Fallstudien aus peripherisierten Kleinstädten in Österreich.

Zielsetzung und Fragestellungen


Die Verschärfung räumlicher Disparitäten durch demographische und ökonomische Entwicklungen stellt ländliche Räume und ihre Akteure vor komplexe Herausforderungen. In diesem Zusammenhang wird insbesondere von Praktikerinnen und Praktikern die zentrale Rolle von Schlüsselpersonen aus Politik, Wirtschaft oder Zivilgesellschaft für Wandlungsprozesse betont (Gailing & Ibert, 2016). Ausgehend von der räumlichen Einheit der Kleinstädte, die als funktionale und ökonomische Ankerpunkte gerade in benachteiligten Regionen eine zentrale Bedeutung einnehmen, fokussiert diese Dissertation auf den Handlungsspielraum („agency“) von lokalen Schlüsselpersonen in Governance-Arrangements. Ziel der Arbeit ist es, den Beitrag von lokalen Akteuren zu Prozessen des lokalen Wandels im Bereich der Wirtschafts- und Regionalentwicklung unter Berücksichtigung von (nicht-)institutionellen Rahmenbedingungen genauer zu analysieren.

Theorie und Methodik


Den übergeordneten Rahmen bildet das multidimensionale Konzept der Peripherisierung, das benachteiligte Regionen und Städte nicht mehr ausschließlich als räumlich determiniert, sondern als das Ergebnis dynamischer, sozialräumlicher Prozesse begreift und den Blick auf die Akteursebene und Governance Strukturen lenkt (Kühn & Weck, 2013; Lang, 2012). Obwohl die Bedeutung von Schlüsselpersonen zunehmend mehr Aufmerksamkeit erfährt, ist die Rolle von individuellen Akteuren, ihr Handeln und ihre Netzwerke in der Governance-Literatur bislang jedoch unterrepräsentiert (Scharpf, 2000). In Konzepten zu Institutional Entrepreneurship (Mintrom and Norman, 2009; Klein Woolthuis et al., 2013) oder Policy Entrepreneurship (Battilana et al., 2009; Petridou, 2018) hingegen werden die individuellen Fähigkeiten und Handlungen von Schlüsselpersonen in Akteurskonstellationen in den Fokus gerückt. Ergänzend zu diesen beiden Ansätzen, wird in der Dissertation das Konzept des Governance Entrepreneurship eingeführt, das die Veränderungenvon lokalen und regionalen Governance-Strukturen (in Hinblick auf Akteurskonstellationen,Interaktionsmodi und Territorien) durch Schlüsselpersonen und ihre Netzwerke genauer beleuchtet. Die Unterscheidung in „institutional, policy and governance change“ ermöglicht eine prozesshafte und differenzierte Perspektive auf das Wirken von Schlüsselpersonen auf lokaler Ebene und dient als konzeptioneller Rahmen für die empirische Erhebung.

Um eine nachvollziehbare Auswahl der peripherisierten Kleinstädte zu gewährleisten, wurde eine Clusteranalyse zur Raumtypisierung für alle Kleinstädte in Österreich durchgeführt. In zwei ausgewählten Kleinstädten sind nun in einer ersten Erhebungsphase vertiefende Leitfadeninterviews mit zentralen Akteuren (Schneeballverfahren) vorgesehen. Ergänzend soll auf Basis der qualitativen Erhebungen eine Soziale Netzwerkanalyse erfolgen, um Akteursnetzwerke im Governance-Gefüge zu visualisieren. Die Dissertation soll Aufschluss darüber geben, inwiefern individuelle Akteure lokale Governance-Strukturen erneuern oder verändern, um institutionelle und sozialräumliche Wandlungsprozesse zu initieren. Einerseits wird dadurch eine Weiterentwicklung bestehender konzeptioneller Ansätze zur Erforschung von Schlüsselpersonen angestrebt (z.B. mögliche Typisierung), andererseits können die Ergebnisse einen Beitrag zur Frage liefern, warum sich Regionen trotz ähnlicher Voraussetzungen und Ausgangsbedingungen unterschiedlich entwickeln.

ISR-Projektteam


Laufzeit


2016-2020

Finanzierung


Institut für Stadt- und Regionalforschung/ÖAW