtum), Verkehrswege, Wirtschaft, sowie die demographische Entwicklung behandelt werden.

Kern der Bände ist ein alphabetischer Katalog, der sämtliche im Bearbeitungsgebiet in byzantinischer Zeit bezeugten Toponyme (einschließlich Hydronyme etc.) und darüber hinaus alle noch erhaltenen oder in der neuzeitlichen Literatur erwähnten Siedlungsreste jeder Art, auch wenn deren historische Namen nicht bekannt sind, umfasst. Ihre Geschichte wird aufgrund der schriftlichen und archäologischen Quellen dokumentiert. Die erhaltenen und die bezeugten, aber inzwischen verlorenen Monumente werden beschrieben.

Die den Publikationen zugrundeliegende Forschung besteht zum einen in der Auswertung der relevanten schriftlichen Quellen einschließlich Inschriften, Siegeln usw., der Reiseliteratur seit der frühen Neuzeit, sowie der publizierten Berichte über Surveys und Ausgrabungen, zum anderen in der systematischen Bereisung der Bearbeitungsgebiete, auf denen die Informationen der genannten Quellen verifiziert, modifiziert und ergänzt werden.

Auf der Basis der beschriebenen Arbeitsmethode sind seit 1976 insgesamt zwölf TIB-Bände erschienen. Sieben weitere TIB-Bände befinden sich in Bearbeitung, andere sind gemäß den Vorgaben für Langzeitprojekte der ÖAW in Planung (siehe dazu die beigefügte Überblickskarte).

Seit dem Ende der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts fließen verstärkt Erkenntnisse der Paläoklimaforschung zum Mittelmeerraum sowie siedlungstheoretische Ansätze (z. B. eine modifizierte „Central Place Theory“) in die laufende Forschungsarbeit der TIB ein. Standardmäßig wird das „Global Positioning System“ (GPS) auf Bereisungen und Surveys eingesetzt. In jüngster Zeit haben die Digital Humanities in der Form der Historical Geographical Information Systems (HGIS) Eingang in die TIB gefunden. Enge Verbindungen bestehen auch zum Themenbereich Komplexität und Netzwerkforschung.