Hintergrund und Problemstellung


Die großen gesellschaftlichen Herausforderungen hin zu einer nachhaltigen Transformation manifestieren sich vor allem in Städten. Städte spielen eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung von Gesundheitsproblemen, dem Umgang mit dem Klimawandel und der Bekämpfung sozialer und wirtschaftlicher Ungleichheiten. Die Idee der 15-Minuten Stadt bietet einen vielversprechenden Ansatz zur Schaffung nachhaltiger, aktiver und gesunder städtischer Umgebungen in europäischen Städten. Allerdings ist die bisherige Anwendung des Konzepts in einer ortsbezogenen, auf den Menschen ausgerichteten Planung noch rudimentär und lückenhaft. Die Umsetzung konzentriert sich vorrangig auf dicht besiedelte Innenstadtbereiche, während andere, vielfältig strukturierte städtische Räume vernachlässigt werden. Um das Konzept der 15-Minuten Stadt in die stadtplanerische Praxis zu integrieren, ist es von entscheidender Bedeutung, die Mobilitätsmuster und die Erreichbarkeit verschiedener Bevölkerungsgruppen zu verstehen, detaillierte Indikatoren für die Erreichbarkeit zu definieren und das Konzept an die Bedürfnisse aktiver Mobilität anzupassen. Dabei müssen sowohl individuelle Zugänglichkeitsanforderungen als auch der Einfluss der physischen Umgebung auf die Mobilität und die Wahrnehmung der Menschen berücksichtigt werden.

Zielsetzungen und Forschungsfrage


AccessCity4All zielt darauf ab, das Konzept der 15-Minuten Stadt durch Berücksichtigung der Vielfalt der Mobilitätsbedürfnisse verschiedener Bevölkerungsgruppen sowie der Morphologie der Stadtviertel zu verbessern. Durch detaillierte Untersuchungen von Mobilitätsmustern und individuellen Wahrnehmungen in bis zu 50 Stadtvierteln, von Stadtzentren bis zu Stadtrandgebieten, sollen Diskrepanzen zwischen kalkulierter, wahrgenommener und tatsächlich realisierter Erreichbarkeit aufgezeigt werden. Auf diese Weise sollen neue Formen der Erreichbarkeitsmessung auf Stadtviertelebene entwickelt werden, die den urbanen Formen und sozialen Gruppen gerecht werden und so eine nachhaltige urbane Transformation unterstützen.Angesichts der Vielfältigkeit urbaner Quartiere argumentieren wir, dass es nicht eine ideale "15-Minuten" Stadt gibt, sondern vielmehr eine Vielzahl von „15-Minuten Nachbarschaften“, je nach städtischer Lage und Zusammensetzung von Bevölkerungsgruppen.

Die zentrale Forschungsfrage des Projekts lautet: Wie kann das Konzept der 15-Minuten Stadt entsprechend angepasst werden, um die Transformation zur aktiven Mobilität für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen in Nachbarschaften von Stadtzentren bis hin zu Stadtrandquartieren mit unterschiedlichen Erreichbarkeiten zu unterstützen?

Methodik


AccessCity4All baut auf einem Urban Living Lab (ULL)-Ansatz auf. Dieser bildet den ortsbezogenen, empirischen Rahmen in fünf europäischen Städten des Forschungsprojekts. Dabei werden umfassende digitale partizipative Kartierungsmethoden (Public Participation GIS, PPGIS), vertiefende qualitative Methoden wie Walk-Along-Interviews (WAI) mit Bewohner:innen und ko-kreative Workshops mit Stakeholdern der Nachbarschaften kombiniert. WAIs dienen der Erfassung der sozial-räumlichen Wahrnehmung, individueller Perspektiven und Bedürfnisse der Menschen im Zuge des gemeinsamen Gehens, während PPGIS-Tools zur Untersuchung von ortsbezogenen Informationen über die räumlichen Verhaltensmuster der Bewohner:innen, deren Wahrnehmungen ihrer Lebensumwelt sowie der wahrgenommenen und der tatsächlich realisierten Erreichbarkeit von Einrichtungen des täglichen Bedarfs genutzt werden. Die Einbindung der Stakeholder in einen ko-kreativen Prozess, unter anderem im Rahmen von Workshops, gewährleistet ein besseres Verständnis individueller Mobilitäts- und Erreichbarkeitsbedürfnisse der Menschen sowie die Identifizierung von Möglichkeiten zur Integration der Ergebnisse in Planungsstrategien und -praktiken.

Erkenntnisgewinn


AccessCity4All erweitert das Konzept der 15-Minuten Stadt um die Dimension der individuellen Raumwahrnehmung in Form der wahrgenommenen und der tatsächlich realisierten Erreichbarkeit der Bewohner:innen neben der kalkulierten Erreichbarkeit. Dabei werden unterschiedliche urbane Charakteristiken und die spezifischen Bedürfnisse von Städten berücksichtigt. Methodisch werden diverse neue Formen von empirischen Methoden zur Erfassung von Primärdaten kombiniert, die neue Möglichkeiten für die Citizen Science eröffnen. Die Ergebnisse des Projekts umfassen ein neues Verständnis des Konzepts der 15-Minuten Stadt, verbesserte Erreichbarkeitsmessungen für unterschiedliche urbane Räume, Empfehlungen für die Stadtplanung zur Gestaltung inklusiver öffentlicher Räume wie auch Einblicke in ortsspezifische, auf den Menschen ausgerichtete 15-Minuten Nachbarschaften in ganz Europa.

Durch die Beteiligung mehrerer ULLs innerhalb des komparativ angelegten Forschungsdesigns können wissenschaftliche Erkenntnisse und politisch relevante Ergebnisse auf andere Städte in Europa übertragen werden. Diese können Planungsstrategien und Stadtplanungspraktiken über die fünf Partnerstädte hinaus beeinflussen und zu einer verbesserten und akkurateren Modellierung der Erreichbarkeit von Einrichtungen in europäischen Städten sowie zur möglichen Umsetzung erreichbarkeitsbasierter Planungskonzepte zur Schaffung aktiver, gesunder und inklusiver Nachbarschaften beitragen.

Laufzeit


1.01.2024 - 31.12.2026

Projektpartner


  • Austrian Academy of Sciences: Urban and Regional Research (Lead Partner)
  • ILS Research, Dortmund: Mobility and Space
  • University of Groningen: Spatial Planning and Design
  • University of Lisbon: Center of Geographical Studies/GIS
  • GAZI University Ankara: Architecture and Planning

Finanzierung


Dieses Projekt wird von der FFG finanziert; unterstützt vom DUT Programm und Horizon Europe.